Nachhaltigkeit als zentrales Entscheidungskriterium in Politik und Wirtschaft
Zur Nachhaltigkeitsstrategie der Landesregierung Baden-Württemberg
Die Landesregierung Baden-Württemberg hat mit ihrer Neuausrichtung der Nachhaltigkeitsstrategie im Jahr 2011 „Nachhaltigkeit zum zentralen Entscheidungskriterium ihres Regierungs- und Verwaltungshandelns gemacht“, sagt Franz Untersteller, Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg. Auch die Verabschiedung eines Klimaschutzgesetzes und die Umsetzung eines Integrierten Klimaschutz- und Energiekonzeptes sind wichtige Schritte, die Energiewende hier konsequent umzusetzen. Letztere wird durch zwei wesentliche Motive vorangetrieben: Umsetzung des Vorsorgeprinzips im Bereich der Energieversorgung und Aufbau eines langfristig beherrschbaren, umweltfreundlichen und bezahlbaren Energiesystems. Allerdings kann die Energiewende nur gelingen, wenn die Menschen im Land und die Unternehmen aktiv an diesem Prozess beteiligt werden. So werden beispielsweise im Rahmen der Nachhaltigkeitstage in ganz Baden-Württemberg Ideen und Projekte z. B. durch Verbände, Vereine, Unternehmen und Schulen sichtbar gemacht. Besonders relevante Zielgruppen werden über drei spezifische Initiativen aktiv in die Nachhaltigkeitsstrategie eingebunden:
• Wirtschaft
• Jugend
• Kommunen.
Um Unternehmen bei diesem Transformationsprozess zu unterstützen, setzt das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft verschiedene Maßnahmen um. So wurde die WIN!-Charta vom Umweltministerium gemeinsam mit dem Initiativkreis der Wirtschaftsinitiative (WIN) im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie Baden-Württemberg entwickelt. Konzipiert ist sie speziell für KMUs. Sie zeichnet sich durch gute Umsetzbarkeit und angemessenen Aufwand aus und soll vor allem kleineren Unternehmen den Einstieg in ein strukturiertes Nachhaltigkeitsmanagementsystem erleichtern. Die WIN!-Charta besteht aus zwölf Leitsätzen, die inhaltliche Aspekte der Nachhaltigkeit (Ökonomie, Ökologie und Soziales) abdecken, gemeinsame Grundwerte formulieren und Orientierung für die Umsetzung im regionalen und lokalen Kontext bieten.
Was Unternehmen über die WIN!-Charta wissen sollten
• Durch die Unterzeichnung verpflichten sich Unternehmen öffentlich zu der in den Leitsätzen formulierten Werthaltung sowie zu den aus den Leitsätzen abgeleiteten Zielen.
• Bereits bei der Unterzeichnung benennen die Unternehmen ein baden-württembergisches WIN!-Projekt aus ihrer Region, das sie fördern werden.
• Die Unternehmen versprechen eine kontinuierliche Verbesserung im Bereich Nachhaltigkeit.
• Die Unterzeichner erklären sich bereit, über die ergriffenen Maßnahmen in einem regelmäßigen Turnus schriftlich Rechenschaft abzulegen.
• Alle Unterzeichner werden auf der WIN-Website gelistet und erhalten ein WIN!-Charta Unterzeichnerlogo, mit dem sie ihre Nachhaltigkeitsanstrengungen öffentlichkeitswirksam kennzeichnen können.
Auch wenn für Unternehmen in Baden-Württemberg Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert hat, so sind nur wenige darin schon echte „Champions“, wie Studierende der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen in Zusammenarbeit mit der Kommunikationsagentur <em>faktor vor einigen Jahren in einer Umfrage herausfanden. Ihre Studie diente auch dazu, eine Unternehmens-Typologie der Nachhaltigkeit zu entwerfen. Anhand eines Kriterienkatalogs ergaben sich vier Typen: die Spätzünder, die Mitläufer, die Fleißigen und die Champions. Danach sind mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen den Kategorien „Spätzünder“ und „Mitläufer“ zuzuordnen, da sie keine oder nur vereinzelte Nachhaltigkeitsmaßnahmen umsetzen. Knapp die Hälfte schaffte es in die beiden besseren Kategorien, sind also Fleißige oder „Champions“. Sie haben ein strategisches Nachhaltigkeitsmanagement quer über alle Unternehmensbereiche installiert, haben klar geregelt, wer im Unternehmen dafür verantwortlich ist, sie vermeiden konsequent Umweltbelastungen, legen bei der Auswahl ihrer Lieferanten und Dienstleister strenge Kriterien an und kommunizieren transparent das, was sie tun.
Am Beispiel der WIN!-Charta zeigt sich in besonderer Weise, dass es eine Vielzahl von Möglichkeiten für Unternehmen gibt, unkompliziert in ein Nachhaltigkeitsmanagement einzusteigen.
Im Februar 2015 unterzeichnete die Mader GmbH & Co. KG ebenso wie mehr als 50 weitere Unternehmen aus Baden-Württemberg die WIN!-Charta. Am Beispiel dieses Unternehmens zeigt sich: Wer mit Umweltmanagement seinen Energie- und Rohstoffverbrauch senkt, stärkt nicht nur die eigene Wettbewerbsfähigkeit, sondern trägt auch dazu bei, unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu sichern. „Das öffentliche Bekenntnis zu nachhaltigem Wirtschaften gibt unseren intern formulierten Nachhaltigkeitszielen ein noch stärkeres Gewicht“, sagte Werner Landhäußer, damals geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens, das nachhaltige Gesamtkonzepte für eine energieeffiziente Drucklufterzeugung und -nutzung anbietet.
Der Fokus liegt auf den Leitsätzen „Energie und Emissionen“ und „Anreize zum Umdenken“. Stefanie Kästle, damals noch Leiterin Qualitäts-, Umwelt- und Energiemanagement und heute Mitglied der Geschäftsführung, verwies auf eine Reihe interner Maßnahmen, die geplant waren und bis heute umgesetzt wurden: „Ganz oben auf der Liste steht die Senkung des unternehmensinternen Energieverbrauchs. Hier kann jeder Einzelne im Unternehmen dazu beitragen. Mit entsprechender Information, Schulung und Motivation der Kolleginnen und Kollegen erhoffen wir uns hier gute Verbesserungen.“ Als externes Nachhaltigkeitsprojekt plante das Unternehmen die weitere Intensivierung der Bildungspartnerschaft mit zwei lokalen Schulen geplant. Ziel war es, den Schülern Wissen zur Berufswahl, zur Bewerbung und zum praktischen Einstieg in das Berufsleben zu vermitteln. Aktuelle Aktivitäten, Strategien und Ziele finden sich im Nachhaltigkeitsbericht des Unternehmens.
Der süddeutsche Druckluft- und Pneumatikspezialist Mader ist für den „Umweltpreis für Unternehmen 2020“ in der Kategorie „Handel und Dienstleistungen“ nominiert.
Für Umweltminister Franz Untersteller sind die 17 bisher nominierten Unternehmen „Vorbilder für eine umweltorientierte Unternehmensführung“, die zugleich die Freiheit der Mitarbeiter achtet und sie durch Werte und personale Führungskompetenz zu gewinnen sucht. Mader gehört zum zweiten Mal zum Kreis der Nominierten. Bei der Vergabe des Preises steht im Vordergrund, dass das Unternehmen unter den Gesichtspunkten des Umwelt- und Klimaschutzes, der Ressourcenschonung sowie der Energieeffizienz als beispielhaft und wegweisend eingestuft werden kann. Der Umweltpreis für Unternehmen wird seit 1993 verliehen. Bis 2002 erfolgte die Preisverleihung im jährlichen Turnus, seitdem wird der Preis alle zwei Jahre vergeben. In diesem Jahr findet der Wettbewerb zum 19. Mal statt. Er richtet sich an Unternehmen und Selbstständige aus Industrie, Handel, Handwerk und Dienstleistung. Seit 2016 wird auch ein Sonderpreis für Non-Profit-Organisationen vergeben. Die insgesamt sechs Preise sind mit jeweils 10.000 Euro dotiert, die in den betrieblichen Umweltschutz investiert werden müssen.
2014 überreichte Untersteller dem Echterdinger Unternehmen erstmals den von der Landesregierung ausgelobten Preis. 2020 bewarb sich Mader als ehemaliger Preisträger erneut. Die Sieger des Wettbewerbs werden bei der Preisverleihung am 9. Dezember 2020 in Stuttgart bekanntgegeben. Seit der ersten Nominierung hat sich viel getan. „Wir sind viele kleine und große Schritte in Richtung Energieeffizienz und Nachhaltigkeit gegangen “, sagt Geschäftsführerin Stefanie Kästle. Einer der großen unternehmensinternen Meilensteine war der Umzug in das neue energetisch optimierte Firmengebäude mit der weithin sichtbaren Photovoltaikfassade.
„Damit decken wir rund 60 Prozent unseres Energiebedarfs. Mit der Digitalisierung von Unternehmensprozessen konnten wir zudem unseren Papier-verbrauch drastisch senken. Auch unser Produkt- und Leistungsportfolio haben wir weiterentwickelt: Wir haben die Leckage-App auf den Weg gebracht, mit der Druckluft-Leckagen dokumentiert sowie wirtschaftlich und ökologisch bewertet werden können“, so Kästle. Mit „AirXpert“ wurde ein Dienstleistungspaket entwickelt, das speziell auf die Reduktion des Druckluftverbrauchs abzielt. Ein wesentlicher Baustein davon ist das Druckluft-Audit, mit dem Drucklufteinsparpotenziale beim Kunden ermittelt werden. „Das Audit ist – weltweit einmalig - nach DIN EN ISO 11011 zertifiziert. Und das sind nur die größeren Maßnahmen.“
Der nachhaltige Weg ist für Stefanie Kästle kein Sprint, sondern eher ein Marathon: „Man braucht einen langen Atem. Und gerade in einem herausfordernden Jahr wie diesem, sind kleine und große Erfolge wie Energieschübe.“ Zwei Mal landete Mader unter den Top 3 für den „Deutschen Nachhaltigkeitspreis“ (2015, 2018) und gehörte 2017 zu den „100 Betrieben für Ressourceneffizienz“. 2019 erhielt Mader am neuen Firmenstandort in Echterdingen von Umweltminister Franz Untersteller die Auszeichnung als „Ort voller Energie“.
Die Erfolge bestärken Mitarbeiter und Führungskräfte, den eingeschlagenen Weg noch konsequenter zu gehen. 2019 wurden Energieeffizienz und Nachhaltigkeit als zentrale Eckpfeiler in der Unternehmensmission und -vision integriert. Die neue Nominierung bestärkt das Unternehmen darin, seinen Weg als nachhaltiges Unternehmen weiterzugehen, der oft unbequemer und mit mehr Aufwand verbunden ist.
Weiterführende Literatur:
Ulrike Böhm: Die Macht der kleinen Schritte. Wie man als mittelständisches Unternehmen zum Klimaretter wird. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.
Ulrike Böhm: Ein Mittelständler digitalisiert sich – Von Erfolgen, Hürden und Nachhaltigkeit. In: CSR und Energiewirtschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. 2. Auflage 2019.
Stefanie Kästle und Werner Landhäußer: Druckluft 4.0 goes green: Herausforderungen, Chancen und innovative Lösungen am Beispiel der Mader GmbH & Co. KG. In: CSR und Digitalisierung. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. 2. Auflage 2020.
Franz Untersteller: CSR und Energiewirtschaft aus baden-württembergischer Perspektive. In: CSR und Energiewirtschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2016.