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Stephan Goetz: Der Manager und die von ihm gegründete Beratungsfirma Goetzpartners erleben gerade unruhige Zeiten. - Foto: PR
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Nach Inhaftierung der Chefs – Goetzpartners steht wohl zum Verkauf

Seit gut drei Monaten sitzen die beiden Chefs der bekannten Unternehmensberatung in Untersuchungshaft. Nun sucht die Gesellschaft wohl nach Käufern. Die Unruhe im Unternehmen scheint groß.

Düsseldorf, Berlin. In der deutschen Beratungsbranche gilt diese Herausforderung als einmalig: Wie verkauft man eine Firma, deren Namensgeber hinter Gittern sitzt. Stephan Goetz, der 67-jährige Gründer der Unternehmensberatung Goetzpartners, befindet sich seit März in Untersuchungshaft. Ebenso sein Kompagnon und Firmenmitgründer Stefan Sanktjohanser (65). Nun gibt es möglicherweise ein Preisschild für ihre Firma, die im Jahr 2022 mit rund 390 Mitarbeitern noch 140 Millionen Euro Umsatz erreicht haben soll.

Für einen höheren zweistelligen Millionenbetrag sei Goetzpartners abzugeben, erfuhr das Handelsblatt aus Finanzkreisen. Potenzielle Investoren seien von Vertretern der Unternehmensberatung angesprochen worden. Stephan Goetz und Stefan Sanktjohanser sind nicht zu erreichen. Nach Informationen des Handelsblatts sollen selbst enge Vertraute kein Besuchsrecht für die derzeitige Adresse von Stephan Goetz erhalten: die Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim.

Eine Sprecherin von Goetzpartners gab auf Nachfrage zu einem möglichen Verkauf an, dass man sich zu Geschäftsinterna grundsätzlich nicht äußere.

Der Niedergang des 1991 gegründeten Unternehmens gilt in der Branche als dramatisch. Der Marktforschungsdienst Lünendonk führte Goetzpartners 2023 auf Platz zehn seiner Rangliste der größten Beratungshäuser Deutschlands. Stephan Goetz strotzte vor Selbstbewusstsein. „Man konnte ihm kaum die Hand schütteln, ohne dass er schon losprasselte, wen er alles kennt und was er alles kann“, sagt ein ehemaliger Geschäftspartner.

Goetzpartners ist vor allem bekannt geworden durch die langjährige Arbeit für Thyssen-Krupp und den tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky, der Goetz vor seinem Einstieg beim Handelskonzern Metro vertraute. Auch das Bundesverkehrsministerium setzte auf die Dienste von Goetzpartners, als es ehedem eine Infrastrukturgesellschaft für das deutsche Schienennetz gründete.

Firma fehlt auf prestigeträchtiger Liste

Die goldenen Zeiten sind indes vorbei. Als der Marktforschungsdienst Lünendonk Mitte Juni seine neue Rangliste der größten Beratungsunternehmen veröffentlichte, fehlte Goetzpartners. Die Begründung: Es seien „keine validen Daten für das Geschäftsjahr 2023 verfügbar“.

Selbstverständlich lägen Finanzdaten zu Goetzpartners vor, antwortet eine Unternehmenssprecherin. Die Jahresabschlüsse würden nach Rechnungslegungsvorschriften aufgestellt und angezeigt.

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Nachfragen zu den Umsätzen und deren Entwicklung beantwortet sie nicht. Dafür meldet sich ein Anwalt. Sollte das Handelsblatt falsche Zahlen verbreiten oder unzutreffende Mutmaßungen zu Umsatzentwicklungen oder entsprechende Verdächtigungen verbreiten, würde dies eine schwerwiegende Kreditgefährdung darstellen.

Im September 2023 berichtete das Handelsblatt von einem mutmaßlichen Millionenbetrug beim Textilunternehmen Sympatex, das Goetz und Sanktjohanser gehört. Polizei und Staatsanwaltschaft durchsuchten mit einem Großaufgebot von Beamten mehr als 50 Büros, Kanzleien und Privathäuser. Sie verdächtigen 14 Personen des Betrugs, der Marktmanipulation und der Anstiftung zur Untreue.

Hintergrund war ein Schuldenschnitt bei einer Unternehmensanleihe. Damit sollen Goetz, Sanktjohanser und andere Manager die Gläubiger von Sympatex getäuscht haben, um sich auf deren Kosten zu bereichern.

Betrugsverdacht und Verdunkelungsgefahr

Zu den Durchsuchungsobjekten gehörte auch das Family-Office der Otto-Familie. Die Ermittler verdächtigten einen dortigen Geschäftsführer, in den mutmaßlichen Betrug verstrickt zu sein. Goetz ist mit der gebürtigen Ingvild Otto (83) verheiratet, der ältesten Tochter des Versandhausgründers Werner Otto. Eine Anwältin des Otto-Family-Office wies im Namen des beschuldigten Geschäftsführers die Vorwürfe zurück. Zugleich bestätigte sie, dass die Gesellschaften des Family-Office im Verfahren „praktisch Zeugen“ seien.

Goetz und Sanktjohanser kamen Ende September 2023 in Untersuchungshaft, neun Tage später durften sie nach Zahlung einer millionenschweren Kaution wieder gehen. Im März allerdings mussten sie erneut ins Gefängnis. Die Staatsanwälte warfen ihnen vor, sie hätten die Ermittlungen behindert.

Wachturm in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim: Hier sitzt Stephan Goetz derzeit in Untersuchungshaft. - Foto: dpa
Wachturm in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim: Hier sitzt Stephan Goetz derzeit in Untersuchungshaft. - Foto: dpa

Beide Verdächtige hätten gegen ihnen auferlegte Pflichten „gröblich zuwidergehandelt“. Es gehe dabei um Verstöße „gegen die Untersagung, Gespräche mit Mitbeschuldigten oder möglichen Zeugen zum Verfahren oder zum Gegenstand des Verfahrens zu führen“.

Die Staatsanwälte sehen einen dringenden Tatverdacht. Goetz und Sanktjohanser wiesen die Vorwürfe dagegen bisher über ihre Strafverteidiger zurück. Dass ihre Untersuchungshaft bald enden könnte, gilt angesichts der naheliegenden Verdunkelungsgefahr als sehr unwahrscheinlich.

„Einfach nur dumm“, nennt einer, der Goetz und Sanktjohanser gut kennt, deren mutmaßliches Verhalten. Selbst die Verteidiger des Duos hätten kaum Hoffnung auf ein Ende der Untersuchungshaft in den kommenden Monaten, heißt es aus Anwaltskreisen. Die Inhaftierung könnte auch während eines möglichen Prozesses andauern.

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Reihe von Mitarbeitern soll auf dem Absprung sein

Nach Angaben des Unternehmens ist Goetzpartners trotzdem aktuell nicht führungslos. Esra Himmel betonte als Chief Operating Officer, die Beratungsgesellschaft sei „auch in der Abwesenheit der Eigentümer vollumfänglich handlungsfähig“. Die operative Leitung liege in der Verantwortung des Executive Boards. Personalberater und Kenner des Unternehmens berichten allerdings von starkem Abwanderungsdruck.

Es ist ein mehr oder weniger offenes Geheimnis, dass eine Reihe von Mitarbeitern auf dem Absprung sein soll, darunter langjährige, loyale Kräfte. Manche Führungsperson gibt sich wenig Mühe, das zu verbergen. „Ich bin (noch) in meiner Funktion als ... bei Goetzpartners tätig und kann/will daher nicht offen sprechen“, antwortet eine Spitzenkraft auf Nachfrage zu den Entwicklungen bei Goetzpartners.

„Wer in so einer Situation gehen kann, der geht“, erklärt ein Headhunter. „Kein Berater will ein Kundengespräch mit einer langen Erklärung beginnen, warum die Inhaftierung des Chefs eigentlich gar nicht so schlimm ist.“ Auch Kunden würden in der Regel vermeiden, sich von Häftlingen oder Menschen aus deren Umfeld beraten zu lassen.

Bisher hat sich kein Kunde über eine vorzeitige Beendigung einer Geschäftsbeziehung geäußert. Insider bei einem zentralen Mandanten betonten sogar, weiter volles Vertrauen in die Arbeit der Berater zu haben. Die Namen des Mandanten wollten sie nicht öffentlich nennen. Goetzpartners teilt auf Nachfrage mit: „Selbstverständlich werden alle Mandate vollumfänglich weitergeführt.“

Vom Handelsblatt befragte mögliche Käufer des Unternehmens sind dennoch skeptisch. „Die Frage ist doch: Was kauft man denn da?“, sagte ein Investmentbanker. „Goetz ist die Firma und die Firma ist Goetz. Was bleibt denn, wenn man ihn abzieht?“

Zumindest bei strategischen Investoren dürfte sich Goetzpartners mit den Verkaufsplänen schwertun, glauben Branchenexperten. Auf Nachfrage des Handelsblatts winken mehrere potenzielle Investoren aus der Branche ab: „Kein Interesse an Goetzpartners“, heißt es.

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Nach Inhaftierung der Chefs – Goetzpartners steht wohl zum Verkauf

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