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Museen der Zukunft und ihre Bedeutung

„Museen suchen wir auf, um mit dem in Verbindung zu treten, was von Dauer, nicht materiell und nicht quantifizierbar ist. Das ist in unserem von Technik beherrschten Leben eine besonders seltene und damit kostbare Erfahrung“, schreibt Arianna Huffington in ihrem Buch „Die Neuerfindung des Erfolgs“.

Hier erleben Besucher:innen Resonanz, Sinnlichkeit und Staunen. Das Bedürfnis nach authentischen Erlebnissen im Zeitalter der Digitalisierung hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Museen leisten auch einen wichtigen „Beitrag zur Demokratisierung von Bildung und Wissen“ (Henning Mohr) – und somit zur zivilgesellschaftlichen Selbstermächtigung. Dieses neue Selbstverständnis offenbart sich auch in der Debatte über Dritte Orte, die in einer globalisierten und vernetzten Welt immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Der Dritte Ort ist ein Fachausdruck der Soziologie. Ray Oldenburg führt in „The Great Good Place“ (1999) den Begriff Third Place ein, der neben dem eigenen Heim ("Erster Ort") und dem Arbeitsplatz ("Zweiter Ort") von enormer Bedeutung ist für das Funktionieren einer Gesellschaft. Darunter werden städtische Begegnungsräume (gathering spaces) verstanden, in denen sich Menschen versammeln oder trennen können - und in denen Öffentlichkeit hergestellt wird (z. B. Cafés, Restaurants, Kneipen, Galerien, Bibliotheken, Buchläden, Kirchen oder Museen).

Doch mit den gesellschaftlichen Veränderungen, deren Haupttreiber Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Diversity sind, kommen traditionelle Arbeitsweisen von Dritten Orten zunehmend an ihre Grenzen: Die Rahmenbedingungen verändern sich grundlegend. Im Museumsbereich existiert dafür zwar ein Bewusstsein, doch fehlt es häufig an Handlungswissen über die Anpassungen im Organisationsmanagement und der damit verbundenen strategischen Ausrichtung sowie an Möglichkeiten der Kompetenzentwicklung für Transformationsfragen und des Change- oder Innovationsmanagements. „Museumsmacher*innen werden in ihrer Ausbildung zwar auf die fachlichen Aspekte von Kunst und Kultur vorbereitet, allerdings spielt Kulturmanagement im Sinne der Auseinandersetzung mit Management- oder Führungsmethoden für Kulturorganisationen nur eine untergeordnete Rolle“, schreiben Henning Mohr und Diana in ihrem Vorwort zum Sammelband „Museen der Zukunft“. Dieses Problem wird noch dadurch verstärkt, „dass es auch nach dem Studium kaum möglich ist, die hier gemeinten Fähigkeiten zu erlernen.“ Es fehlt an einer ausdifferenzierten Kultur der Weiterbildung, an Budgets und „an spezifischen Programmatiken in diese Richtung.“ Akteur:innen aus dem musealen Bereich sollten deshalb bei ihrem Engagement für die Professionalisierung des eigenen Feldes deshalb stärker unterstützt werden.

„Wegen Pandemie geschlossen!“

Die Coronakrise hat das Bewusstsein für all diese tieferliegenden Probleme noch verstärkt. Die Pandemie wirkte “wie ein Brennglas auf strukturelle Problemlagen im Kulturbereich und offenbarte Schwächen im Umgang mit digitalen Technologien, vorherrschenden Machtasymmetrien, Verteilungsungerechtigkeiten oder fehlenden Möglichkeiten der Teilhabe für viele Menschen der Gesellschaft aus“, schreibt Dr. Henning Mohr, Leiter des Instituts für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. in Bonn. Der Kultur- und Innovationsmanager hat u.a. für das Deutsche Bergbau-Museum Bochum gearbeitet. Zuvor promovierte er am DFG-Graduiertenkolleg „Innovationsgesellschaft heute“ (TU Berlin, Institut für Soziologie) über die Innovationspotentiale künstlerischer Interventionen in Transformationsprozessen. Dr. Diana Modarressi-Tehrani leitet die Stabsstelle Wissenschaftsmanagement am Deutschen Bergbau-Museum Bochum, ist ausgebildete systemische Organisationsberaterin und verantwortet den Aktionsplan für Forschungsmuseen.

Der von ihnen gemeinsam herausgegebene Sammelband zeigt, dass sich vor diesem Hintergrund eine dringend notwendige Debatte über notwendige Reformprozesse (Transformationsfähigkeit, anderes Institutionenverständnis, zukunftsweisende Neuausrichtung kultureller Infrastrukturen) im Kulturbetrieb etablieren konnte. Aufgezeigt werden aber nicht nur bestehende Defizite – es werden auch mögliche Lösungsansätze und Herangehensweisen dargestellt sowie aktuelle Tendenzen eines innovationsorientierten Kulturmanagements. Enthalten sind Beiträge namhafter Persönlichkeiten aus der Museums- und Kulturlandschaft, die aus verschiedenen Blickwinkeln zukunftsweisende Methoden und Ansätze für die Arbeit in Museen aufzeigen. Leider sind Themen wie Cultural Entrepreneur- und Leadership, künstliche Intelligenz oder Design Thinking (systematischen Herangehensweise an komplexe Problemstellungen aus allen Lebensbereichen) häufig noch immer nur Randerscheinungen des Museumsdiskurses.

Dabei ist dies für führende Unternehmen heute selbstverständlich: Anstelle endloser Diskussionen führen rasch aufeinander folgende Iterationsschleifen beim Design Thinking zu konkreten Ergebnissen. Dazu braucht es vor allem kulturelle Qualitäten wie Optimismus, Hartnäckigkeit, die Kultur des Scheiterns, Unternehmergeist, aber auch eine "Just do it"-Haltung, die auch Museen gerade jetzt dringend brauchen.

  • „Museen haben eine hohe Verantwortung“

  • Design Thinking für Nachhaltigkeit

  • Innovative Arbeitskultur: Warum immer mehr Unternehmen auf Design Thinking setzen

  • Henning Mohr / Diana Modarressi-Tehrani (Hg.): Museen der Zukunft. Trends und Herausforderungen eines innovationsorientierten Kulturmanagements. Transkript Verlag, Bielefeld 2021.

  • CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag, 2. Auflage, Heidelberg Berlin 2021.

  • Arianna Huffington: Die Neuerfindung des Erfolgs. Weisheit, Staunen, Großzügigkeit – Was uns wirklich weiterbringt. Aus dem Amerikanischen von Dagmar Mallett und Karin Schuler. Riemann Verlag, München 2014.

  • Sarah Schmidt: Sprachen des Sammelns. Literatur als Medium und Reflexionsform des Sammelns. Verlag Wilhelm Fink, Paderborn 2016.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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