Management: Wie Sie Generationenkonflikte im Team lösen
Boomer sind borniert, Millennials anspruchsvoll, die Generation Z bringt nur Narzissten hervor. Vorurteile und unterschiedliche Erwartungen führen in vielen Teams zu Spannungen. Wie Sie Generationskonflikte lösen.
Von Amy Gallo
Kennen Sie dieses Muster? Bei Besprechungen mit älteren Kollegen scheinen diese jedes Mal abzuschalten, wenn Sie eine Idee haben. Ihre Vorschläge werden selten, wenn überhaupt gehört. Auch angesichts der herablassenden Kommentare, die langjährige Teammitglieder über andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihrem Alter machen, beschleicht Sie der Verdacht, dass Sie nicht ernst genommen werden, weil Sie jünger sind.
Vielleicht ist es auch genau umgekehrt: Sie haben eine jüngere Kollegin dabei ertappt, wie sie bei Zoom-Meetings die Augen verdreht. Das tut sie regelmäßig, wenn Sie Ihre Meinung äußern. Natürlich wäre es möglich, dass es sich um einen Zufall handelt. Dennoch können Sie sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Kollegin Sie als altmodisch einstuft und sich deshalb so respektlos verhält.
In Unternehmen arbeiten heute oft vier verschiedene Generationen zusammen. Sie begegnen Vorurteilen wie:
Babyboomer sind borniert und arrogant.
Die Generation X ist zynisch und unengagiert.
Millennials sind zu anspruchsvoll.
Die Generation Z ist narzisstisch und will nicht hart arbeiten.
Wenn diese Stereotype allesamt wahr wären, käme der Geschäftsbetrieb in den meisten Unternehmen vermutlich zum Erliegen. Doch auch wenn sie offenkundig nicht stimmen, bringen Stereotype das Potenzial mit, Konflikte zu verursachen. Allein die Annahme, Kollegen einer bestimmten Altersgruppe verhielten sich automatisch so oder so, vertieft Gräben und führt zu schlechter Stimmung.
Was erschwerend hinzukommt: Wenn Menschen davon ausgehen, dass ältere oder jüngere Kolleginnen und Kollegen schlecht über sie denken, stellen sie sich von vornherein auf unangenehme Auseinandersetzungen ein. Wissenschaftler bezeichnen dies als Meta-Stereotyp.
Letztlich gibt es nur recht wenige Belege dafür, dass die unterschiedlichen Generationen bei der Arbeit deutlich anders agieren. Vielmehr scheint es so zu sein, dass wir uns unserem Alter entsprechend verhalten – daran hat sich über die Generationen hinweg nur wenig geändert, wie Studien klar belegen. Auch wenn Menschen mit zunehmendem Alter und fortschreitender Karriere gern darüber klagen, wie sich die Dinge verändert haben: Die Ansicht, „die Jugend von heute“ sei schlechter als die Jugend früher, ist viel eher Einbildung als Realität.
Echt sind jedoch die enormen Spannungen, die durch Vorurteile entstehen können. Was also tun, wenn Sie vermuten, dass Sie selbst oder Ihr Team in einem Generationenkonflikt stecken? Wie lassen sich Vorurteile abbauen?
Seien Sie neugierig – auf Ihre eigene Reaktion und die Ihres Gegenübers. Wenn im Job etwas schiefläuft, zum Beispiel eine junge Kollegin eine Frist versäumt und sich dadurch ein Projekt verzögert, denken wir uns unseren Teil: Wir stellen uns vor, wie es dazu gekommen ist und wie es nun weitergehen wird. Vielleicht glauben Sie, dass Ihre Kollegin ihren Job nicht so ernst nimmt wie Sie selbst. Wir halten unsere eigene Version der Geschichte oft selbst dann für wahrhaftig, wenn wir klare Hinweise darauf haben, dass sie es gar nicht ist. Der Grund: Unser Gehirn ist darauf programmiert, Ressourcen zu sparen, und neigt deshalb zu vorschnellen Schlüssen. Wissenschaftler nennen das „voreilige“ oder „willkürliche Schlussfolgerungen“.
Folgende Leitfragen helfen, vorschnelle Urteile zu vermeiden:
Ist es möglich, dass ich mit meiner Annahme falschliege?
Wie stelle ich mir die Situation vor, in der meine Kollegin oder mein Kollege steckt? Was unterstelle ich womöglich?
Wie habe ich womöglich selbst zu dem Problem beigetragen?
Vom Alter und der Generation abgesehen: Was könnte das Verhalten Ihres Gegenübers noch erklären?
Die letzte Frage ist wichtig, weil es eine kognitive Verzerrung gibt, die als fundamentaler Attributionsfehler bezeichnet wird. Diese beschreibt unsere Neigung, anzunehmen, das Verhalten einer anderen Person habe mehr mit ihrer Persönlichkeit zu tun als mit ihren Lebensumständen. Dieser Fehler führt dazu, dass wir die Verzögerung eines Projekts eher mangelndem Engagement zuschreiben, als wahrzunehmen, dass die Kollegin mit einer familiären Krise zu kämpfen oder einfach zu viel um die Ohren hatte.
Interessant: Wenn es um sie selbst geht, tun Menschen in der Regel genau das Gegenteil. Sie führen es auf die äußeren Umstände zurück, wenn sie eine Aufgabe zu spät erledigen.
Akzeptieren Sie Unterschiede. Es ist einfach, Konflikte auf einen Generationenunterschied zu schieben. Sehen Sie Unterschiede nicht automatisch als Defizite. Versuchen Sie anzuerkennen, dass Differenzen zwischen Menschen unterschiedlicher Generationen normal sind und häufiger vorkommen.
Folgende Themen führen oft zu Konflikten (gegenübergestellt sind die Eigenschaften und Wertvorstellungen, die stereotyp Mitarbeitenden der jüngeren Generationen zugeschrieben werden, und jene, die mit älteren Kolleginnen und Kollegen in Verbindung gebracht werden):
effiziente Kommunikation vs. ausschweifende Kommunikation,
großes Technologieverständnis vs. geringes Technologieverständnis,
der Anspruch auf Anerkennung und Fortkommen besteht automatisch vs. Aufstieg und Lob müssen durch Leistung verdient werden,
Streben nach Innovation vs. Streben, den Status quo zu erhalten,
Lebensmittelpunkt außerhalb der Arbeit vs. Arbeit als Dreh- und Angelpunkt des Lebens,
egalitäres Miteinander vs. hierarchisches Miteinander,
starkes Bedürfnis nach Sinnhaftigkeit vs. Geldverdienen steht im Vordergrund.
Das Wissen um diese Unterschiede kann dazu beitragen, Meinungsverschiedenheiten weniger persönlich zu nehmen. Sie könnten sogar noch einen Schritt weitergehen und sich mit der Tatsache anfreunden, dass es sich dabei oft um positive, ja produktive Differenzen handelt.
Statt entscheiden zu wollen, wer im Recht ist, sollten Sie akzeptieren, dass jeder Mensch die Welt anders sieht. Und dass diese Vielfalt in der Regel hilft, eine Aufgabe oder ein Projekt gemeinsam zu meistern. Wenn Sie beispielsweise voller Energie darauf drängen, Neues auszuprobieren, und ein älterer Kollege dazu neigt, an Bestehendem festzuhalten, wird Ihr Team eher eine gute Balance zwischen Innovation und Bewährtem finden.
Gehen Sie das konkrete Problem an. Betrachten Sie Ihre Kollegen und sich selbst nicht als Opponenten aus unterschiedlichen (Generationen-)Lagern. Zusammenarbeit und Konflikte sind vielmehr geprägt durch das Zusammenspiel dreier Faktoren: Der eine sind Sie selbst, der zweite Faktor ist Ihr Gegenüber und der dritte das Problem, das Sie miteinander haben. Ignoriert eine Kollegin Ihren Input, dann ist dies das Problem, das Sie angehen müssen. Schieben Sie die Differenzen nicht auf generationenbedingte Einstellungen. Sollte ein Kollege wiederholt Fehler machen, für die Sie den Kopf hinhalten müssen, dann ist dies das Problem, das Sie lösen müssen.
Fragen Sie sich: „Was ist mein Ziel? Was brauche ich, um meinen Job zu erledigen?“ Wenn eine Präsentation fertig werden muss und ein junger Kollege im Vertrieb stöhnt, wie viele Daten Sie von ihm benötigen, verschwenden Sie keine Zeit damit, die Faulheit seiner Generation zu beklagen. Konzentrieren Sie sich darauf, die Zahlen zu bekommen, damit Sie Ihren Termin einhalten. Vielleicht können Sie dem Kollegen später erklären, warum Sie sein Genörgel gestört hat – und ihn fragen, wie Sie beide künftig lieber zusammenarbeiten wollen.
Sprechen Sie Vorurteile an und hinterfragen Sie sie. Manchmal ist die Versuchung groß, die Dynamik zwischen sich selbst und einem Kollegen mit einem Etikett zu versehen: „Das hat wahrscheinlich mit dem Alter zu tun …“ oder „Wir kommen eben aus verschiedenen Generationen …“. Solche Statements bergen Sprengstoff – selbst dann, wenn sie eigentlich konstruktiv gemeint sind. Menschen fühlen sich in die Defensive gedrängt, wenn Verhaltensweisen auf ihre gesamte Generation übertragen werden. Erst recht, wenn diese als unliebsam gelten.
Das soll aber keineswegs heißen, dass über Generationsunterschiede nicht geredet werden darf. Diskrepanzen zu benennen kann hilfreich und nützlich sein. Achten Sie allerdings darauf, Ihr Gegenüber nicht in eine Schublade zu stecken. Oft wirkt es klärend, die gängigen Klischees anzusprechen. Etwa: „Wenn man den Medien glaubt, ist meine Generation faul und Ihre Generation unflexibel. Wir sind uns sicher einig, dass beides nicht stimmt.“ Oder: „Über unsere beiden Generationen gibt es viele Klischees – Leute meines Alters sind angeblich borniert, Leute Ihres Alters extrem anspruchsvoll. So sehe ich jedoch weder Sie noch mich.“ Wenn es passend erscheint, können Sie sogar eine Art Versprechen abgeben: „Wenn ich ein Problem oder einen potenziellen Konflikt spüre, werde ich es nicht auf Ihr Alter oder Ihre Generation schieben. Ich werde es direkt ansprechen. Ich fände es sehr schön, wenn Sie es ebenfalls so machen würden.“
Betonen Sie Gemeinsamkeiten, nicht Unterschiede. Es fällt leichter, sich in Menschen einzufühlen, mit denen wir uns auf die eine oder andere Weise identifizieren. Anstatt gedanklich aufzulisten, in welchen Punkten Sie sich von Ihrem Kollegen unterscheiden, suchen Sie lieber nach Gemeinsamkeiten. Erkundigen Sie sich bei jüngeren Teammitgliedern, wie es ist, in Ihrem Beruf neu anzufangen. Finden Sie heraus, auf welche Herausforderungen sie sich besonders freuen. Ältere Kollegen könnten Sie fragen, welche Hindernisse er oder sie im Laufe der Karriere überwinden musste. Hören Sie zu – und berichten Sie erst danach von Ihren eigenen Erfahrungen.
Ein weiterer Weg, Brücken zu bauen, besteht darin, Ihr Gegenüber um Rat zu fragen. Was können Sie von der anderen Person lernen? Wo könnte Ihr eigener Rat hilfreich sein? Sie könnten etwa sagen: „Ich weiß, dass wir vieles oft unterschiedlich sehen. Deshalb würde ich gern Ihre Meinung zu … hören.“
Stellen Sie das gemeinsame Ziel in den Fokus. Gibt es ein Projekt, das Sie gemeinsam mit älteren oder jüngeren Teammitgliedern in Angriff nehmen könnten? Eines, bei dem Sie alle vorhandenen Talente und Energien bündeln können? Oder ein Problem, bei dem Sie den anderen unterstützen könnten?
Mit jemandem zusammenzuarbeiten, von dem Sie das Gefühl haben, dass er ein vorgefertigtes Urteil über Sie hat, mag nicht sonderlich attraktiv erscheinen. Ein gemeinsames Ziel vor Augen zu haben kann das Verhältnis allerdings deutlich entspannen und beide Seiten dazu bringen, bewusst an einem Strang zu ziehen.
Mit diesen Vorschlägen können Sie ein gemeinsames Vorgehen anregen:
„Wir möchten dieses Projekt beide rechtzeitig abschließen. Wollen wir darüber sprechen, wie wir unsere Zusammenarbeit koordinieren, um das am besten zu erreichen?“
„Das ist eine prima Gelegenheit, gemeinsam dafür zu sorgen, dass unser Team/die Abteilung gut dasteht.“
„Ich bin sicher, wir können hier einen großen Wurf landen, wenn wir es gemeinsam angehen.“
Vereinbaren Sie, wie Ihre Zusammenarbeit aussehen soll. Viele Konflikte entstehen, weil nicht klar ist, wie bestimmte Aufgaben gelöst werden sollen. Dass Sie im selben Team arbeiten und dasselbe Ziel verfolgen, heißt nicht, dass Sie auch dieselben Präferenzen haben. Nehmen Sie sich die Zeit, darüber zu sprechen. Welche Prozesse wollen Sie nutzen? Was ist Ihnen beiden wichtig? Fragen Sie Ihre Kollegin, welche Vorstellungen sie hat, und kommen Sie mit ihr darüber in ein tiefer gehendes Gespräch. Flexibilität ist der Schlüssel zum Erfolg. Mag sein, dass Sie Textnachrichten für den effizientesten Weg halten, um über Pläne und Projekte zu kommunizieren. Ihre Kollegin zieht vielleicht Telefonate oder Mails vor. Oder Sie legen Wert darauf, Besprechungsergebnisse kurz schriftlich zusammenzufassen, während Ihr Kollege das für Zeitverschwendung hält. Stellen Sie sich aufeinander ein – nur so finden Sie eine Lösung, die für Sie beide funktioniert.
Ein Team, mit dem ich gearbeitet habe, hatte eine Art „Benutzerhandbuch“ erstellt, in dem jedes Mitglied seine Arbeitspräferenzen erläuterte. Das Schriftstück erklärte die unterschiedlichsten Aspekte. Etwa, wer sich vegan ernährte, wer welche Arbeitszeiten bevorzugte oder welchen Stellenwert Effizienz im Team hatte. Es handelte sich dabei nicht um ein Regelwerk, sondern um eine Orientierungshilfe, die festhielt, wie wir miteinander kommunizieren und interagieren wollten.
Ich persönlich halte es für hilfreich, mir immer wieder vor Augen zu führen, dass Alter nichts anderes ist als ein Punkt in der Zeit. Um dem Impuls zu widerstehen, Kollegen aus anderen Generationen in eine Schublade zu stecken, habe ich folgenden Glaubenssatz für mich entwickelt: „So war ich. So werde ich sein.“ Ganz gleich, ob ich mich über einen jüngeren Kollegen ärgere, der ständig neue Vorschläge zur Optimierung der Arbeitsabläufe hat, oder über einen älteren, der jeden zweiten Satz mit „Als ich so alt war wie Sie …“ anfängt. Ich versuche daran zu denken, dass auch ich einmal so jung war und wahrscheinlich auch einmal so alt sein werde. © HBP 2022
Kompakt
Das Problem Das Verhältnis zwischen jüngeren und älteren Kollegen in Unternehmen ist oft angespannt. Schuld daran sind meistens Vorurteile, die die unterschiedlichen Altersgruppen übereinander hegen. Die Lösung Differenzen sind nicht immer schlecht – häufig beflügeln sie das Miteinander sogar. Durch Umdenken und ein paar gezielte Maßnahmen lassen sich unnötige Reibereien verhindern. Dazu zählen die Akzeptanz der Unterschiede, das offene Ansprechen von Vorurteilen sowie das Arbeiten an gemeinsamen Zielen. Unserer Autorin hilft im Umgang mit anstrengenden jüngeren wie älteren Kollegen und Kolleginnen zudem das Mantra: „So war ich. So werde ich sein.“
Glossar: Das X-Y-Z der Generationen
Zur Generation Z werden in der Regel die zwischen 1996 und 2010 Geborenen gezählt.
Zur Generation Y, auch Millennials genannt, gehören die Geburtsjahrgänge 1981 bis 1995.
Die Generation X umfasst die Jahrgänge 1965 bis einschließlich 1980.
Zur Gruppe der Babyboomer gehören all jene, die zwischen 1946 und 1964 geboren wurden.
Autorin
Amy Galloist Autorin der Harvard Business Review. Sie moderiert den Podcast „Women at Work“ und ist Autorin der Bücher: „Getting Along: How to Work with Anyone (Even Difficult People)“, Harvard Business Review Press, das im September 2022 erscheint, und „HBR Guide to Dealing with Conflict“, Harvard Business Review Press, aus dem Jahr 2017.
Dieser Beitrag erschien erstmals in der September-Ausgabe 2022 des Harvard Business managers.
