„Mittelmanagement für Aufbruch zu begeistern kostet Zeit“
Aus dem Handelsblatt-Archiv: Klaus Schweinsberg berät Topmanager. Viele von denen seien von den Führungskräften unter sich genervt, sagt er – und nennt Gründe.
Düsseldorf. Klaus Schweinsberg leitet das Zentrum für Strategie und Höhere Führung. Er steht als Berater vielen Chefs von Familienunternehmen und Konzernen zur Seite. Seine Erfahrung: Nicht nur mittlere Führungskräfte sind unzufrieden mit ihrem Topmanagement. Auch viele CEOs kommen im Umgang mit ihrem Mittelmanagement an ihre Grenzen. Dem Handelsblatt erklärt er die Gründe – und wie sich ein Ausweg finden lässt.
Herr Schweinsberg, viele Mittelmanager beklagen Zusatzarbeit durch Change-Prozesse, schwindende Privilegien und das Gefühl, zwischen oben und unten aufgerieben zu werden. Können Sie das nachvollziehen?
Klar, diese subjektive Wahrnehmung kann ich verstehen. Es gibt da eine Überlastung oder zumindest eine Belastung. Oben wollen alle ständig alles ändern. Unten ist die Fluktuation hoch. Die Leute wollen mehr Homeoffice oder Teilzeit, das gilt übrigens auch für viele Führungskräfte selbst. Die Vorteile, die früher noch ein Trost waren, gibt es nicht mehr: die Direktorenkantine, der Dienstwagen, die Bonusmeilen. Ich halte nichts davon, dieser Führungsebene alles wegzunehmen, ich kann den Frust verstehen. Gleichzeitig sehe ich aber auch, dass viele CEOs von ihrem Mittelmanagement tierisch genervt sind.
Wovon genau?
CEOs haben meistens eine „Yes, we can“-Attitüde. Viele Mittelmanager antworten darauf mit einem zögerlichen: „But what if?“ So entsteht bei Topmanagern der Eindruck, dass in ihren unteren Führungsebenen lauter Bedenkenträger sitzen. Diese zögerliche bis ablehnende Haltung – das nervt CEOs.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Oft beobachte ich das, wenn in Unternehmen 360-Grad-Feedbacks eingeführt werden sollen, wo dann auch die Führungskräfte aus verschiedenen Perspektiven bewertet werden. Da setzen viele Mittelmanager auf eine Verzögerungstaktik oder die komplette Blockade – weil sie womöglich selbst wissen, dass sie führungstechnisch nicht wahnsinnig gut sind. Das will keiner schwarz auf weiß haben. Da werden dann gern mal der Betriebsrat und der Datenschutz vorgeschoben. Dass das Mittelmanagement aber mal einen Vorstoß zu so einem Thema macht, habe ich noch nie erlebt. Da sagt keiner: „Ich hätte gern ein strukturiertes Feedbackprogramm, lasst uns Schulungen machen und das flächendeckend ausrollen.“ So was muss von ganz oben hart durchgedrückt werden.
Woher kommt diese Blockadehaltung aus Ihrer Sicht?
Zum einen liegt das daran, dass solche Führungskräfte meist viel länger im Unternehmen sind als das Topmanagement. Sie gehören zum Inventar. Oft haben sie sich über die Jahre eine eigene Unternehmenskultur gebastelt. Die geben sie nicht ohne Weiteres auf. Das sieht man besonders gut an den Heimatstandorten großer Familienunternehmen. Da heißt es dann: „Wir sind der Rückhalt dieser Firma, wir haben den Laden erfolgreich gemacht. Nicht diese Kasperle da oben!“
Und zum anderen?
Dazu kommt noch, dass Sie in dieser Führungsebene oft Leute haben, die sich nicht als Führungskräfte definieren. Gerade im Mittelstand sind das eher Experten, oft mit Ingenieurs- oder Technikerhintergrund. Für viele Change-Maßnahmen haben sie deshalb einfach kein Verständnis.
Was raten Sie CEOs im Umgang mit solchen Führungskräften?
Viele Topmanager sind zu ungeduldig. Das erlebe ich oft bei meinen Klienten. Die denken: „Ich habe jetzt schon dreimal in der Townhall über unser Transformationsprogramm gesprochen und den Führungskräften fünfmal unser neues Leitbild erklärt. Jetzt ist es doch mal gut!“ Aber das reicht nicht. Ich habe schon zu CEOs gesagt: „Wissen Sie was, Sie fahren jetzt mal zwei Stunden zu dieser Führungskraft und hören einfach nur zu, obwohl Sie das alles schon zehnmal gehört haben.“ Denn man muss die Manager einbinden, wenn man bestimmte Veränderungen im Unternehmen durchsetzen will. Mittelmanager haben eine starke Obsession für den Status quo. Sie für Aufbruch zu begeistern kostet Nerven und Zeit. Aber wenn Sie das als CEO nicht tun, können Sie es gleich vergessen mit der Transformation.
Und was ist Ihr Rat an Mittelmanager, die sich fragen: „Warum tue ich mir das eigentlich noch an?“?
Ich würde mich als Erstes fragen: Was genau ist denn mein Problem? Und dann: Was habe ich unternommen, um das Problem zu adressieren – entweder nach oben oder nach unten? Wann habe ich mit wem gesprochen, in welchem Rahmen und mit welcher Kernbotschaft? Meistens kommt dann raus: Oft haben die Führungskräfte weder mit ihrem Topmanagement richtig kommuniziert noch mit ihren Mitarbeitern. Nur mit den anderen Führungskräften sind sie sich einig. Einen Satz habe ich schon oft gehört: „Meine Kollegen, die anderen Abteilungsleiter, sehen das genauso wie ich.“
Vielen Dank für das Interview.
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