Nach bestem Wissen und Gewissen

Wie ich Entscheidungen treffe

Verantwortung zu übernehmen bedeutet, Entscheidungen zu treffen. Und Entscheidung treffen heißt immer, mit Ungewissheit umgehen zu müssen. Es ist wie Schachspielen im Nebel: Man weiß nie genau, welche Züge zum Erfolg führen. Das bekam ich besonders zu spüren, als die Corona-Pandemie über uns hereinbrach. Jede Woche, manchmal sogar jeden Tag, mussten wir Entscheidungen treffen, ohne zu wissen, was als Nächstes passiert. Die Devise „abwarten und Tee trinken“ war keine Option. Stattdessen hieß es, die Unsicherheit anzunehmen und trotzdem weiterzumachen.

Die Zukunft ist düster

Ein kurzer Blick zurück: Als ich meine Nachfolge im Familienbetrieb antrat, hatte ich Angst, falsche Entscheidungen zu treffen. Ich wollte alles perfekt machen und die Zukunft voraussagen können. Das führte dazu, dass ich oft gar keine Entscheidungen traf und in einer Schockstarre verharrte. Oder ich überließ die Entscheidungen anderen, was als Geschäftsführerin auch nicht empfehlenswert ist. Es brauchte erst eine Pandemie, damit ich begriff: Niemand weiß, was die Zukunft bringt. „Die Zukunft ist düster, und das ist das Beste, was die Zukunft sein kann, glaube ich“, wie Virginia Woolf so treffend schreibt. Es gibt keine perfekten Entscheidungen. Wir haben nie alle benötigten Informationen. Kein noch so ausgeklügelter Fünf-Jahres-Plan hätte voraussehen können, dass eine globale Pandemie unseren normalen Betrieb lahmlegt. Der „Schwarze Schwan“ als statistisches Phänomen machte all meine Unternehmenspläne zunichte.

Nicht perfekt ist gut genug!

Aus den Jahren 2020 bis 2022 entwickelte sich für mich ein neuer Leitsatz: „Nach bestem Wissen und Gewissen.“ Das bedeutet, mich sorgsam zu informieren, relevante Informationen zu diskutieren und gemeinsam mit dem Team Entscheidungen zu treffen. Dabei ist uns bewusst, dass wir diese Entscheidungen auch morgen wieder überdenken müssen. Ich habe in dieser Zeit viel über Epidemiologie, Cashflow-Planung und KfW-Mittel gelernt. Aber vor allem habe ich meine Erwartungen an mich selbst verändert: Ich erwarte nicht mehr von mir, die perfekte Entscheiderin zu sein. Stattdessen erwarte ich von mir, mich nach bestem Wissen und Gewissen zu informieren und auf dieser Grundlage die bestmögliche Entscheidung zu treffen. Nicht perfekt ist gut genug! Ich weiß, dass ich viele Entscheidungen im Nachhinein korrigieren oder zurücknehmen muss. Diese Haltung hilft mir, auch nach Fehlentscheidungen weiterhin in den Spiegel zu schauen.

Auf unbekanntem Terrain

Auch wenn ich heute vor schwierigen Entscheidungen stehe, spüre ich manchmal Unbehagen, dieses nagende Gefühl von Unsicherheit, das sich in der Magengegend breitmacht. Das ist manchmal sogar beängstigend. Ich weiß aber: Durch dieses Unbehagen muss ich als Geschäftsführerin hindurch. Es ist der Tribut, den ich für Unternehmenswachstum und -weiterentwicklung zahle. Die Unsicherheit zeigt mir, dass ich mich außerhalb meiner Komfortzone, auf unbekanntem Terrain bewege. Und ich glaube, genau das ist der Ort, an dem Veränderung und Fortschritt stattfinden.

Wie geht ihr mit Entscheidungen um?

Habt ihr eine Taktik,wie ihr an möglichst viele Informationen kommt, um die bestmögliche Entscheidung zu treffen? Oder entscheidet ihr viel mehr aus dem Bauch heraus? Und wenn ja, ist euch diese intuitive Art schon einmal auf die Füße gefallen? Ich freue mich auf eure Geschichten, Anregungen und Hinweise.

Johanna Schirmer schreibt über Job & Karriere, Wirtschaft & Management, Konsumgüter & Handel

»Johanna hat im Schleudergang gelernt, was es heißt ein Unternehmen zu führen.« Quelle: Harvard Business Manager, 08/2022

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