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Mythos strategische Planung

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Roger L. Martin -

Strategiearbeit ist wichtig. Das weiß jeder. Die meisten Manager haben aber auch Respekt davor, weil sie mit einer ungewissen Zukunft konfrontiert werden. Sich für eine bestimmte Strategie zu entscheiden bedeutet immer auch, Möglichkeiten auszuschließen. Und so fürchten viele, dass Fehlentscheidungen sie die Karriere kosten könnten.

Die natürliche Reaktion besteht darin, diese beängstigende Herausforderung in eine Aufgabe zu verwandeln, die sich mit bewährten Methoden erledigen lässt. Das heißt fast immer, über Wochen oder sogar Monate einen umfassenden Plan zu erstellen, wie das Unternehmen in bestehende sowie neue Vermögenswerte und Fähigkeiten investieren wird, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, zum Beispiel einen größeren Marktanteil oder den Einstieg in einen neuen Markt. Solche Pläne werden in der Regel mit einem detaillierten Zahlenwerk unterfüttert, das Kosten- und Umsatzprognosen bis weit in die Zukunft liefert. Am Ende des Prozesses wirkt das Ganze längst nicht mehr so beängstigend.

Das ist ein furchtbarer Strategieansatz. Er mag hervorragend geeignet sein, um Managern die Angst vor dem Unbekannten zu nehmen, aber Angst und Unbehagen sind wesentliche Bestandteile der Strategiearbeit. Wenn am Erfolg einer Strategie nicht der geringste Zweifel besteht, könnte das bedeuten, dass sie nicht besonders gut ist. Dann verharren die Strategen vermutlich in ihrer Komfortzone. Sie laufen dadurch Gefahr, in drei Fallen zu tappen, die ich in diesem Beitrag erläutere. Denn Zweifeln und Zagen gehört dazu: Echte Strategiearbeit besteht darin, Wetten einzugehen und schwere Entscheidungen zu treffen. Ziel ist es nicht, jegliches Risiko auszuschalten, sondern die Erfolgschancen zu erhöhen.

Bei dieser Denkweise akzeptieren Manager, dass eine gute Strategie nicht das Ergebnis stundenlanger, akribischer Recherchen und Modellbetrachtungen ist, die zwangsläufig zu einer nahezu perfekten Lösung führen, sondern das Ergebnis eines einfachen und groben Denkprozesses, bei dem sie überlegen, was nötig ist, um ihre Ziele zu erreichen, und ob sie eine realistische Erfolgschance haben. Manager, die so denken, könnten es schaffen, die Strategie da zu lassen, wo sie hingehört: außerhalb der Komfortzone.

Das Wort Strategie wird fast immer mit einer Form des Worts Plan kombiniert, zum Beispiel bei der strategischen Planung oder beim Strategieplan, der dabei erarbeitet wird. Diese subtile Verlagerung von der Strategie zur Planung wird vorgenommen, weil Planung eine beherrschbare Aufgabe ist, die den Akteuren Sicherheit vermittelt.

Strategiepläne sehen eigentlich immer gleich aus. Sie umfassen in der Regel drei Teile. Der erste ist ein Vision-oder Mission-Statement, in dem ziemlich ehrgeizige Ziele gesteckt werden. Der zweite ist eine Liste von Initiativen, mit denen das Unternehmen diese Ziele erreichen will - Produkteinführungen, geografische Expansion, Bauvorhaben und dergleichen. Dieser Teil des Strategieplans ist in der Regel sehr gut strukturiert, aber auch sehr lang. Beschränkt wird die Liste der Initiativen meist nur durch die verfügbare Finanzierung.

Das dritte Element ist die finanzielle Darstellung der Initiativen. So wird der Plan fein säuberlich mit dem Jahresbudget abgestimmt. Der Strategieplan wird zu einer Beschreibung des Budgets, die Zahlen werden häufig auf fünf Jahre fortgeschrieben, damit das Ganze "strategisch" wirkt. Verbindlich sind die Pläne des Managements aber meist nur für das erste Jahr. Danach ist die "Strategie" eher ein "Eindruck".

Dieser Prozess bringt vermutlich besser durchdachte und gründlichere Budgets hervor. Mit Strategie hat er aber nichts zu tun. Die Planung geht in der Regel nicht explizit darauf ein, was das Unternehmen bewusst nicht tut und warum. Es werden keine Annahmen hinterfragt. Und das Hauptkriterium ist die Finanzierbarkeit; der Plan umfasst das, was die Ressourcen des Unternehmens eben gerade hergeben.

Planung mit Strategie zu verwechseln ist eine typische Falle, in die selbst Boardmitglieder tappen, die den Managern bei der Strategiearbeit eigentlich auf die Finger schauen und sie auf Kurs halten sollten. Aber im Board sitzen eben meist aktive oder ehemalige Manager, die sich sicherer dabei fühlen, die Planung zu kontrollieren als strategische Entscheidungen zu unterstützen. Außerdem sind die Investoren mehr an den in der Planung beschriebenen kurzfristigen Zielen interessiert als an den langfristigen Vorhaben der Strategie. Analysten studieren die Pläne, um zu bewerten, wie wahrscheinlich es ist, dass das Unternehmen seine Quartalsziele erreicht.

Die Konzentration auf die Planung führt zu einer kostenbasierten Denkweise. Kosten lassen sich relativ gut steuern und sind deshalb ein ideales Planungselement. Das Unternehmen ist hier meist in der Rolle des Kunden: Es entscheidet, wie viele Mitarbeiter eingestellt werden, in welchem Umfang Immobilien nötig sind, wie viele Maschinen gekauft werden, wie viel Werbung geschaltet wird und so weiter. In bestimmten Fällen kann das Unternehmen auch beschließen, ein Gut oder eine Dienstleistung nicht mehr zu kaufen beziehungsweise in Anspruch zu nehmen. In diesem Zusammenhang sind also auch Kündigungs- oder Schließungskosten steuerbar.

Natürlich gibt es Ausnahmen. Bestimmte Kosten werden durch Gesetze oder staatliche Bestimmungen vorgegeben, zum Beispiel die Steuern, die ein Arbeitgeber für seine Beschäftigten abführen muss, oder bestimmte Dienstleistungen, die Unternehmen in Anspruch nehmen müssen, etwa Abschlussprüfungen durch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Doch die extern bestimmten Kosten sind ein relativ kleiner Teil der Gesamtkosten, und die meisten leiten sich aus Posten ab, die das Unternehmen selbst bestimmt (etwa die Zahl der Mitarbeiter).

Kosten geben Sicherheit, denn sie lassen sich relativ präzise planen. Das ist wichtig. Viele Unternehmen geraten in Schwierigkeiten oder gehen pleite, weil sie zulassen, dass die Kosten außer Kontrolle geraten. Nur: Planungsorientierte Manager neigen häufig dazu, die Methoden, die ihnen auf der Kostenseite Sicherheit geben, auch auf der Einnahmenseite anzuwenden. Sie behandeln die Umsatzplanung genau wie die Kostenplanung und gehen davon aus, dass sie es hier mit zwei vergleichbaren Planungs- und Budgetkomponenten zu tun haben. Unter hohem Arbeitseinsatz erstellen sie Umsatzpläne für jeden Vertriebsmitarbeiter, für jedes Produkt, für jeden Kanal und für jede Region.

Wenn der geplante Umsatz dann nicht erzielt wird, wissen die Manager gar nicht, wie ihnen geschieht. "Mehr hätten wir doch nicht tun können", heißt es dann. "Wir haben doch Tausende Arbeitsstunden in die Planung gesteckt."

Dabei gibt es einen einfachen Grund dafür, dass die Umsatzplanung nicht so schön aufgegangen ist wie die Kostenplanung: Die Kosten steuert das Unternehmen selbst, den Umsatz bestimmt letztlich der Kunde. Von Monopolmärkten einmal abgesehen können die Kunden frei entscheiden, welchem Unternehmen sie ihr Geld geben und ob sie es überhaupt ausgeben. Die Unternehmen mögen den Eindruck haben, dass sie den Umsatz steuern können, aber die Wahrheit ist, dass sie ihn weder vorhersehen noch kontrollieren können. Deshalb sind Planung, Budgetierung und Forecasting beim Umsatz zwangsläufig unzuverlässig.

Für Unternehmen, die mit ihren Kunden langfristige Verträge schließen, ist die kurzfristige Umsatzplanung natürlich einfacher. Der Datendienst Thomson Reuters zum Beispiel bezieht den Großteil seiner Einnahmen aus mehrjährigen Abonnements. Schwankungen gehen lediglich auf die Differenz zwischen dem Verkauf neuer Abonnements und den gekündigten oder nicht fortgesetzten Verträgen zurück. Auch Unternehmen mit langen Fertigungszeiten können den Umsatz kurzfristig besser vorhersagen. In diese Kategorie fällt zum Beispiel der Flugzeugbauer Boeing. Doch die Probleme mit dem Dreamliner zeigen, dass selbst "feste Aufträge" nicht automatisch zu Einnahmen führen. Längerfristig werden alle Einnahmen vom Kunden bestimmt.

Unter dem Strich bleibt festzuhalten: Kosten und Einnahmen sind in Bezug auf ihre Planbarkeit grundverschieden. Auch die beste Planung kann keine Einnahmen herbeizaubern, und so lenken Umsatzpläne letztlich nur von der viel schwierigeren Aufgabe des Strategen ab: Wege zu finden, Kunden zu gewinnen und zu halten.

Dies ist vielleicht die heimtückischste Gefahr, denn sie kann selbst Manager ereilen, die die Kosten- und Planungsfallen umgangen haben und versuchen, eine echte Strategie zu entwickeln. Die meisten Manager nutzen einen der vielen Standardansätze, wenn sie eine Strategie konzipieren und formulieren. Zwei der beliebtesten Methoden können allerdings zu Strategien führen, die sich ausschließlich auf Dinge konzentrieren, die das Unternehmen steuern kann.

Henry Mintzberg stellte 1978 im Fachmagazin "Management Science" sein viel beachtetes Konzept der emergenten Strategien vor - ein Thema, das er später in seinem Buch "Die Strategische Planung. Aufstieg, Niedergang und Neubestimmung" (siehe Literaturhinweis am Ende) auch einer breiteren Öffentlichkeit präsentierte. Mintzbergs Ansatz war einfach, aber eindrucksvoll: Er unterschied zwischen bewusst gewählten Strategien und solchen, die nicht aus einer bestimmten Absicht hervorgehen, sondern Reaktionen eines Unternehmens auf unvorhergesehene Ereignisse darstellen. Diese indirekt entstehenden Strategien bezeichnet er als emergent.

Mintzbergs Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass Manager ihre Fähigkeit überschätzen, die Zukunft vorherzusagen und dafür präzise Pläne zu entwerfen. Mit der Unterscheidung zwischen bewussten und emergenten Strategien wollte er Manager dazu bringen, auf Veränderungen des Umfelds zu achten und die bewussten Strategien kontinuierlich an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Er warnte davor, bei grundlegenden Veränderungen des Wettbewerbsumfelds an einer starren Strategie festzuhalten.

Diese klugen Ratschläge sollte jeder Manager befolgen. Aber die wenigsten tun es. Die meisten ziehen aus Mintzbergs Erkenntnis eine ganz andere Schlussfolgerung: Wenn die Zukunft so unberechenbar und volatil ist, lohnt es sich erst dann, eine strategische Entscheidung zu treffen, wenn zukünftige Entwicklungen zuverlässig prognostiziert werden können. Das ist eine sehr bequeme Auslegung, denn sie bewahrt die Manager davor, beängstigenden Entscheidungen über nicht kontrollierbare Entwicklunge fällen zu müssen.

Bei näherem Hinsehen offenbart diese Logik natürlich gefährliche Denkfehler. Wenn die Zukunft zu undeutlich und volatil ist, um Entscheidungen zu treffen, warum sollte sich dies irgendwann ändern? Und wie erkennen die Strategen, wann die Planbarkeit groß genug und die Volatilität niedrig genug ist, um sich als Entscheidungsgrundlage zu eignen? Die Argumentation ist nicht stichhaltig, denn die Zukunft wird nie vorhersehbar sein.

Das Konzept der emergenten Strategien dient daher lediglich als Vorwand für Manager, die schwierige Entscheidungen scheuen, die als schnelle Nachahmer scheinbar erfolgreiche Konzepte anderer kopieren wollen und die eine Antwort auf den Vorwurf brauchen, ihnen fehle der Mut für eine eigene klare Richtung. Entscheidungen anderer nachzuahmen wird nie zu einem Alleinstellungsmerkmal oder einem wertvollen Wettbewerbsvorteil führen. Diese Auslegung war auch keineswegs Mintzbergs Absicht, aber sie hat sich entwickelt, weil sie bequem ist.

Sechs Jahre nachdem Mintzberg sein Konzept der emergenten Strategien vorgestellt hatte, präsentierte Birger Wernerfelt 1984 im "Strategic Management Journal" ein weiteres Strategiekonzept, das von der Wissenschaft mit Begeisterung aufgenommen wurde: die Ressourcentheorie oder "Resource-based View" (RBV), wie er sagte. In der Praxis setzte sich der Ansatz aber erst 1990 durch, als C. K. Prahalad und Gary Hamel einen der meistgelesenen Artikel der Harvard Business Review schrieben: "The Core Competence of the Corporation" (deutsche Fassung siehe Servicekasten Seite 68).

Die Ressourcentheorie besagt, dass der Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens in wertvollen, seltenen, unnachahmlichen und nicht ersetzbaren Fähigkeiten besteht. Dieses Konzept kam in Managementkreisen überaus gut an, besagt es doch offenbar, dass Strategie darin besteht, "Kernkompetenzen" oder "strategische Fähigkeiten" zu erkennen und auszubauen. Damit sind wir wieder im Bereich des Prognostizierbaren und Beherrschbaren. Jedes Unternehmen kann einen technischen Vertrieb, eine Softwareentwicklungsabteilung oder ein Vertriebsnetz aufbauen und das zu einer Kernkompetenz erklären. Die Entscheider können mit der nötigen Sicherheit in solche Kapazitäten investieren und behalten dabei jederzeit die Kontrolle. Der Erfolg lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit garantieren.

Nur: Fähigkeiten allein bringen die Kunden noch nicht dazu, etwas zu kaufen. Lediglich Unternehmen, die einer bestimmten Kundengruppe ein überlegenes Wertangebot machen, schaffen das. Doch sowohl die Kunden als auch der Kontext sind unbekannt und nicht kontrollierbar. Da verlassen sich viele Manager lieber auf Fähigkeiten, die sie mit Sicherheit aufbauen können. Wenn das nicht zum Erfolg führt, sind eben die sprunghaften Kunden oder die irrationalen Wettbewerber schuld.

Ob ein Unternehmen die oben genannten Fehler begangen hat, lässt sich schnell feststellen (siehe Kasten "Stecken Sie in der Komfortzone?" ). Die Boards und Aufsichtsräte solcher Unternehmen sind ihren Topmanagern in der Regel sehr gewogen und verbringen viel Zeit damit, deren Arbeit zu prüfen und zu genehmigen. Im Management und im Board wird viel darüber diskutiert, wie man aus dem bestehenden Umsatz mehr Gewinn herausholen kann, statt zu überlegen, wie sich der Umsatz weiter steigern lässt. Die wichtigsten Orientierungsgrößen für das Management sind Finanz- und Kompetenzkennzahlen. Indikatoren für die Kundenzufriedenheit oder für den Marktanteil (vor allem Veränderungen des Marktanteils) sind zweitrangig.

Wie lassen sich die Fallen umgehen? Unsicherheit und Angst scheuen die Menschen von Natur aus. Deshalb hilft nur ein disziplinierter Strategieansatz, bei dem ein gewisses Maß an Unbehagen von vornherein eingeplant ist. Die Strategiearbeit muss drei Grundregeln folgen. Diese Regeln einzuhalten ist nicht immer einfach, denn der Reiz bequemer und vermeintlich sicherer Alternativen ist allgegenwärtig. Der Prozess garantiert auch nicht, dass am Ende eine erfolgreiche Strategie entsteht. Aber wenn Sie diese drei Regeln beachten, können Sie zumindest sicher sein, dass Sie keine schlechte Strategie entwickeln.

Konzentrieren Sie sich auf die Wahlmöglichkeiten, die die für den Umsatz maßgeblichen Entscheidungsträger beeinflussen: die Kunden. Deren Geld bekommen Sie nur, wenn Sie ihnen ein besseres Angebot machen als die Konkurrenz. Zwei Entscheidungen sind dabei maßgeblich: wo Sie antreten (also welches Kundensegment Sie ins Visier nehmen) und wie Sie sich durchsetzen wollen (also wie Sie diesen Kunden ein überzeugendes Angebot machen). Kunden außerhalb des von Ihnen gewählten Segments oder Bereichs werden auf Ihr Angebot vermutlich gar nicht aufmerksam. Nimmt Ihr Unternehmen diese Kunden ins Visier, entscheidet die Art und Weise, wie Sie am Markt auftreten, darüber, ob die Kunden Ihr Angebot überzeugend finden.

Wenn es aber bei der Strategie nur darum geht, wo und wie Sie mit den Wettbewerbern konkurrieren, brauchen Sie keine mühsam und zeitaufwendig erstellten Planungsunterlagen. Es gibt keinen Grund, die Zusammenfassung Ihrer Strategie auf mehr als eine Seite auszudehnen. Fassen Sie sich bewusst kurz, formulieren Sie die Strategie mit einfachen Worten und stellen Sie Ihr Konzept klar dar. Eine Strategie, die sich allein darauf konzentriert, wo und wie ein Unternehmen mit anderen Firmen konkurriert, führt dazu, dass die strategischen Überlegungen nicht abheben und die verantwortlichen Manager sich den echten strategischen Herausforderungen des Unternehmens stellen, statt sich alternativ in bequeme Planungen zu flüchten.

Wie bereits erwähnt, meinen Manager häufig, die Strategie müsse genauso exakt und prognosefähig sein wie die Kostenplanung. Mit anderen Worten: Sie sollte nahezu perfekt sein. Doch da es bei der Strategie vor allem um den Umsatz geht und nicht um die Kosten, ist Perfektion nicht zu erreichen. Die Strategie erhöht im Idealfall die Erfolgschancen der Wetten, die das Unternehmen eingeht. Das müssen Manager verinnerlichen, wenn sie sich von der Strategiearbeit nicht mehr einschüchtern lassen wollen.

Dies funktioniert nur, wenn Boards und Aufsichtsbehörden sich klar dazu bekennen, dass es bei der Strategie um eine Wette geht, die ein Unternehmen eingeht. Jedes Mal wenn Boardmitglieder die Unternehmensleitung fragen, ob sie sich ihrer Strategie auch ganz sicher ist oder Aufsichtsbehörden die Manager auffordern, formal nachzuweisen, dass ihr Strategieprozess auch wirklich gründlich ist, schwächt das die Strategiearbeit. Sosehr Boards und Aufsichtsbehörden auch wollen, dass die Welt beherrschbar ist: Die Wirklichkeit sieht einfach anders aus. Solange sie das nicht akzeptieren, ist das Ergebnis Planung statt Strategie - und jede Menge Ausreden, wenn der Umsatzplan nicht aufgeht.

Die einzige sichere Methode, um die Trefferquote Ihrer strategischen Entscheidungen zu erhöhen, besteht darin, die Logik Ihres Ansatzes zu testen: Welche Annahmen zu Kunden, zur Entwicklung Ihrer Branche, zum Wettbewerb und zu Ihren Fähigkeiten liegen Ihren Entscheidungen zugrunde? Es ist entscheidend, dass Sie die Antwort auf diese Frage - die Prämissen Ihres Ansatzes - aufschreiben, denn das menschliche Gehirn neigt dazu, Erinnerungen zu verändern. Es passt rückblickend die Planung an die tatsächliche Entwicklung an, statt objektiv darzustellen, welche strategischen Wetten eingegangen wurden und warum. Wenn die anfänglichen Überlegungen festgehalten werden, können die Manager sie später mit der tatsächlichen Entwicklung abgleichen und auf einen Blick sehen, wann und wo die Strategie nicht die gewünschten Ergebnisse liefert. Auf dieser Basis können sie sie anpassen - genau wie Mintzberg es sich vorgestellt hat. Durch eine einigermaßen objektive Analyse dessen, was funktioniert und was nicht, können die Manager auch ihren strategischen Entscheidungsprozess verbessern.

Manager, die diese Regeln anwenden, werden weniger Scheu vor strategischen Entscheidungen haben. Das ist wünschenswert, allerdings nur bis zu einem gewissen Grad. Wenn sich ein Unternehmen seiner Entscheidungen zu sicher ist, läuft es Gefahr, wichtige Veränderungen im geschäftlichen Umfeld zu übersehen.

Ich habe gesagt, dass Planung, Kostenmanagement und die Konzentration auf die Fähigkeiten des Unternehmens für einen Strategen gefährlich sind. Trotzdem sind diese Tätigkeiten von entscheidender Bedeutung. Kein Unternehmen kann diese Bereiche vernachlässigen. Denn während die Strategie die Kunden überzeugt, dem Unternehmen ihr Geld zu geben, entscheiden Planung, Kostenkontrolle und die Fähigkeiten des Unternehmens darüber, ob es gelingt, diesen Umsatz zu einem rentablen Preis zu erwirtschaften. Jedoch wird die menschliche Natur immer dafür sorgen, dass Planung und die damit verbundenen Aktivitäten die Strategie dominieren, statt ihr zu dienen - es sei denn, das Unternehmen versucht bewusst, dies zu verhindern. Wenn Sie mit Ihrer Strategie zufrieden sind, ist es sehr wahrscheinlich, dass Sie diesen Versuch nicht unternehmen. Unbehagen gehört zur Strategiearbeit zwangsläufig dazu und muss einkalkuliert werden.

© 2014 Harvard Business Publishing Service

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Von Roger L. Martin

Roger L. Martin ist der ehemalige Dekan der Rotman School of Management der University of Toronto, wo er bis heute als Professor arbeitet.

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