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Manifest einer Familienunternehmerin: 10 Gründe, warum wir nicht die Bösen sind

Es geht um mehr als nur Wertschätzung: Wenn sich die Haltung zu Unternehmern in Deutschland nicht grundlegend ändert, riskieren wir den Ausverkauf und Arbeitsplätze im Mittelstand.

Manchmal hätte ich am liebsten alles hingeschmissen und gekündigt. Doch so einfach ist es nicht. Denn dieses Unternehmen gehört mir. Mein Vater hat es mir anvertraut, so wie es zuvor sein Vater ihm anvertraut hatte. Als ich vor über 20 Jahren die Verantwortung für unsere Firma Werkzeug-Weber bekommen habe, war mir klar, dass ich in große Fußstapfen trete. Für dieses Vertrauen bin ich meinem Papa unendlich dankbar.

Ich bin Familienunternehmerin mit Leib und Seele. Aber manchmal frisst mich das fast auf.

Medien, Mitarbeiter, Gesellschaft – von überall hagelt es Kritik. Es gibt Momente, in denen mir alles über den Kopf zu wachsen scheint, und der Gedanke an einen Firmenverkauf kurzzeitig durch den Kopf huscht. Trotz aller Herausforderungen und dem wiederkehrenden Wunsch nach Veränderung liegt mir unser Unternehmen am Herzen.

Generationswechsel bei Werkzeug-Weber: Vom Vater zur Tochter
Generationswechsel bei Werkzeug-Weber: Vom Vater zur Tochter

Warum? Weil wir nicht nur Geschäfte machen, sondern Teil einer Tradition sind, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bildet. Das Unternehmertum in Deutschland verdient Respekt und Anerkennung. Die Realität sieht leider oft anders aus.

Ich bin mit Herzblut dabei, so wie unzählige andere Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land. Doch in den Augen der Öffentlichkeit, so erlebe ich das, sind wir die Bösen.

Kalt und emotionslos. Konservativ und stur. Korrupt und bestechlich. Gleichgültig gegenüber der Umwelt. Verwickelt in Familienintrigen. Verstrickt mit der Unterwelt.

Schon mal aufgefallen? Egal ob Hörspiele für Kinder oder deutsche Krimis: Der Unternehmer ist immer verdächtig und oft schuldig. Der Gärtner war’s? Schon längst nicht mehr. Der Unternehmer, so das Bild in den Medien, hat deutlich mehr Dreck am Stecken. Weit mehr als 100-mal waren Unternehmer laut einer Auswertung von Netzsieger.de allein im „Tatort“ die Täter – also in knapp jedem zehnten Fall. Während man im Ausland mit Bewunderung auf unsere traditionsreichen Unternehmen blickt und auch unsere „Hidden Champions“ würdigt, könnte das Image des deutschen Unternehmers in Deutschland kaum schlechter sein. Ich könnte mich damit trösten, dass diese fiesen Unternehmer fast immer männlich sind. Was aber leider nur bedeutet, dass wir Frauen es im Reich der Stereotypen noch immer nicht an die Unternehmensspitze geschafft haben. Das macht es nicht leichter.

Familienbetrieb leiten – oder loswerden?

Wenn wir nicht bald etwas ändern, könnte uns das teuer zu stehen kommen. Viele Familienunternehmen stehen vor dem Generationswechsel. Berechnungen des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn (IfM Bonn) stehen zwischen 2022 und 2026 in 190.000 Familienbetrieben die Übergabe an. Weitere 772.000 Unternehmern gelten als „übernahmewürdig“: So wird ein Unternehmen bezeichnet, wenn die zu erwartenden Gewinne höher sind als die zu erwartenden Einkünfte eines potenziellen Nachfolgers aus einer abhängigen Beschäftigung plus Erträge aus einer alternativen Kapitalanlage. Kurz gesagt: Wenn es sich für einen Unternehmer lohnt, zu verkaufen. Ich bin ganz ehrlich: Ich kann die potenziellen Nachfolger von Familienbetrieben verstehen, die dankend ablehnen. Die sich für einen eigenen Weg entscheiden, der mit weniger Verantwortung und Druck einhergeht. Aber immerhin: Laut einer Studie der Zeppelin Universität wollen 71 Prozent eine operative Führungsrolle im eigenen Familienunternehmen übernehmen.

Familienbetrieb verkaufen? Jeder Vierte zieht es bereits in Erwägung.

Doch auch diesen motivierten Nachfolgerinnen und Nachfolgern ist klar: Die Leistung von Unternehmern erfährt weniger Wertschätzung als früher. Das bestätigt auch Prof. Dr. Tom Rüsen. „Was wir beobachten ist bedrohlich“, warnt der Vorstand der WIFU-Stiftung (Wittener Institut für Familienunternehmen). „Irgendetwas ist erodiert in den vergangenen Jahren. In Deutschland herrscht eine Neidkultur. Diese Stimmung wirkt sich auf Nachfolger aus. Dieses seltsame Verhältnis zum Unternehmertum motiviert nicht, sich zu riskieren.“

Wenn alle Nachfolger wegfrustriert werden, haben wir ein Problem.
Prof. Dr. Tom Rüsen, Vorstand der WIFU-Stiftung

Jeder vierte befragte Nachfolger der zuvor genannten Studie des IfM Bonn erwägt, das eigene Familienunternehmen zu verkaufen. Tendenz steigend. Was also wäre das Ergebnis, wenn sich ein Großteil der Nachfolgerinnen und Nachfolger dazu entscheiden würde, zu verkaufen? Entspanntes Leben, raus aus dem Stress, vielleicht mal ein Start-up gründen und auch das wieder gewinnbringend verkaufen? „Das könnte eine dramatische Verlagerung von Wertschöpfung und Knowhow ins Ausland bedeuten“, sagt Prof. Tom Rüsen. Auch der Fachkräftenachwuchs wäre gefährdet: 80 Prozent aller Azubis in Deutschland werden in Familienbetrieben ausgebildet.

📖 Lese-Tipp: Im Praxisbuch „Enkelfähiges Wirtschaften“ beschreibt Prof. Dr. Tom Rüsen gemeinsam mit anderen Autoren, wie sich traditionelle Stärken und Werte mit sozialer Offenheit und digitalen Neuerungen vereinbaren lassen – um das schiefe Bild von Familienunternehmertum in Deutschland geradezurücken.

Kinder sind die Zukunft unseres Wirtschaftsstandortes. Die Vanessa-Weber-Stiftung setzt sich für Bildung und Nachhaltigkeit ein. (Foto Katrin Limes)
Kinder sind die Zukunft unseres Wirtschaftsstandortes. Die Vanessa-Weber-Stiftung setzt sich für Bildung und Nachhaltigkeit ein. (Foto Katrin Limes)

Es ist genug: Zeit für einen Perspektivwechsel!

Dass es viel Arbeit ist, einen Familienbetrieb zu leiten, daran können wir nichts ändern. Dass die Verantwortung manchmal schwer auf den Schultern lastet, damit muss man klarkommen. Wir Unternehmerinnen und Unternehmer brauchen kein Mitleid.

Worum es mir geht, ist die Haltung, die Unternehmerinnen und Unternehmern entgegengebracht wird. Es ist Zeit, dieses stereotype Bild des Unternehmens zu hinterfragen und anzuerkennen, dass Unternehmer das Herzstück unserer Wirtschaft sind.

Unsere Verantwortung erstreckt sich nicht nur über unsere Unternehmen, sondern auch über die Menschen, die in ihnen arbeiten. Unternehmer schaffen Arbeitsplätze, investieren in die Zukunft und tragen maßgeblich zur Stabilität unseres Landes bei.

Es ist an der Zeit, die Neidkultur zu überwinden und stattdessen auf das Positive zu fokussieren. Gemeinsam können wir die Wertschätzung für deutsche Unternehmer stärken und das Bewusstsein für ihre Bedeutung schärfen.

Gemeinsam sollten wir eine Kultur fördern, die Unternehmer als die Treiber von Innovation, Wachstum und Fortschritt würdigt.

Deswegen trete ich als Familienunternehmerin mit einem klaren Manifest an euch heran. Eine Erklärung unserer Werte und eine Vision für eine bessere Zukunft.

Das Unternehmer-Manifest

1. Wir hauchen der Tradition neues Leben ein

In den Gängen unserer Unternehmen atmet die Vergangenheit. Doch wir pflegen Traditionen nicht als Staubfänger, sondern als Quelle der Inspiration.

2. Wir unterstützen Gemeinschaft

Uns geht es nicht nur um Profit. Wir sind Teil der Gemeinschaft und setzen uns aktiv für sie ein. Soziale Projekte, Umweltschutz – weil es mehr gibt als nur Geschäfte.

3. Wir schaffen Arbeitsplätze

Wir Unternehmerinnen und Unternehmer sind nicht nur Experten für Budgets und Bilanzen, sondern auch Jobtreiber. Mit jedem Deal, jeder neuen Idee schaffen wir Chancen für Menschen, ihre Träume zu verwirklichen.

4. Wir denken innovativ

Unsere Büros sind keine Museen, sondern Werkstätten der Ideen. Mit Forschung und Entwicklung wollen wir nicht nur mithalten, sondern vorausgehen – für ein wettbewerbsfähiges Deutschland.

5. Wir fördern junge Talente

Die Jugend ist unsere Zukunft. Wir investieren in Ausbildungsprogramme, damit junge Talente aufblühen können.

6. Wir feiern Vielfalt

Unsere Teams sind bunt. Wir bringen Gen Z und Babyboomer, Fachkräfte aus dem Ausland und Experten aus dem Inland zusammen. Verschiedene Hintergründe und Perspektiven machen unsere Unternehmen nicht nur lebendig, sondern auch erfolgreich.

7. Wir denken global und handeln lokal

Unsere Gedanken kennen keine Grenzen, aber unsere Handlungen sind fest im Lokalen verwurzelt. Durch internationale Aktivitäten geben wir nicht nur Deutschland einen Boost, sondern knüpfen weltweite Bande.

8. Wir fördern Wertschätzung, nicht Neid

Wir müssen eine positive Haltung fördern, die Leistungen deutscher Unternehmer anerkennt und wertschätzt.

9. Wir investieren in die Zukunft

Unsere Unternehmen sind keine Vermögensanlage. Sie sind Anspruch und Ansporn, um unsere Wirtschaft für die nächste Generation weiterzuentwickeln.

10. Wir sorgen für Stabilität

Wir sind keine Eintagsfliegen-Unternehmen. Sondern die Ruhe inmitten des Sturms.

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Vanessa Weber schreibt über Unternehmertum, Marketing, Nachfolge, Führung

Vanessa Weber ist Geschäftsführerin und Unternehmerin aus Leidenschaft. Heute ist sie neben ihrer Tätigkeit für ihre Firma als Vortragsrednerin tätig und vermittelt ihr Fachwissen sowie ihren Erfahrungsschatz an andere Unternehmer. Sie ist eine Frau aus der Praxis für die Praxis.

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