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Nachhaltige Digitalisierung und Prozessmanagement

Interview mit dem Baunternehmer Matthias Krieger

Herr Krieger, Sie sehen eine effiziente Zusammenarbeit mit geringen administrativen Aufwänden und einer Fehlervorbeugung als entscheidenden Erfolgsfaktor für Ihr Unternehmen und Ihre Stakeholder. Inwiefern haben Sie diesbezüglich „nachhaltig“ vorgebaut?

Aufgrund der Wertschöpfungstiefe und unseren fünf Standorten haben wir bereits seit 2012 eine umfangreiche Unternehmenssoftware im Einsatz und arbeiten mit weiteren ausgewählten Softwareanbietern zusammen. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dauerhaft eine führende Rolle in unserer Branche einzunehmen. Deshalb planen wir die Investition von mindestens einer Million Euro in unsere digitalen Systeme. Insbesondere werden wir eine eigene Plattform entwickeln, die als Drehscheibe für alle Informationen rund um unsere Projekte intern, aber auch extern (Baupartner, Kunden) zur Verfügung steht. Dieses Schlüsselziel ist als Kernkompetenz in unserer Strategie 2025 verankert und wird durch ein umfangreiches Projekt seit 2017 vorangetrieben.

Wie sind Sie vorgegangen, um eine nachhaltige Softwarelandschaft zu etablieren?

Nach einer gründlichen Analyse unserer im Einsatz befindlichen Softwareprodukte und der Zielbeschreibung wurden mögliche Softwarepartner ausgewählt und bewertet. Die Umsetzung wurde durch Maßnahmenpläne beschrieben. Da wir einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, integrieren wir sukzessive alle K+S Geschäftsprozesse in diese neue K+S Softwarelandschaft. Wir werden erneut eine führende Rolle in unserer Branche einnehmen und investieren jetzt in neue Technologien, die uns auch in konjunkturschwächeren Zeiten wirtschaftlichen Erfolg erhalten wird.

Sie verfolgen einen integrierten dualen Planungs- und Steuerungsmechanismus, der die jeweiligen Projekte beleuchtet und die Unternehmensseite widerspiegelt. Können Sie dies präziser erläutern?

Die beiden Ebenen interagieren miteinander, in dem die Unternehmensseite den Projekten Ressourcen (Kapital, Personal, Equipment) bereitstellt. Aus den Projekten heraus werden vorgegebene Mindestrenditen erzielt, die dann – neben den Nutzungsentgelten für die Ressourcen – an die Unternehmensebene zurückfließen. Diese Prozesse bilden unsere integrierte Gesamtplanung vollständig ab, sodass wir jederzeit fundierte Aussagen über die finanziellen Aspekte (Liquidität, Rentabilität) jedes Projektes treffen können, zum anderen die kumulierten Auswirkungen aller Projekte auf die Unternehmensebene erkennen können, um so Rentabilität, Kapitalbedarf und Liquidität effektiv planen und steuern zu können.

Die Planung wird monatlich im Rahmen eines Soll-/Ist-Vergleiches verifiziert und ggf. angepasst. Um die Umsetzung des Planungs- und Steuerungsprozesses noch effizienter zu gestalten, wurde die Entscheidung zum Kauf einer neuen Softwarelösung getroffen. Mit der Einführung von BPS One werden wir eine ganzheitliche und integrierte Unternehmensplanung effizient und innovativ im Sinne unsere K+S Strategie umsetzen.

Der Großteil Ihrer kaufmännischen Tätigkeiten wird in Ihren Softwaremodulen ausgeführt. Was gehört aktuell alles dazu?

Dazu zählen Bürgschaftsverwaltung, Lohn- und Gehaltsabrechnung, Lieferschein- und Rechnungsprüfung. Unser K+S WerteKompass enthält alle wichtigen Compliance- sowie Datenschutzregelungen und gibt Klarheit und Orientierung für das tägliche Handeln.

Ihr Prozessmanagement baut auf standardisierten Prozessen auf. Welche Ziele sind damit verbunden?

1. Basis für Verbesserungen zu schaffen.

2. Schwankungen zu reduzieren.

3. Vertrauen und Beständigkeit zu fördern.

4. Basis für Ausbildung und Training zu sein.

Wie ist das K+S Geschäftsprozessmanagement aufgebaut?

Es besteht aus drei Ebenen: Einer übergeordneten Geschäftsprozesslandkarte (GPL), Geschäftsprozessen (GP) sowie Hauptprozessen (HP). Daran können bei Bedarf weitere Wissensdokumente angehangen werden. Wir visualisieren diese durch Flussdiagramme. In unserer Prozessverantwortlichkeitsmatrix (PV-Matrix) sind alle aktuellen Prozessbesitzer sowie der Gültigkeitsstatus jedes Prozesses definiert. Um alle Mitunternehmer bei Aufbau des K+S GPM mitzunehmen, führen wir Modellierungsworkshops durch. Der Reifegrad pro Geschäftsprozess ist aktuell sehr unterschiedlich, da sich die Erarbeitung der Hauptprozesse an der Digitalisierungsstrategie orientiert.

Unser Ziel in 2019 war, alle Hauptprozesse inklusive Prozessbesitzer zu definieren und in Form von Prozessmodellen zu beschreiben. Ein einfaches Ablagesystem im K+S Multiprojektraum (Sharepoint) wird aktuell aufgebaut. Doppelablagen und alte Versionen werden somit vermieden. Außerdem werden wir automatische (mindestens jährliche) Prüfungs- und Freigabeworkflows an die Prozessbesitzer entwickeln. Zu jedem Hauptprozess werden Prozessleistungsindikatoren entwickelt, die den Beitrag zum Erreichen der strategischen Ziele messen. Jeder Mitunternehmer wird in seiner Ergebnisorientierten-Aufgabenbeschreibung (EOA) die für ihn relevanten Hauptprozesse aufgeführt haben.

Um dieses Vorgehen umsetzen zu können, arbeiten wir unter anderem mit externen Beratern sowie studentischen Hilfskräften zusammen. Dabei entwickeln wir unser K+S Geschäftsprozessmanagement ständig weiter. Unsere Herausforderung besteht darin, unser K+S Geschäftsprozessmanagement so zu entwickeln, dass ein Mehrwert für uns und unsere Kunden spürbar ist. Eine reine Prozessbeschreibung und Ablage können nicht unser Ziel sein.

Was macht für den Mehrwert des BIM 3D Gebäudemodells (digitaler Zwilling) für Ihre Kunden aus?

Aktuell werden noch der Großteil unserer Baupläne durch interne sowie externe Fachplaner im 2D erstellt. Diese konstruieren in ihren eigenen Plänen und stimmen sich untereinander ab. Ein gemeinsames Datenmodell wird noch sehr selten genutzt – erste Pilotprojekte laufen aber bereits. Wir sind zuversichtlich bald den Nutzen der BIM-Technologie für alle Beteiligten erreichen zu können. Der Mehrwert für unsere Kunden wird durch effiziente Planung mittels Bauwerksdatenmodellierung (BIM) und optimierter Bauablaufplanung durch LEAN deutlich erhöht. BIM beschreibt eine Methode der optimierten Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden. Die Grundlage der BIM Methodik ist ein 3D-Gebäudemodell, ein digitaler Zwilling, welches in eine BIM Software eingepflegt und bemustert wird. Mit Hilfe einer intelligenten Objektdatenbank können automatische Massen- und Mengenermittlungen generiert werden. Um den steigenden Kundenerwartungen, höheren technischen Anforderungen und sinkender Qualität von Handwerkern Herr zu werden, müssen die Abläufe auf der Baustelle strukturiert und stärker standardisiert werden (LEAN).

So wird der Bauleiter in die Lage versetzt, die Baustelle vorausschauend zu steuern und Probleme zu vermeiden, bevor diese auftreten. In der Planungsphase wird in verschiedenen Workshops ein möglichst reibungsloser Taktplan entwickelt. Ziel ist es Ausführungsschwierigkeiten und Behinderungen zu erkennen und vorbeugend zu klären.

Können Sie Ihre Vorgehensweise beschreiben?

Sie ist in drei wesentliche Kriterien gegliedert:

1. Taktplanung und Steuerung.

2. Schlanke Projektabwicklung.

3. Visualisierung und Regelkommunikation.

In der Planungsphase wird in verschiedenen Workshops ein möglichst reibungsloser Taktplan entwickelt. Ziel ist es, Ausführungsschwierigkeiten und Behinderungen zu erkennen und vorbeugend zu klären. Im Anschluss werden alle internen Aufgabenpakete pro KW geplant und Abhängigkeiten zu Schnittstellenabteilungen im Taktplan dargestellt. In den Vergabegesprächen kann somit sehr konkret auf die Ressourcenplanung des Handwerkers eingegangen werden.

Eine Visualisierung mittels Whiteboard und 6-Wochen-Vorschau wird auf der Baustelle eingerichtet. Die Takttafel dient als Steuerungswerkzeug zur detaillierten Betrachtung der anstehenden Arbeiten (Wochen/Tagesbasis) unter Berücksichtigung der aktuellen Baustellensituation (Hindernisse, Ressourcen, Störungen, etc.). Die Besprechung an der Takttafel findet wöchentlich zu standardisierten Uhrzeiten mit allen auf der Baustelle befindlichen Handwerkern statt. Diese Vorgehensweise fördert eine partnerschaftliche Kooperation mit unseren Handwerkern und weiteren Baupartnern.

Bisher wenden wir diese Methodik an drei Projekten mit insgesamt neun Bauabschnitten an. Die Befähigung neuer Projektteams wird intern von einem erfahrenen Team sowie einer zentralen Position umgesetzt.

Da wir uns bei der Ausweitung von Lean Methoden in der Bauindustrie noch am Anfang befinden, gibt es ein sehr großes Entwicklungspotenzial. Dies macht wiederum einen schnellen und zuverlässigen Austausch zwischen den verschiedenen Projektteams erforderlich.

Wie ist der aktuelle Stand?

Wir konnten im vergangenen Jahr sowohl die Taktplanung als auch die Regelkommunikation auf der Baustelle weiterentwickeln. Aus den Erfahrungen in den Projekten sowie Workshops wurden weitere Potenziale aufgedeckt. Als nächstes Ziel möchten wir die Takttafel auf der Baustelle sowie die Projektleitertafel digitalisieren. Ein besserer und ganzheitlicher Austausch zwischen Baustelle und wöchentlicher Projektbesprechung kann gewährleistet werden. Die Maßnahmen werden durch eine zentrale Position in enger Abstimmung mit den Projekt- und Bauleitern umgesetzt.

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person:

Matthias Krieger, Jahrgang 1962, hat 1992 das vielfach ausgezeichnete Unternehmensgruppe Krieger + Schramm (K+S) gegründet. Er ist Unternehmer, Stifter, Autor und ehemaliger Leistungssportler. Für das Hochbauunternehmen mit Hauptsitz in Dingelstädt und Niederlassungen in Kassel, Frankfurt/Main, München und Berlin ist unternehmerischer Erfolg eng mit einer wertebasierten Unternehmenskultur verbunden, die Partnerschaft, Dialog, Transparenz und Leistung fördert. Als Referent, Stifter und Autor gibt Krieger seine jahrelange Erfahrung als Unternehmer und Leistungssportler weiter. Buchpublikationen: „Die Lösung bist Du! Was uns wirklich voranbringt“ (BusinessVillage Verlag 2011) und „Praxiswissen Eigentumswohnung: Was Sie vor dem Kauf einer Neubauwohnung wissen sollten“ (BusinessVillage Verlag 2020).

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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