Dr. Willi Kremer-Schillings

„Meine Geschichte als praktischer Landwirt“: Interview mit Bauer Willi

Vor einigen Tagen erschien hier eine Rezension zum aktuellen Buch „Satt und unzufrieden. Bauer Willi und das Dilemma der Essensmacher“ von Dr. Willi Kremer-Schillings alias „Bauer Willi“. Viele dringliche Themen, die die Landwirtschaft betreffen, wurden allerdings in den Hintergrund gedrängt, weil das Thema Glyphosat alles überdeckte und viele Fragen aufwarf, die der Autor mit diesem Interview beantwortet.

Ich kann schon verstehen, dass Sie etwas „geschockt“ waren über das, was ich über das umstrittene Glyphosat geschrieben habe. Das „G-Wort“ kann man heute nicht mehr in den Mund nehmen, ohne dass die Emotionen hochschlagen.

Der Streit um dieses Produkt begann mit der Einführung der Gentechnik in den USA. Dort hatte man als erstes großes Produkt in der Landwirtschaft viele Pflanzen resistent gegen dieses Herbizid gemacht, was die Unkrautbekämpfung sehr vereinfachte und dazu führte, dass der Wirkstoff in sehr großen Mengen eingesetzt wurde und auch heute noch wird. Heute nicht nur in Nordamerika sondern auch in Südamerika auf Millionen von Hektar. Was kaum einer weiß: in der EU gibt es diese Pflanzen nicht, sie sind verboten.

Sie sprechen die Einstufung als „wahrscheinlich krebserregend“ an, also der Stufe 2a der WHO. Zur Gruppe 1 „krebserregend“ gehören zum Beispiel Alkohol, Rauchen, Asbest und Röntgenstrahlung sowie über 100 weitere Eintragungen. Zur Stufe 2a zum Beispiel Acrylamid und eben auch Glyphosat. Bei diesen Einstufungen geht es um die grundsätzliche Einschätzung, nicht um das reale Risiko. Das Risiko wird vom Bundesamt für Risikobewertung so bewertet:

„Das BfR kommt nach Prüfung aller bislang vorliegenden Studien, Dokumente und Veröffentlichungen einschließlich der Glyphosat-Monographie der Internationalen Agentur für Krebsforschung der WHO (IARC) zu dem Ergebnis, dass nach derzeitiger wissenschaftlicher Kenntnis bei bestimmungsgemäßer Anwendung von Glyphosat kein krebserzeugendes Risiko für den Menschen zu erwarten ist.“

Was die Giftigkeit angeht, so steht es etwa auf einer Stufe mit Kochsalz, ist also im Vergleich relativ ungiftig. Ich weiß, das klingt anders, als man es immer wieder gehört hat, aber so ist nun mal die wissenschaftliche Einstufung.

Jein. Die Alternative wäre bei mir und in vielen ähnlichen Betrieben eine mehrfache Bodenbearbeitung. Die will ich aber aus mehreren Gründen nicht machen. Erstens wird bei jeder Bodenbearbeitung Humus abgebaut. Je häufiger umso mehr, je tiefer umso mehr. Wir pflügen bei uns seit fast 20 Jahren nicht mehr. Zweitens wird bei jeder Bodenbearbeitung das Bodenleben gestört. Das will ich möglichst vermeiden. Drittens würde, wenn ich pflüge, auch die Insekten im Boden vergraben oder auch Gelege von Vögeln vernichtet. Auch das will ich nicht. Aus Gründen des Klima- und Artenschutzes ist ein Verbot von Glyphosat nun wirklich kein Gewinn. Ich weiß, bestimmte Kreise erzählen eine andere Geschichte, das hier ist meine Geschichte als praktischer Landwirt. Sie können frei entscheiden, welche Ihnen plausibler erscheint, und ich beantworte Ihnen auch gerne weitere Fragen, sollten welche offengeblieben sein.

Ich habe in den acht Jahren in der Öffentlichkeit nur zwei Shitstorms erlebt, und die kamen aus den Reihen der Berufskollegen, weil ich sie kritisiert habe. Was Missverständnisse angeht, so konnten die bisher immer geklärt werden. Es gibt aber unter den Journalisten zwei Personen, die es darauf anlegen, mich als Person zu demontieren. Das geht unter die Haut, weil bewusst Halbwahrheiten geschrieben werden. Wenn die einmal draußen sind, werden sie oft ungeprüft von anderen übernommen und landen schließlich bei Wikipedia. So ist es mir auch ergangen.

Veranlasst haben mich die über 130.000 Kommentare in meinem Blog bauerwilli.com, aus denen ich viele strittige Themen entnommen habe. Ich möchte mit dem Buch die Gelegenheit nutzen, den vielen Vor-Urteilen und auch Urteilen über Landwirtschaft meine Sicht der Dinge gegenüberzustellen. So wie ich es hier auch mache. Jedes Ding hat zwei Seiten, und die Seite der Kritiker der Landwirtschaft ist sehr stark. Deshalb wünsche ich mir, dass meine Aussagen eine breite Öffentlichkeit erreichen. Wenn der Leser dann sagt: „Das habe ich so noch nicht gewusst und auch noch nicht so gesehen.“, hätte ich ein Ziel erreicht. Wenn dann noch Zustimmung erfolgt, wäre ich glücklich. Man kann meine Meinung teilen oder auch nicht. Ich freue mich über jeden, der mir zuhört.

Zur Person

Willi Kremer-Schillings: Satt und unzufrieden. Bauer Willi und das Dilemma der Essensmacher. Westend Verlag, Frankfurt M. 2023.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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