Mein Chef ist halb so alt wie ich – kann das gut gehen?
Welche Herausforderungen – aber auch Chancen – sich bieten, wenn jüngere Führungskräfte auf ältere Mitarbeitende treffen.
Können die frischen Ideen der jungen Generation mit der in Jahrzehnten gewachsenen Erfahrung der älteren Mitarbeiter harmonieren?
„Asymmetrische Führungskonstellationen sind eine Herausforderung, weil sie ein hohes Maß an Vertrauen, Verständigung und Koordination erfordern“, meint Stefan Kühl, Professor für Organisationssoziologie an der Uni Bielefeld. „Schaut man jedoch genau darauf, gehört zur Organisationskultur auch der Bruch mit formalen Regeln.“
Das „Manager Magazin“ betont, dass asymmetrische Führungskonstellationen eine Chance für Alt und Jung sind, um wechselseitig voneinander zu profitieren: „Um diese Synergien zu nutzen, braucht es einen offenen Dialog, eine gegenseitige Wertschätzung und eine gemeinsame Zielsetzung.“
Die Meinungen über junge Menschen in Führungspositionen gehen zum Teil weit auseinander. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass die Fähigkeiten einer Person im jungen Alter, die bereits in einer Führungsposition tätig ist, von deren individuellen Persönlichkeit, vorhandenen Fachkenntnissen und der Sozialkompetenz abhängen. Es steht außer Frage, dass dies bei wohl allen Führungskräften, unabhängig von deren Altersgruppe der Fall ist.
Asymmetrische Führung ist für generationsübergreifenden Wissens- und Kompetenztransfer wichtig
Nach wissenschaftlichen Studien können asymmetrische Führungskonstellationen für die Wirtschaftsunternehmen wertvoll sein. Dafür gibt es vielerlei Gründe:
Vielfalt wird gefördert: Die Zusammenarbeit von Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven, Erfahrungen und Werten verbessert die Kreativität, Innovationsbereitschaft und Problemlösungskompetenz innerhalb der Teams. Eine solche Vielfältigkeit bezieht sich auf Merkmale, die leicht wahrnehmbar sind, wie Alter, Geschlecht oder fachliche Qualifikation. Sie kann zu kognitiven Elaborationsprozessen führen, bei denen die Teammitglieder ihre naturgemäß unterschiedlichen Perspektiven und Lebenserfahrungen nutzen, um gemeinsam Probleme effektiver zu lösen und neue Ideen zu generieren. Lerntransfers werden ermöglicht: Jüngere Führungskräfte können von älteren Mitarbeitenden Fachwissen, einschlägige Erfahrungen und bewährte Kniffe für Problemlösungen erwerben. Zum anderen erlernen ältere Kolleg:innen von jüngeren Leiter:innen den effektiveren Umgang mit neuen Technologien und zeitgemäßen Trends.
Die kollektive Anpassungsfähigkeit steigert sich: Jüngere Führungskräfte sind flexibler und offener für Veränderungen, während ältere Mitarbeitende sich gewöhnlich als beständiger, erfahrener und stabiler erweisen. Diese polarisierten Soft Skills können die Agilität des Unternehmens ankurbeln.
Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich, wenn Jung Alt führt?
Zum einen wären Offenheit, Optimismus und Begeisterung zu nennen. Zum anderen werden die Trends der jungen Generation und aktuelle Entwicklungen verstanden, die letztendlich für das Unternehmen von Vorteil sein können – sei es in der Produktentwicklung oder im Marketing. Junge Führungskräfte verfügen häufig über ein ausgeprägtes technologisches Verständnis. Durch eine moderne Sichtweise auf die Dinge hinterfragen sie häufig bestehende Normen und sorgen somit nicht selten für einen positiven Wandel.
Probleme, mit denen junge Führungskräfte manchmal zu kämpfen haben, ist die skeptische Haltung der älteren Mitarbeitenden des Unternehmens: Grund dafür ist häufig eine geringe Berufserfahrung. Es dauert in einigen Fällen länger, bis junge Führungskräfte sich das Ansehen der Kolleg:innen erarbeitet haben. Der Umstieg von der Fachkraft zur Führungskraft bringt neue Aufgaben mit sich. Eine besondere Herausforderung besteht für viele junge Führungskräfte darüber hinaus auch darin, Aufgaben an ältere Kolleg:innen zu delegieren. Um den Herausforderungen der asymmetrischen Führung bei erhöhter Altersdiversität gerecht zu werden, entwickelten Arbeits- und Organisationsgestalter integrative Modelle. Das Generationen-Management in Unternehmen zielt beispielsweise darauf ab, die Potenziale und Bedürfnisse diverser Altersgruppen besser zu berücksichtigen. Für das hohe Ziel werden altersgemischte Teams, eine altersgerechte Arbeitsgestaltung und lebensphasenzentrierte Aufgabenverteilungen etabliert.
Worauf kommt es bei asymmetrischen Führungskonstellationen an?
Wichtig ist, dass die jüngeren Führungskräfte Sozialkompetenzen besitzen sowie Vielfalt und Potenziale des Kollegiums zu schätzen und nutzen wissen. Sie sollten eine vertrauensvolle Beziehung zu den Mitarbeitenden aufbauen können.
Mut zum Unbequemen Eine der wichtigsten Eigenschaften der Generation nachrückender Führungskräfte ist der Mut zum Unbequemen. Die Bereitschaft, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken und die Grenzen der eigenen Komfortzone zu verschieben, öffnet nicht nur den Horizont künftiger Vorgesetzter, sondern bereitet zudem den Boden für anstehende Veränderungen und fördert eine offene Kultur der Kommunikation. Der unbedingte Wille zum positiven Wandel potenziert Erfolge, Effizienz und Wohlbefinden. Diversität als Schlüssel zum Erfolg Haben Individualität und Vielfalt Führungskräfte der alten Schule lange Zeit vor Schwierigkeiten bei der Koordination von Teams gestellt, begreifen Young Leaders Diversität nunmehr als Schlüssel zum Erfolg. Die naturgemäße Affinität der Generation Z zu gesellschaftlicher Verantwortung bietet Chancen für multidisziplinäre, heterogene und sich sinnvoll ergänzende Synergien. Unterschiedliche Backgrounds gestatten es, ausgetretene Pfade mit ihren intrinsischen Grenzen zu verlassen, um innovative Ansätze zu leben. Wünschenswert ist, dass die Leitungskräfte über gemeinsame Zielsetzungen das soziale Lernen und die Zusammenarbeit in den altersdiversen Teams fördern. Hierzu benötigen die jüngeren Vorgesetzten diverse Soft Skills, wie beispielsweise Teamfähigkeit, Kommunikationsstärke, pragmatische Ergebniszentrierung, analytische Begabung, Durchsetzungsvermögen und Motivationsfähigkeit. Diese Soft Skills können innerhalb spezieller Trainings oder durch Erfahrungslernen erworben werden.
Ein gelungenes Praxisbeispiel
Ein aussagefähiges Best Practice Beispiel für eine erfolgreiche asymmetrische Führung von Älteren durch Jüngere ist das Berliner Software-Unternehmen Signavio. Die moderne Firma wird vom Informatiker Gero Decker geführt, der gerade 31 Jahre jung ist. Der innovative Softwareentwickler beschäftigt mehr als 200 Fachleute aus über 20 Ländern. Deckers Trümpfe sind eine flache Hierarchie, offene Kommunikationsstile sowie eine teilhabende Führungskultur. Er bezieht seine Mitarbeitenden in aktive Entscheidungsprozesse ein, gibt ihnen faire, wertschätzende Feedbacks und fördert zielgerichtet ihre Weiterentwicklung. Der Informatiker respektiert Erfahrungen und Fachkenntnisse der älteren Kolleg:innen und setzt diese weitsichtig als Multiplikatoren für zukunftsträchtige Innovationen ein. Er schafft im Betrieb eine positive Arbeitsatmosphäre, in der generationsübergreifende Vielfältigkeit als Bereicherung aller Teams angesehen wird. Das Praxisbeispiel zeigt, wie asymmetrische Führungskonstellationen zu fruchtbaren Innovationen und erhöhter Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beitragen. Ein Mehr an Wertschätzung, guter Kommunikation und vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten fürs Kollegium wird sich auszahlen, wenn Nachwuchsleiter:innen solche Zusammenhänge beachten.
Fazit
Eine innovative Führungskraft muss darin begabt sein, die Bedürfnisse und Erwartungen der unterschiedlichen Berufsgenerationen mit sicherem Gespür wahrzunehmen. Ihr Aufgabenbereich erstreckt sich zudem darauf, die Motivation und Fitness der altersdiversen Mitarbeiter:innen kontinuierlich zu erhalten. Asymmetrische Führungskonstellationen bieten ein erhebliches Plus, da sie die Weitergabe von Wissen und Erfahrung zwischen den Generationen fördern können. Die unerlässliche Voraussetzung hierfür ist jedoch ein offenes Arbeitsklima bei gegenseitiger Wertschätzung und Akzeptanz unter den Kolleg:innen.
Spielt der Altersunterschied zu deiner Führungskraft für dich eine Rolle? Schreib es in die Kommentare.
Dieser Artikel ist zuerst hier erschienen: https://weconomy.media/wie-asymmetrische-fuehrung-berufswelten-auf-den-kopf-stellt/