MitarbeiterInnen: 6 Strategien, um andere weniger zu verurteilen
Millisekundenschnelles Bewerten von Menschen und Situationen hat die Natur in unserem Gehirn als Default-Modus vorprogrammiert. Das kann im Job und auch sonst für jede Menge Ärger sorgen. Mit langem Atem kann man sich das ein bisschen abtrainieren ...
Das eine oder andere können wir uns von den Amerikanern abgucken, trotz allem. Ein geflügeltes Wort in den USA und im weiteren englischsprachigen Raum ist: "Don't judge". Es ist nicht eins-zu-eins zu übersetzen und bedeutet so viel wie: "Bewerte nicht, urteile nicht." Das "Nicht-Bewerten" meint oft ein "Nicht-Verurteilen" im Sinne von abwerten oder gar entwerten.
Wer in den USA mal etwas länger unterwegs war, der wird dieses "Don't judge" gerade als Deutsche(r) oft gehört haben. Denn wir sind mit dem "Verurteilen" tatsächlich oft ziemlich schnell. Das gilt nicht nur privat, sondern auch im Job, wenn es um Kollegen oder Führungskräfte geht.
Nicht bewerten geht nicht
Nun leben wir ja fast schon in einer Achtsamkeitsepoche, in der das "Nicht-Bewerten" als Mantra gilt. Aber natürlich geht das gar nicht, das "Nicht-Bewerten". Wir sind ständig am Bewerten, ob uns etwas gefällt oder nervt, ob es gut oder schlecht ist. Das ist natürlich und menschlich. Die Evolution hat das Bewerten als Default-Einstellung in uns vorprogrammiert. Denn wenn es ums Überleben geht, muss schnell erkannt, bewertet und gehandelt werden.
Es müssen also schnelle Entscheidungen getroffen werden. Jüngere Studien zeigen, dass unser Gehirn in Millisekunden ein Gesicht als vertrauenswürdig oder nicht vertrauenswürdig bewertet. Und zwar bevor das gesamte Gesicht überhaupt erfasst wird.
Fühlen wir uns moralisch überlegen?
Heute sind wir eher selten in Situationen, die mit der Begegnung mit einem ausgehungerten Säbelzahntigers vergleichbar sind. Auch nicht im Büro oder Homeoffice. Das gibt uns die Möglichkeit, ja Freiheit, uns unser negatives Bewerten und Verurteilen bewusst zu machen und es zu reflektieren. Denn oft fällt unsere schnelle Bewertung harscher aus als angemessen, und wir verurteilen den Kollegen oder die Kollegin geradezu.
Die moralische Herabsetzung des anderen bei gleichzeitiger moralischer Erhöhung der eigenen Person sind Kennzeichen dieses Urteilens. Mit anderen Worten, folgende Haltung: "Ich bin mehr wert als du."
Das Verurteilen schadet auch uns selbst
Mit sachlicher, konstruktiver Bewertung einer Situation hat das Ganze nichts zu tun. Das belastete kollegiale Verhältnis und der Konflikt sind vorprogrammiert. Die beschriebene Form des Verurteilens schafft viel Ärger – dem anderen und in der Konsequenz auch einem selbst. Wird dieses Denken zur Gewohnheit, trainieren wir unser Gehirn darauf, das Negative auch in uns zu finden. Ein Stress verursachender Prozess.
Wie Mindfulness auch nach hinten losgehen kann
Italienische Wissenschaftler der Sapienza Universität Rom untersuchten im Zusammenhang mit Mindfulness, welche Folgen das gewohnheitsmäßige Urteilen über die eigenen Gedanken und Gefühle für die eigene Gesundheit haben kann. In der 2018 veröffentlichten Studie von Dr. Barbara Barcaccia et. al. heißt es in diesem Zusammenhang: "Eine urteilende Haltung gegenüber den eigenen Gedanken und Gefühlen ist der stärkste Prädiktor sowohl für Depressionen als auch für Ängste." Eine falsch verstandene Achtsamkeit in Form einer negativen Selbsteinschätzung kann also "nach hinten losgehen".
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Schritt 1: den Autopiloten ausschalten
Achtsamkeit im Umgang mit Kollegen und anderen heißt an dieser Stelle also zunächst einmal: Auf den inneren Stopp-Schalter zu drücken und nach innen hören und fühlen. Diese Zeitverzögerung schaltet den Autopiloten ab und ermöglicht uns ein aktives, bewusstes Handeln. Idealerweise entspricht dieses Handeln dann unserem inneren Kompass, also unseren tatsächlichen Werten.
Was also können wir tun, um den Autopiloten des schnellen Abwertens und Verurteilens von MitarbeiterInnen oder auch privat auszuschalten?
Tipps gegen das automatische Bewerten und Verurteilen
📌 Schalte zunächst deinen Autopiloten ab: z. B. durch ruhiges, gleichmäßiges Ein- und Ausatmen in den Bauch. Sorge für eine Minipause: Was fühlst du gerade? Was geht dir durch den Kopf? Schon damit schaffst du etwas Abstand.
📌 Blicke empathisch auf die andere Person: In welcher Situation ist sie gerade? Was sind ihre Interessen? Unter welchem Druck steht sie möglicherweise? Weißt du genug über sie, um über sie zu urteilen? Wie wird sie sich dabei fühlen? Wie würdest du dich fühlen?
📌 Könnte es sein, dass du die andere Person missverstanden hast? Gibt es eine andere Erklärung für ihr Verhalten?
📌 Was wurde bei dir getriggert, so dass es zu deiner scharfen Bewertung führte? Hat dich etwas verletzt? Fühltest du dich angegriffen? Du kannst einiges über dich selbst erfahren, wenn du deinen Triggern auf die Spur kommst.
📌 Was für Gefühle haben dein "Urteil" bestimmt: Verletzung, Verärgerung oder beneidest du die Person vielleicht sogar, so dass du sie auf diese Weise "kleiner" machen musstest? (Autsch)
📌 Falls Kritik an dir geäußert wurde: Versuche mit etwas Distanz wie von außen zu betrachten, ob du mit deinem Verhalten wirklich deinem inneren moralischen Kompass, deinen persönlichen Werten, gefolgt bist.
👉 Am Ende ist folgende Frage die wichtigste: Bewertest du gerade eine Situation, oder triffst du ein moralisches Urteil über einen anderen Menschen? Letzteres ist in aller Regel nicht deine Aufgabe. Im englischsprachigen Raum wird dies ausgedrückt durch den mahnenden Ausruf wohlwollender Freunde: "Who are you to judge"? Will heißen: "Wie kannst du dir anmaßen, ein (moralisches) Urteil zu fällen?" Harter Tobak, ich weiß, aber darauf läuft es in letzter Konsequenz hinaus.
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