Management & Führung - Tradition am Abgrund

>>> Impuls & Tipps <<<

Dieser Blogpost ist ungewöhnlich lang, daher hier eine kurze Übersicht, was Du erwarten kannst:

  • Hintergründe: Warum der „Mensch“ heute wieder wichtiger wird

  • Hintergründe & Argumentationshilfe: Welche historischen 4 Protagonisten zeitgemäße Zusammenarbeit so schwer machen und wie sich das heute auswirkt

  • Impuls: Auf welche 12 + 3 Fokusbereich man besonders achten sollte, wenn man Zusammenarbeit aktiv und positiver gestalten möchte

  • Tipps: Warum und wie dir die Arbeit mit dem CoRE-Canvas hilft, die Zusammenarbeit in deinem Unternehmen zu verbessern, egal, ob du in einer Mitarbeiter-, Führungs- oder Managementrolle aktiv bist

Los geht's

Wirklich effektive und effiziente Zusammenarbeit entsteht da, wo Menschen Raum gegeben wird, ihre Fähigkeiten einzubringen und entsprechend ihrer Talente zu handeln. Wer Dinge tun muss, die ihm widerstreben, die er einfach nicht kann oder nicht einfach kann, der ist darin nicht so gut und effizient, wie jemand, dem das Thema gut liegt. Organisationen um die Idee optimaler Zusammenarbeit herum zu gestalten, ist daher a) talentabhängig und b) schwierig. Es hängt von der Bereitschaft der Beteiligten ab, ihre Talente einzubringen und ist zugleich schwierig für alle, für Führungskräfte, fürs Management und ebenso für die Mitarbeiter. Es ist um so schwieriger, je weniger Einfluss man auf die Ausgestaltung des Systems, in dem man arbeitet, hat oder sich diesen Einfluss nimmt.

Egal auf welcher Ebene man mit gut gestalteter Zusammenarbeit zu tun hat, es gibt weniges, das komplexer und veränderlicher ist. Und doch: Die Art, wie Zusammenarbeit heute gestaltet ist, lässt keine andere Wahl, als das Gesamtsystem der Organisationen zu überdenken und umzugestalten.

Die Artefakte, die falschen, durch heute üblichen Methoden hervorgerufenen Ergebnisse, geben ein deutliches Bild ab: Mitarbeiter sind „Full Time Equivalents“, Budgets werden aus der Historie abgeleitet und für 12 Monate im Voraus festgeschrieben, Entscheidungen werden entsprechend der Unterschriftenrichtlinien getroffen, Abteilungen mit maximaler Entfernung zum Markt legen Ziele und Strategien fest, Mitarbeiter sollen über Boni und Incentives motivieren werden, in Großraumbüros sollen Kommunikation und Konzentration gleichzeitig ermöglicht werden, Meetings finden in dafür vorgesehenen Räumen mit einer „geeigneten“ Bestuhlung statt, Zeiterfassung ist auch für Wissensarbeit notwendig, …. ich könnte diese Liste wohl ewig fortsetzen.

Diverse Studien belegen Jahr für Jahr, dass das Engagement der Mitarbeiter dauerhaft niedrig und die Zukunftsaussichten in vielen Unternehmen schlecht sind.

Das Umfeld, in dem viele Unternehmen tätig sind, verlangt andererseits, um im globalen Wettbewerb Kunden mit sehr individuellen Ansprüchen begeistern zu können, nach schnelleren Entscheidungen, immer mehr und immer neuen Ideen, höherer Geschwindigkeit, besserer Vernetzung, größerer Transparenz, intensiverer crossfunktionaler Interaktion, einfacherem und zugleich fokussiertem Informationsfluss und individuelleren Arbeitssituationen, um Kompetenzträger im Unternehmen zu halten und neue hinzuzugewinnen.

Im Kern geht es dabei um ganz viel ‚Mensch', um soziale Interaktion, um Raum für gesunden Menschenverstand und gesundes Menschengefühl. Nicht umsonst wird vielerorts der Ruf laut, die Kultur zu ändern. Doch Kultur ist nicht greifbar, kaum messbar, nicht beeinflussbar und schon gar nicht steuer- oder von außen änderbar. Kultur ist ein sich stetig veränderndes Ergebnis der Entwicklungen im Unternehmen.

Ein 100 Jahre altes Problem - nein, eigentlich 4

Das Problem: Vor 100 Jahren wurden begonnen Unternehmen nach mechanischen Prinzipien zu optimieren. Man steuerte die Mitarbeiter, nach den gleichen Regeln wie Maschinen. Damals war dies entscheidend, um die Produktivität an die Nachfrage anzupassen. Die ersten großen Industriebetriebe waren so in der Lage, die wachsenden Märkte schnell mit standardisierten Produkten zu bedienen und in ausreichender Qualität zu einem immer günstigeren Preis zu verkaufen. Nicht weniger als 4 Protagonisten, Frederick W. Taylor, Henry Fayol, James O. McKinsey und Henry Gantt hinterließen dabei jeweils ihren Fingerabdruck auf dem, was wir heute als Managementmodell tief in Unternehmen verankert haben.

Heute, in einem globalen und zugleich immer stärker umkämpften Markt, mit hochkomplexen Produkten und ebenso komplexen Kundenwünschen, bei denen es eine Vielzahl an Ansätzen und Lösungen gibt, um diese Kunden perfekt zu bedienen, ist dies kein Ansatz mehr, der von Erfolg gekrönt sein könnte.

Wo früher standardisierte Masse gefragt war, ist heute individuelle Klasse immer wichtiger. Wo der Wunsch nach „optimaler“ Arbeit es früher notwendig machte, Menschen als Maschinenteil zu verstehen, bedeutet optimale Arbeit heute, die Zusammenarbeit zwischen Menschen und mit Maschinen auf vielfältige Art immer leichter möglich zu machen.

Diese Arbeit braucht dazu, vielleicht mehr den je, die aktive, engagierte Beteiligung aller! Sie braucht die kognitiven, die fachlichen, die sozialen und die strukturierenden Fähigkeiten, das Talent, die Erfahrungen und Kompetenzen, den Willen und die Lust aller Stakeholder, damit aus dem bunten Blumenstrauß an Möglichkeiten zielgenau diejenigen genutzt werden können, die das Unternehmen im Markt (maximal) erfolgreich machen.

Doch wir brauchen diejenigen, die sich für den Erfolg des Unternehmens einbringen nicht als Zahnräder in einem gut geschmiert, funktionierenden Getriebe.

Menschen sind, mit ihren individuell besonderen Fähigkeiten, nicht einfach austauschbar und die Anforderungen in den Unternehmen und damit die Anforderungen an die Beteiligten, sind immer weniger vorhersagbar. Anpassungsfähigkeit ist das Gebot der Stunde. Doch Anpassungsfähigkeit erfordert den Wunsch und Willen diese Anpassung auch tatsächlich zu vollziehen. Anpassung unter Druck und Zwang ist zwar möglich, aber nicht, wenn es zugleich darum geht Zugang zu den Ideen und Impulse in den Köpfen den Mitarbeiter zu erhalten.

Wo der Versuch von Steuerung, Kontrolle und Fremdbestimmung angewandt wird, da sinkt im gleichen Maß die Bereitschaft zu Kooperation, zu echter Beteiligung und zum Engagement.

Das bisherige System, wie wir (Zusammen-)Arbeit organisieren und gestalten wird, das Betriebs- und/oder Organisationssystem unserer Unternehmen, basiert, in seiner noch immer prägenden 100 Jahre alten Logik, auf nicht mehr zeitgemäßen Annahmen und ist fundamental defekt.

Die vererbten, traditionellen Ansichten über gute und richtige Organisationssysteme sind nicht mehr zielführend. Die gewohnte Perspektive, das so lange immer wieder weitergegebene Wissen, dieses Brauchtum, das wir so schätzen, weil es uns das Gefühl von Zugehörigkeit und Sicherheit gibt, es ist sind veraltet. Schlimmer noch, es entwickeln sich zu einer echten Gefahr in Bezug auf die Zukunft von Unternehmen.

Es sind mehr denn je die Menschen, die Organisationen, Unternehmen, Entscheidungen, Zielsetzungen, Strategie und Ergebnisse prägen, nicht die Prozesse, nicht die Hierarchien, nicht die Strukturen und nicht die Vorgaben und Wünsche.

Viele der Grundannahmen, die vor 100 Jahren den Erfolg der damaligen Ideen ermöglicht haben, gelten heute nicht mehr. Vernetzung, die Zunahme an Wissen und Wissensträgern, die Volatilität von Märkten, die ihre Wachstumsgrenzen erreicht haben, die Anforderungen der Kunden nach individuellen Lösungen, all das hat den so lange so erfolgreichen Ansätzen die Grundlagen entzogen. Unternehmen, die versäumen, sich den neuen Umweltbedingungen anzupassen und an den alten Managementlehren festhalten, fußen damit heute immer mehr auf einem wackligen Fundament.

Taylors Ansatz der Arbeitsteilung funktioniert nicht mehr, wenn es darum geht kreative Lösungen aus einer Vielzahl von Perspektiven abzuleiten und auf dieser Basis die Kundenwünsche möglichst zielgenau zu befriedigen. Fayols Strukturen eignen sich nicht mehr, um Entscheidungen in der Geschwindigkeit zu treffen, die die auf Anpassungsfähigkeit getrimmten Organisationsteile benötigen.

Die Ideen von McKinsey und Gantt basieren auf der Annahme, dass aus der tiefen Analyse und Kenntnis der Vergangenheit valide Vorhersagen für die Zukunft getroffen werden können. Eine Vorstellung, die heute in einer komplexen, sich dynamisch und mit exponentiell wachsenden Geschwindigkeit weiterentwickelnden Welt immer weniger zutrifft.

Andererseits erkennen immer mehr Unternehmen, Führungskräfte und „normale“ Mitarbeiter die Falle, in der die Unternehmen stecken und suchen nach Lösungen, um den Arbeitsalltag und den Geschäftsbetrieb wieder effektiver zu gestalten. Sie suchen nach Möglichkeiten, um Freiraum für Innovation und Zusammenarbeit zu schaffen und passen die Rahmenparameter, nach denen das Unternehmen funktioniert, den neuen Anforderungen an. Sehr eindrücklich zeigt diese eine Studie, die ich Anfang 2019 durchgeführt habe.

Die Zahl der Management-, Führungs- und Organisationsvordenker, nicht nur auf Seiten der Wissenschaft und Beratung, sondern insbesondere auch in den Unternehmen, wächst. Alte Unternehmen gehen die Veränderungen an und neue gründen sich auf Basis eines zeitgemäßen, gemeinsamen Verständnisses. Sie alle entwerfen und komponieren Unternehmensmodelle und -ansätze, die in der Lage sind, den technischen Fortschritt zuzulassen, ihn für das Unternehmen zu nutzen und zugleich dem Mensch im Unternehmen neue Bedeutung zuzumessen. Die Idee wieder mehr „Mensch sein zu können“ im Unternehmen zuzulassen, ist das zentrale Element, um die Basis für mehr Geschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit zu legen.

Der Weg zum Canvas, der Canvas als Wegweiser

Betrachtet man diese Unternehmen und analysiert ihr Vorgehen, so fallen einige Bereiche auf, die eine besondere Bedeutung für den Erfolg der Zusammenarbeit besitzen und daher eines verstärkten Fokus der Aufmerksamkeit bedürfen. Es sind die Bereiche, in denen der Wandel der Grundannahmen zwischen der „alten“ und der „neuen“ Unternehmenswelt am signifikantesten und eindrücklichsten erfolgt.

Auf diesem Wege lassen sich 12 plus 3 Fokusbereich ableiten, die sich zu 3 Kategorien zusammenfassen lassen und so eine zusätzliche Betrachtungsebene ergeben. Trotz dieser, auf den ersten Blick, starken Differenzierung sind weder die Elemente noch die Kategorien überlappungsfrei. Sie ergeben erst in der Gesamtsicht ein aussagekräftiges Bild und ein stabiles Fundament für die weitere Entwicklung des Unternehmens. Sie sind auf vielfältige Weise miteinander verknüpft. Die Komplexität des Unternehmenssystems lässt sich mit keinem Modell in klaren Strukturen und Zuweisungen abbilden. Um ein Grundverständnis und eine Visualisierung der Situation zu erhalten, gibt es dagegen kaum ein besseres Mittel als einen Canvas, in diesem Fall den CoRE-Canvas.

Wenn Du an 30 Fragen ausprobieren willst, wie es um die Zusammenarbeit bei euch im Unternehmen bestellt ist, dann nutze meine Online Befragung zum Thema.

Diese Fokusbereich sind:

im Kontext sozialer Interaktivität (der Kategorie „Haltung“): Ziele, Beziehungen, Lernen, Autonomie und Wertschätzung

im Kontext fachlichen Austauschs (der Kategorie „Expertise“): Fähigkeiten, Austausch, Chancen, Wirksamkeit und Wertbeitrag

und im Kontext der Organisation (in der Kategorie „Organisationssystem“): Strategie & Prozesse, Beteiligung, Struktur, Sicherheit und Wertschöpfung.

Wenn du mehr zum CoRE-Canvas und seinen Einsatzmöglichkeiten für die individuelle oder die organisationale Weiterentwicklung erfahren willst, dann schau hier vorbei oder nimm direkt Kontakt zu mir auf. Auf der verlinkten Website findest Du zudem eine ausführlichere Version dieses Textes.

So kannst du sofort starten

Wenn Du die Zusammenarbeit in deinem engsten Umfeld verbessern willst oder du dir als (zukünftige) Führungskraft die Arbeit erleichtern willst, dann nimm jeden der Fokusbereich des Canvas genau unter die Lupe und reflektiere für dich, welche Artefakte in diesem Kontext in deinem Umfeld existieren. Schau dir dann die Ursachen dafür an und überlege, idealerweise gemeinsam mit anderen, welche Hacks euch dazu einfallen, oder welche ihr anwenden könnt, um die Situation für euch zu ändern. Eine Übersicht klassischer Hacks findest du demnächst auf meiner website.

Ab Ende August werde ich dazu eine Challenge in Form einer wöchentliche e-mail anbieten, die du gegen einen kleinen Obolus jederzeit starten kannst. Du kannst dich dafür hier unverbindlich eintragen und bekommst dann rechtzeitig alle Infos.

Wenn du in einer Führungsrolle unterwegs bist, dann kannst Du hier vorab das Do-It-Yourself (DIY)-Kit anfordern, der in den nächsten Tagen verfügbar sein wird. Er wurde entworfen, um dir und deinem Team, deiner Abteilung, deinem Bereiche zielgerichtet Impulse zu geben, um die bestehen und störenden Artefakte aufzudecken und durch geeignete hacks zu überwinden. Im DIY-Kit enthalten sind ein Canvas als PDF (DIN A0), eine Anleitung und einige Leitfragen pro Fokusbereich.

Die Arbeit an Artefakten, deren Ursachen und entsprechenden hacks ist nicht ganz risikofrei. Manchmal werden dabei tiefgreifende, in der Organisation fest verwurzelte und kulturprägende (falsche) Annahmen offengelegt. Daher kann es hilfreich sein, den Canvas in Form eines moderierten Workshops anzugehen. Entsprechende Angebote findest du hier.

Falls du zum Thema zeitgemäße Führung weitere Informationen suchst, empfehle ich dir neben weiteren Artikeln in meinem Blog auch gerne das leadawesome Kartenset „Führung“. Zusätzlich werde ich mit meinen freiKopfler Kollegen Heiko Bartlog und Christoph Karsten am 22. Juli ein webinar zum Thema „Führung frei denken“ veranstalten, zu dem du dich hier anmelden kannst. Ein Seminar zum Thema ist für den 26.-27. September geplant.

Wenn du das Unternehmen aus einer Managementrolle heraus führst, dann ist der Canvas sicherlich ein geeignetes Hilfsmittel, um singuläre Problemstellungen anzugehen. Aus deiner Rolle heraus hast du die Verantwortung sowohl subjektive Wahrnehmungen zu reflektieren, als dir auch ein möglichst objektives Bild zu machen. Dafür eignet sich eine Kombination aus dem CoRE-Canvas, dem ManagementModel Canvas und AGILE SHIFT Diagnostik. Du erhältst valide Reflexionsergebnisse aus unterschiedlichen Perspektiven, die es erlauben deutlich tiefer zu blicken und direkt an den Ursachen zu arbeiten. Wenn du mehr dazu erfahren möchtest, vereinbare einfach eine Termin für ein erstes Telefonat.

Gerade die aktuellen Entwicklungen, etwa bei der Deutschen Bank, aber auch bei anderen Mittelständlern und Konzernen zeigen, wie sehr Unternehmen, die an den alten Mustern festhalten (müssen) sich in ihrer Existenz selbst gefährden. Eine Situation, die absolut vermeidbar ist.

Einordnung des CoRE-Canvas

Der Canvas ist Teil er Corp Co-Recreation Ansatzes, der als Leitfaden für die interaktive und sukzessive Anpassung des Managementmodels und der Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit in Unternehmen dient.

Der Canvas ist dabei nur ein Werkzeug, um mehr Klarheit zur den in der Organisation bestehenden Herausforderungen zu erhalten. Weitere Hilfsmittel sind z.B. der ManagementModel Canvas, die Agile Shift Diagnostiken von AGILITY INSIGHTS, direkte Organisationsbegleitung oder etwa Online Reflexionen spezifischer Themen gemeinsam mit meinen freiKopfler Kollegen Heiko Bartlog und Christoph Karsten.

Guido Bosbach schreibt über Management, Führung, Leadership, NextManagement

Guido Bosbach ist Organisationsberater mit einem Fokus auf Lösungen, die für eine systemisch fundierte, nachhaltige und menschenzentrierte Verbesserung der Zusammenarbeit und des gemeinsamen Erfolgs abzielen. Er arbeitet dazu in Unternehmen mit deren Executive-Teams & Führungskräften.

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