Marketing: Wie Sie Marketingtechnologie richtig einsetzen können
Unternehmen geben viel Geld für neue Marketingtechnologie aus. Leider haben sie oft wenig davon. Drei Schritte schützen vor Fehlinvestitionen.
Von Carl F. Mela und Brian Cooper
Ein Mischkonzern setzte große Hoffnungen in eine neue Software: Sie sollte für das Vertriebsteam neue Leads generieren und gleichzeitig priorisieren. Allerdings stellten die Mitarbeiter im Vertrieb bald fest, dass die vorgeschlagenen Kontakte wenig taugten. Zudem zeigte sich, dass die Software nicht mit den bestehenden Vertriebstools zusammenpasste. Für die Verkäuferinnen und Verkäufer war es einfacher und effektiver, sich auf die bestehenden Kunden zu konzentrieren. Irgendwann stellte der Konzern das Projekt ein. Es hatte viel Geld und Zeit verschlungen und hinterließ ein Vertriebsteam, das sich fragte, wo es nun neue Kontakte herbekommen sollte.
In einem anderen Fall unterschrieb ein Topmanager auf einer Messe den Vertrag für ein Content-Management-System. Vor allem die umfänglichen Datenvisualisierungen hatten es ihm angetan. Er hatte keinen Zweifel daran, dass seine Kollegen und auch die Mitarbeitenden seine Begeisterung teilen würden. Leider hatte er nicht bedacht, ob sich die Software gut in die vorhandenen Systeme des Unternehmens integrieren ließ – was nicht der Fall war. Die Anschaffung kostete etliche Hunderttausend US-Dollar. Schließlich wurde sie durch eine Lösung ersetzt, die besser mit den restlichen Systemen harmonierte.
Eine dritte Firma beauftragte einen Anbieter mit der Entwicklung einer Plattform, die das Verhalten der Kunden besser erfassen sollte. Das Team, das den Auftrag erteilt hatte, schwärmte von Umfang und Zusammensetzung der Daten. Leider konnte die Marketingabteilung daraus keinerlei Erkenntnisse ziehen, wie sich der Erfolg ihrer Werbekampagnen steigern ließ. Auch diese Software wurde nach einiger Zeit aufgegeben.
Die drei Beispiele stammen aus unseren Interviews mit leitenden Marketing-Technology-Managern. Sie illustrieren ihre Kernaussage: Der Einsatz von Marketingtechnologie bringt Unternehmen oft nicht den erhofften Erfolg.
Dabei ist Marketingtechnologie, auch Martech genannt, mittlerweile allgegenwärtig – und für etliche Firmen unverzichtbar. Sie sammeln, archivieren und integrieren damit Kundendaten, füttern Algorithmen und können so die Effizienz von Marketingteams deutlich steigern. Tatsächlich hat Martech bei Werbung, Content-Marketing, Vertriebsmanagement und Handel vielerorts eine Revolution entfacht. Laut dem CMO Council, einem internationalen Netzwerk für Marketingexperten, sind aktuell rund 70 Prozent seiner Mitglieder dabei, die Investitionen in die Technik zu erhöhen. Das Wirtschaftsprüfungsnetzwerk BDO, das Datenanalyseunternehmen WARC und die University of Bristol schätzen, dass die Umsätze aller Martech-Anbieter gegenwärtig bei 122 Milliarden US-Dollar jährlich liegen, mit einem Wachstum von 22 Prozent pro Jahr. Nicht zuletzt die Risikokapitalfinanzierung sorgt dafür, dass neue Martech-Start-ups entstehen. 2019 entsprach die Anzahl der Neuzugänge der Gesamtanzahl der Anbieter vier Jahre zuvor. Vor allem Tools, die sich nach dem Legosteinprinzip mit bestehenden Lösungen kombinieren lassen, überzeugen mehr und mehr Kunden.
Wie kommt es also, dass Martech bei vielen Unternehmen nicht so richtig funktioniert?
Um diese Frage zu klären, gehen wir zunächst auf die beiden größten Stolpersteine ein: das Hamstern von Daten und das Schöne-neue-Technik-Phänomen (im Englischen auch als "Shiny New Object Syndrome" bekannt). Hinzu kommt ein grundlegenderes Problem – Entscheidungen fallen bottom up, das heißt: Es ist die Verfügbarkeit der Systeme und Daten, die darüber entscheidet, für welche Zwecke die Software eingesetzt wird – und nicht etwa andersherum. Wir beschreiben in diesem Artikel deshalb einen Top-down-Ansatz, um den Marketing-Technologie-Stack zu managen – die Daten und Tools, die Unternehmen für ihr Marketing nutzen. Wie dies in der Praxis funktioniert, zeigen wir am Beispiel eines großen global agierenden Softwareunternehmens.
Das Anhäufen von Daten, das Sammeln und Speichern von Informationen, die sich leicht erfassen lassen und irgendwann einmal von Nutzen sein könnten, bringt gleich mehrere Probleme mit sich: Zunächst einmal ist es nicht besonders effizient, Heu zu sammeln, um darin vielleicht eines Tages die berühmte Nadel zu finden. Wenn es schlecht läuft, finden sich zwar Nadeln – aber die falschen.
Stellen Sie sich ein Unternehmen vor, das bei jedem Kundenkontakt Daten sammelt: vom ersten über Inbound-Marketing generierten Website-Besuch bis hin zu jahrelang angesammelten Daten zu Transaktionen, Standort, Webansichten, Social-Media-Interaktionen oder Kreditauskünften. Wenn der Großteil dieser Daten für das Unternehmen irrelevant ist, verstellen sie den Blick auf das, was wirklich wichtig wäre. Hinzu kommt, dass das Horten von Daten nicht zielorientiert ist – und selbst prognosefähige KI-Systeme können daran nichts ändern. Durch den erheblichen Zeitaufwand, die hohen Preise für Technologien sowie den Aufwand für das Sammeln und Speichern der Daten können zudem sehr schnell enorme Kosten entstehen.
Das Neue übt auf viele Führungskräfte einen starken Reiz aus. Die Begehrlichkeit ist manchmal so groß, dass Chefs und Chefinnen vergessen zu klären, ob die neue Software die Probleme des Unternehmens tatsächlich lösen kann.
Martech-Tools haben zwei Erscheinungsformen: neue Anwendungen und neue Methoden – und beide halten nicht immer, was sie versprechen. So gibt es zum Beispiel unzählige neue Lösungen zur Kundensegmentierung. Doch viele von ihnen können nicht vorhersagen, wie stark unterschiedliche Kunden auf bestimmte Marketingmaßnahmen reagieren werden. Auch die Anzahl neuer Methoden durch maschinelles Lernen und KI steigt ständig. Ihre Leistung hängt jedoch stark vom Anwendungsgebiet, der Branche oder zeitlichen Aspekten ab. Zudem bieten sie häufig eine Vielzahl von Benutzeroberflächen und Grafiken, die zwar beeindruckend, aber längst nicht immer hilfreich sind. Eine Word-Cloud zur Erwähnung von Marken in den sozialen Medien sagt beispielsweise wenig darüber aus, ob es tatsächlich die Zielgruppe ist, die sich über die Marken austauscht. Erfolg versprechender ist es, zunächst die Orte zu identifizieren, an denen potenzielle Kunden mit dem Unternehmen interagieren. In einem nächsten Schritt können Manager dann überlegen, mit welchen Methoden und Daten sie die Kontakte weiterverfolgen wollen.
Was das Datenhamstern und das Schöne-neue-Technik-Phänomen gemeinsam haben, ist der Blick von unten nach oben statt von oben nach unten. Anstatt sich zu fragen, welches Geschäftsproblem sie lösen wollen – etwa wie man Kunden schneller zur Kaufentscheidung führt (Top-down-Fokus) –, setzen Manager bei den Technologien an, die verfügbar sind oder die Anbieter ihnen anpreisen (Bottom-up-Fokus). Das führt häufig zu Daten und Tools, die nicht auf die Unternehmensziele abgestimmt sind – oder nicht die Einblicke liefern, die zum Erreichen dieser Ziele nötig wären. Die Folge: Die Marketingtechnologien bleiben ungenutzt und werden letztlich zu Softwareschrott.
Zur Entwicklung eines Top-down-Marketing-Stacks sind drei Schritte nötig: die Customer Journey in ihre Phasen aufteilen, die Marketingstrategie in einzelne Taktiken aufschlüsseln und den richtigen Martech-Stack aufbauen.
Aufteilen. Zunächst gilt es, die Customer Journey in ihre wichtigsten Phasen zu zerlegen – vom ersten Kontakt bis zu den After-Sales-Aktivitäten. Für jede Phase müssen Sie das gewünschte Ergebnis sowie die notwendigen Kennzahlen festlegen, um es zu messen. Zu Beginn könnten Sie sich etwa auf die Wahrnehmung Ihrer Marke konzentrieren und sie durch Kundenbefragungen oder die Anzahl der Website-Besuche messen. Am Ende könnten Sie die Kundenzufriedenheit in den Blick nehmen und sie anhand der Erwähnungen in den sozialen Medien oder der Zahl der Retouren ermitteln.
Aufschlüsseln. Als Nächstes sollten Sie sich die von Ihnen gewünschten Ergebnisse ansehen. Danach brechen Sie die Strategien, mit denen Sie Ihre Ziele erreichen wollen, auf die wichtigsten Maßnahmen herunter. Letztlich lassen sich nämlich diese Maßnahmen mithilfe von Marketingtechnologien skalieren oder automatisieren. Wenn Sie zum Beispiel die Markenwahrnehmung steigern möchten, können Sie das über Inbound-Marketing tun. Um die Kundenzufriedenheit zu erhöhen, bietet es sich an, das Kundenerlebnis zu verbessern, etwa durch hochwertige Inhalte auf Ihrer Website oder schnellen Kundenservice.
Aufbauen. Sobald das Marketingteam die wichtigsten Maßnahmen festgelegt hat, sollte es überlegen, mit welchen Werkzeugen sie sich unterstützen lassen. Hierfür empfehlen wir die von uns entwickelte Martech-Matrix. Sie stellt dar, welches Tool welche Maßnahme unterstützen soll. Darüber hinaus veranschaulicht sie, wie sie ineinandergreifen (siehe Grafik "Die Martech-Matrix").
Bis vor Kurzem war es Managerinnen und Managern noch möglich, im Detail nachzuverfolgen, wie ihre Marketingtechnologien eingesetzt wurden. Doch je mehr Tools zum Einsatz kommen, desto komplexer wird ihre Überwachung. Ohne Koordination steigt die Gefahr, dass die ausgewählten Lösungen ihr Potenzial nicht entfalten können. Das zeigt das Beispiel eines Unternehmens, von dem uns einer unserer Gesprächspartner erzählte. Die Firma nutzte eine Software, um Anmeldungen für Veranstaltungen zu verwalten, und eine weitere, um den E-Mail-Versand und die Kundendatenbanken zu automatisieren. Beide Produkte enthielten Anmeldeinformationen über die Teilnehmer. Unglücklicherweise waren sie jedoch nicht in der Lage, sich miteinander zu verbinden. In der Folge produzierten sie jede Menge Datenduplikate. Die mangelnde Koordination kostete das Unternehmen eine beachtliche Menge an Zeit und Geld.
Wollen Marketingverantwortliche dieses Problem vermeiden, müssen sie verstehen, wie die einzelnen Elemente des Martech-Stacks ineinandergreifen. Fällt auch nur eine Komponente aus, kann das ganze System zusammenbrechen.
Der Top-down-Ansatz der drei As (Aufteilen, Aufschlüsseln, Aufbauen) hat drei entscheidende Vorteile: Erstens ist er proaktiv anstelle von reaktiv, was zu mehr Effizienz und geringeren Kosten führt. Zweitens hilft er, Lücken und Redundanzen in ihren Martech-Strategien zu erkennen. Und drittens ermöglicht er allen Beteiligten einen Überblick über die verwendete Technologie.
Unsere Gespräche haben gezeigt, dass Führungskräfte häufig eine bestimmte Technologie favorisieren, ohne zu berücksichtigen, wie kompatibel sie mit den bereits vorhandenen Tools ist. Die Teams, die den Stack erstellen, müssen deshalb häufig auf Wunsch einzelner Beteiligter unnötige Anpassungen vornehmen. Dies lässt sich verhindern, wenn die Marketingtechnologien als System dargestellt werden, in dem die einzelnen Werkzeuge ineinandergreifen oder zusammenarbeiten. Auch Bereiche, in denen Doppelungen entstehen können, lassen sich so leichter identifizieren.
Managerinnen und Manager müssen nicht nur die richtigen Werkzeuge auswählen. Sie müssen außerdem Fürsprecher der Martech-Strategie sein, eine passende Organisationsstruktur schaffen und andere davon überzeugen, die Strategie tatkräftig umzusetzen.
Um Mitstreiter zu gewinnen, sollten Sie zwei entscheidende Fragen beantworten können: Werden die Daten oder Antworten, die uns die Tools liefern, tatsächlich zu anderen Entscheidungen führen? Und falls ja: Werden die Vorteile größer sein als die Kosten für die Technologie? Hierzu ein Beispiel: Behält ein Unternehmen seine Werbemaßnahmen unverändert bei, obwohl es über neue Daten und Tools verfügt, war die Anschaffung der Technologie praktisch nutzlos. Und selbst wenn es Änderungen gibt, sind die Ergebnisse im Verhältnis zur Investition mitunter so gering, dass sich der Aufwand nicht gelohnt hat.
Auch eine unterstützende Organisationsstruktur zu schaffen ist anspruchsvoll. Früher war die IT für das Hosting der Marketinganwendungen verantwortlich, weil sie datenintensiv und teuer waren. Mittlerweile hat sich die Landschaft verändert: Durch Cloud-Dienste können Daten und Software nun auch fernab des Unternehmensstandorts gespeichert, verwaltet und genutzt werden. Das macht umfangreiche Investitionen in die interne Infrastruktur, für die früher die IT-Abteilung zuständig war, überflüssig. Hinzu kommt, dass Software heute keine einmalige Anschaffung mehr ist, sondern im Abo oder als Software-as-a-Service erfolgt. Unternehmen müssen deshalb keine hohen Anfangsinvestitionen mehr tätigen. Zudem sorgen Programmierschnittstellen dafür, dass Einzellösungen effizienter zusammenarbeiten.
Intern entwickelte Tools sind häufig jedoch nicht mit dem Martech-Ökosystem kompatibel, weshalb Unternehmen häufiger auf Lösungen von Drittanbietern setzen. Für das Auswählen und Betreiben sind oft Marketing und Vertrieb zuständig, nicht die IT. Viele Unternehmen verwalten ihre Martech mittlerweile wie in einer hybriden Matrix-Organisation: In jeder vertikalen Funktion (wie Marketing, Vertrieb oder Support) kümmert sich eine Person um den technischen Bedarf. Parallel dazu stellt ein dem Marketingchef unterstellter Martech-Manager sicher, dass die von allen Funktionen genutzten Tools gut zusammenarbeiten.
In großen Unternehmen hängt die erfolgreiche Umsetzung stark von der internen Unterstützung ab. Deshalb sollten die zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer sowohl in die Entwicklung der Lösungen als auch in deren Einrichtung einbezogen werden. Sie müssen das Gefühl haben, dass die Tools ihre Arbeit beschleunigen und verbessern – und dass sie einfach zu handhaben sind. Dazu sind in aller Regel Schulungen nötig. Führungskräfte gehen viel zu oft davon aus, dass ihre Teams die neue Software ohne Probleme anwenden können. Sie lassen sich in Produktdemos von der schönen neuen Benutzeroberfläche beeindrucken und glauben häufig, das Tool wäre einfach zu bedienen. Das ist aber oft nicht der Fall. Unternehmen müssen deshalb Ressourcen und Trainings bereitstellen, damit sich ihre Beschäftigten mit den neuen Technologien vertraut machen können.
Wie die Umsetzung gelingen kann, zeigt das Beispiel von Oracle. 2012 wechselte das Softwareunternehmen sein Geschäftsmodell: Vom Verkäufer von Produkten wurde es zum Cloud-Dienstleister. Die bisherigen Marketingfähigkeiten und IT-Systeme passten nicht mehr zur neuen Positionierung und wurden überflüssig. Die Datenintegration über die verschiedenen Technologien des Unternehmens hinweg war unvollständig und in einigen Bereichen sogar unmöglich. In einem Fall schaffte Oracle sogar redundante und nicht kompatible Online-Event-Technologien an. Wie sich außerdem zeigte, waren Hunderttausende von Kundendaten weder geordnet noch miteinander verknüpft. Dadurch fiel es dem Unternehmen schwer, jene Softwaretools einzusetzen, die es nach der Umstellung im Vertrieb dringend brauchte. Zu allem Überfluss waren Vertrieb, Field Marketing (Marketing über den unmittelbaren persönlichen Kontakt zu den Kunden – Anm. d. Red.), Produktmarketing und Konzernmarketing in Silos organisiert. Dies führte zu einer uneinheitlichen Kundenansprache und einem durchwachsenen Kundenerlebnis.
Die Folge: Oracle konvertierte lediglich 2 Prozent der vom Marketing generierten qualifizierten Leads in zahlende Kundschaft. Der Vertrieb beschwerte sich über die minderwertigen Leads. "Wir mussten die Verantwortlichen davon überzeugen, dass sich unsere Arbeit wirtschaftlich auszahlen würde", erinnert sich Bence Gazdag, Senior Director of Marketing Technology. Dazu folgte das Martech-Team dem bereits beschriebenen Ansatz der drei As:
Als Erstes teilte das Team die Customer Journey in ihre einzelnen Phasen auf. Das erleichterte die Entscheidung darüber, welche Marketingtechnologien zum Erreichen des jeweiligen Ergebnisses eingesetzt werden sollten. Zu den Zielen gehörte, die Wahrnehmung für Oracle, seine Produkte und Services bei der Zielgruppe zu steigern, das Engagement und die Identifikation zu erhöhen, mehr Verkäufe zu erzielen und die Kundenbindung zu verbessern.
Als Nächstes schlüsselte das Marketingteam die Marketingstrategien in einzelne Maßnahmen auf und ordnete sie der jeweiligen Phase in der Customer Journey zu. Durch den Einsatz von Account-based-Marketing, bei dem Kunden und Interessenten stark personalisierte Nachrichten erhalten, wollte Oracle den Verkauf fördern. Dieses Vorgehen half dem Unternehmen zu verstehen, welche Maßnahmen sich automatisieren ließen. Die zuvor mit Kundendaten gefütterte KI übernahm zum Beispiel das Verfassen kundenspezifischer E-Mails. Dies ersparte den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen viel Arbeit – vor allem, weil sie das Verfahren im großen Stil anwenden konnten.
Im letzten Schritt baute das Team den Martech-Stack auf. Dazu ordnete es den Marketingmaßnahmen in den einzelnen Phasen Tools zu und visualisierte die Datenflüsse der verschiedenen Technologien. Damit stellte es sicher, dass die Werkzeuge als integriertes System funktionierten. Um zum Beispiel eine einheitliche Kundenansprache zu gewährleisten, mussten die Tools, die der Vertrieb nutzte, mit den Produkten des Account-based-Marketing kommunizieren. Sie konnten nicht separat voneinander ausgewählt werden.
Die Transformation gelang trotz der vielen potenziellen Hindernisse, die damit verbunden waren. Der Grund dafür war, dass sich das Unternehmen auf die Umsetzung konzentrieren konnte. Das Management hatte zunächst die Anwendung und den finanziellen Nutzen klar definiert und ausreichend Ressourcen bereitgestellt. Die Verantwortlichen versprachen sich zum Beispiel nicht nur eine höhere Konversionsrate. Sie wollten auch die Bedürfnisse der Kunden und Kundinnen besser verstehen und herausfinden, wie die Produkte von Oracle ihnen bei der Lösung ihrer Probleme helfen konnten.
Dann etablierte das Unternehmen eine neue Organisationsstruktur, um die Transformation und die Zeit danach zu managen. Früher hatten Vertrieb, Field Marketing, Produktmarketing und Konzernmarketing jeweils ihre eigenen Tools verwaltet. Heute koordiniert das neue globale Marketing Demand Center die Technologien. Dessen Mitarbeiter berichten an den Chief Marketing Officer. Dieser leitet einmal pro Woche eine Koordinierungssitzung, was dazu beiträgt, dass Martech eine strategische Priorität bleibt.
Zuletzt bot das Martech-Team seine Lösungen auch anderen Bereichen an und verankerte sie so im gesamten Unternehmen. Dazu sprach es gezielt technikaffine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an, die in der Organisation großen Einfluss besaßen. Ihre Unterstützung half, auch die eher zögerlichen Teile der Belegschaft von den Tools zu überzeugen. Diejenigen, die sich dem Wandel widersetzten, erhielten entweder neue Aufgaben oder wurden gebeten, das Unternehmen zu verlassen. Parallel dazu setzte Oracle alles daran, den Einsatz der Tools zu vereinfachen. Die Erkenntnisse, die das Unternehmen bei der Transformation gewonnen hatte, nutzten ihm später auch, um eigene Lösungen an seine Kunden zu verkaufen.
Heute verfügt Oracle über einen der umfassendsten und effizientesten Martech-Stacks weltweit. Und das kommt dem Unternehmen sehr zugute: Das durchschnittliche Auftragsvolumen fällt um 69 Prozent höher aus, wenn die Marketingfachleute daran beteiligt sind. Mittlerweile laufen 70 Prozent der Einkaufsvorgänge von Kunden automatisiert ab. Dadurch konnte Oracle seine Konversionsrate verdoppeln und die Zeit für den Start einer Marketingkampagne von vier Wochen auf lediglich fünf Tage verkürzen. Das Marketing koordiniert mittlerweile 1,5 Milliarden Kundeninteraktionen jährlich. Zum Vergleich: Früher waren es gerade mal zwei Millionen. Zudem kommt es im Konzern kaum noch zu Fehlanschaffungen: Neue Tools werden nur verwendet, wenn sie in die Organisationsstrategie passen und sich in das System bestehender Technologien einfügen.
Unternehmen sollten Marketingtechnologien angesichts ihrer immer weiter fortschreitenden Entwicklung und zunehmender Verbreitung fest im Blick haben. Es geht allerdings nicht darum, einfach nur möglichst viele Tools anzuschaffen. Vielmehr müssen Unternehmen die verschiedenen Lösungen koordinieren und eine Strategie für ihren Einsatz entwickeln. Die von uns beschriebenen Methoden helfen, das Hamstern von Daten und Fehlinvestitionen in vermeintlich hilfreiche, bahnbrechende Software zu vermeiden – und einen Martech-Stack aufzubauen, der den Absatz tatsächlich steigert und die Kosten senkt. © HBP 2022
Das Problem
Marketingtechnologien (Martech) sind wie ein Booster für den Vertrieb. Jedenfalls in der Theorie. Leider lassen sich viele Entscheider zu sehr von Demoversionen beeindrucken. Sie hinterfragen nicht, ob die neue Software ihre Probleme wirklich lösen kann – und ob sie mit der vorhandenen Technik im Unternehmen harmoniert.
Die Lösung
Ein Ansatz in drei Schritten unterstützt Unternehmen dabei, die richtigen Technologien anzuschaffen. Dabei müssen sie die Customer Journey in ihre Phasen aufteilen und ihre jeweiligen Ziele definieren. Im zweiten Schritt sollten dann die passenden Maßnahmen identifiziert werden, um schließlich ein Paket mit ineinandergreifenden Tools zu schnüren.
Die Martech-Matrix
Die Martech-Matrix hilft Unternehmen, die passenden Marketingtechnologien auszuwählen. Als Erstes geht es darum, die Customer Journey in ihre zentralen Phasen aufzuteilen und die Ziele für jede Phase zu definieren. Als Nächstes müssen die Verantwortlichen die Strategien zum Erreichen dieser Ziele in konkrete Marketingaktivitäten aufschlüsseln. In der Grafik sehen Sie sieben typische Marketingaktivitäten, einschließlich des Werbemixes, von denen jede einzelne weitere Maßnahmen umfasst. Unternehmen sollten die Aktivitäten, die sie nutzen wollen, dabei konkret benennen. Im dritten Schritt geht es darum, einen Martech-Stack aufzubauen, in dem die Technologien, die die Aktivitäten unterstützen, ineinandergreifen. Zudem lassen sich an dieser Stelle Lücken und Redundanzen identifizieren.
Autoren
Carl F. Mela ist Professor für Marketing an der Fuqua School of Business der Duke University im US-Bundesstaat North Carolina.
Brian Cooper ist Vice President für Demand, Analytics und Information bei Juniper Networks, einem Anbieter von Netzwerk- und Sicherheitslösungen mit Sitz in Kalifornien.
Dieser Artikel erschien in der April-Ausgabe 2022 des Harvard Business managers.
