Mehr Automatisierung, weniger Varianten – Audi will Fabrikkosten halbieren
Die Volkswagen-Tochter stellt die Werke auf Elektroautos um. Nach dem Führungswechsel in Wolfsburg hofft die Audi-Spitze auf mehr Spielräume.
Ingolstadt, Düsseldorf. Die Volkswagen-Tochter Audi will die Fabrikkosten in den kommenden Jahren halbieren. „Eine Halbierung der Fertigungskosten heißt eine Halbierung der Stunden pro Fahrzeug“, sagte Audi-Produktionsvorstand Gerd Walker in Ingolstadt. Zudem sollen die beiden großen deutschen Audi-Werke Ingolstadt und Neckarsulm ab 2026 und 2027 nur noch Elektroautos produzieren. „Dafür brauchen wir radikale Schritte“, sagte Walker.
Der Vorstand ließ offen, wann Audi das Effizienzziel erreichen will und wie viel der Autobauer dabei konkret einsparen wird. Die bis 2029 geltende Beschäftigungssicherung für die deutschen Werke gelte weiter. Um die Effizienz zu steigern, will Audi die Produktion hochfahren und mittelfristig drei Millionen Autos pro Jahr bauen. 2021 kam das Unternehmen auf knapp 1,7 Millionen Fahrzeuge.
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Audi steht unter Druck – und ein Teil davon ist hausgemacht. Die Querelen um Cariad, die Softwaretochter des VW-Konzerns, und der Konflikt zwischen Audi-Chef Markus Duesmann und Noch-VW-Chef Herbert Diess haben Audi in den letzten Monaten belastet.
Das Verhältnis zwischen Duesmann und dem designierten VW-Chef Oliver Blume gilt hingegen als intakt. Der Audi-Chef hofft auf mehr Entscheidungsfreiheit für die eigene Markengruppe, zu der neben Audi auch Lamborghini und Bentley gehören. Doch dafür muss der Audi-Vorstand liefern und neben der Modellpalette auch die Werkstruktur umbauen.
Noch verdient die Ingolstädter Premiumtochter gut, am kommenden Freitag legt Audi Halbjahreszahlen vor. Doch noch immer haben neun von zehn neuen Audis einen Verbrennungsmotor. Erst zwei kleinere Werke in Brüssel und am Standort Böllinger Höfe sind auf Elektromobilität umgestellt. Ab 2026 will Audi keine Benzin- und Dieselmotoren mehr entwickeln, 2033 den letzten Verbrenner produzieren – vermutlich im ungarischen Györ.
Bis dahin müssen die Ingolstädter das komplette Produktionsnetzwerk auf Elektroantriebe umstellen und deutlich effizienter arbeiten. Denn die Kosten für die Batterien sind hoch, der wachsende Wettbewerb mit Tesla und BMW zwingt Audi zu größeren Sprüngen.
VW-Konzern braucht zwanzig Stunden für ein Elektroauto, Tesla zehn
Tatsächlich erwartet die Branche nach den Worten Walkers eine Revolution in der Produktionstechnik. Jahrelang haben Audis Effizienzprogramme die Produktionskosten nicht wie gehofft gesenkt. Audi erweiterte parallel die Produktpalette, neben immer mehr Karosserievarianten kam mit dem Hybrid eine neue Antriebsvariante hinzu.
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Mit der neuen Fokussierung auf batterieelektrische Antriebe könnten die Prozesse in den Werken deutlich entschlackt werden. Elektroautos sind aufgrund ihrer geringeren mechanischen Komplexität einfacher zu bauen als Verbrenner.
Das will auch BMW-Chef Oliver Zipse nutzen. Für die auf Elektromobilität ausgerichtete „Neue Klasse“ entsteht in Ungarn ein Werk, in dem BMWs Produktionskosten deutlich sinken sollen.
Der Bau eines Autos mit Verbrennungsmotor dauert zwischen 20 und 30 Stunden. Tesla will die eigenen Modelle im neuen Werk in Grünheide dagegen in nur zehn Stunden produzieren. Derzeit braucht Audi-Mutter VW für die Produktion des Elektromodells ID.3 mit rund 20 Stunden noch doppelt so lang, will das aber ändern. Die Volkswagen-Kernmarke will die Produktionszeit nun auf das Tesla-Niveau halbieren, die nächste Generation von Elektroautos unter dem Projektnamen Trinity soll ebenfalls in zehn Stunden vom Band laufen. Audi kalkuliert mit etwas höheren Stundenzahlen, weil in die „Fahrzeuge etwas mehr Features“ eingebaut würden als bei VW.
VW will die neue Trinity-Fabrik ab Frühjahr 2023 in Wolfsburg bauen, außerhalb des Stammwerksgeländes. Insgesamt wird der Autobauer rund zwei Milliarden Euro in das moderne Werk investieren, das so produktiv werden soll wie das Tesla-Werk in Grünheide. Unter Volllast soll das Werk 250.000 Autos pro Jahr produzieren.
10.000 Produktionscomputer sollen verschwinden
Dass Tesla im brandenburgischen Werk derart schnell produzieren kann, hängt unter anderem mit der sogenannten „Giga Press“ zusammen. Mit ihr kann Tesla ganze Karosserieteile aus einem Stück gießen. Langwierige Schweiß-, Klebe- und Nietprozesse entfallen. Damit hat Tesla einen Trend in der Autoproduktion gesetzt: Neben Volkswagen plant auch der schwedische Autobauer Volvo, künftig große Karosserieteile aus einem Guss herzustellen.
Außerdem bietet Tesla verglichen mit anderen Autobauern deutlich weniger Ausstattungsvarianten an. Diesen Weg wird auch Volkswagen gehen und die Trinity-Baureihe deutlich stärker standardisieren. Trinity soll nur 140 Konfigurationsmöglichkeiten haben – statt zehn Millionen wie bei bisherigen Baureihen. Je weniger Ausstattungsvarianten zur Verfügung stehen, desto schneller kann jedes einzelne Auto gebaut werden.
„Die Komplexität hat einen Grad erreicht, der uns wirtschaftlich an die Grenzen bringt“, sagt Josef Weinzierl, Leiter der Montageplanung bei Audi. Ein Hebel, die Kosten zu senken, liege in der „Modularen Montage“: Türverkleidungen würden dann beispielsweise nicht mehr am Fließband zusammengebaut, sondern von Kleingruppen aus sechs Mitarbeitern. Autonom fahrende Transportsysteme könnten sie dabei mit Material und Aufträgen versorgen. Damit sei man flexibel in der Vormontage und schneller am Band in der Endmontage.
Zudem plant Audi, die 10.000 Produktionscomputer, die in Ingolstadt am Band stehen, abzuschaffen. Die wartungsintensive und bisweilen störanfällige Hardware will Audi durch eine firmeneigene Cloud ersetzen. „Wir wollen eine computerfreie Produktion, wir kaufen keine Hardware mehr, wir kaufen nur noch Software“, sagt Projektleiter Sven Müller. Damit werde die Produktion effizienter und ausfallsicherer.
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