Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in der Baubranche
Die Baubranche gehört zu den ressourcenintensivsten Sektoren unserer Wirtschaft und kommt deshalb am Thema Nachhaltigkeit nicht mehr vorbei.
Die Betonproduktion ist weltweit für etwa sechs Prozent (in der Schweiz für neun Prozent) der CO2-Emissionen verantwortlich. Auch Zement muss umweltfreundlicher werden. Deshalb arbeiten Empa-Forscher an einem alternativen Baustoff, der weniger Emissionen verursacht oder das Treibhausgas Kohlendioxid binden kann. Neben der Herstellung primärer Rohstoffe wird künftig aber auch die Wiederverwertung bereits verwendeter Materialien als gängige Beschaffungsmethode in der Bauwirtschaft immer wichtiger.
Schon 2018 forderte der ehemalige Bundesumweltminister Prof. Klaus Töpfer auf der Mitgliederversammlung des Instituts Bauen und Umwelt (IBU) eine Kreislauwirtschaft in der Baubranche, die auf Ressourceneffizienz, langfristige Nutzungszeiten von Produkten und dynamische Produktentwicklungen setzt: „Wir werden uns eine lineare Wegwerfwirtschaft nicht mehr leisten können.“ Inzwischen fordert auch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), umgehend neue zementbasierte Materialien, die klimafreundlicher und kostengünstig sind, zu entwickeln und einzusetzen.
Für eine ressourcenschonende und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Kreislaufwirtschaft setzt sich ebenfalls das Umweltbundesamt (UBA) ein. Die Verwendung von Sekundärrohstoffen und Recyclingprodukten im Neubau und bei Modernisierungsmaßnahmen schont die Rohstoffressourcen. Nur so können natürliche Rohstoffe und Deponieraum eingespart und die Ziele des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, der europäischen Abfallrahmenrichtlinie oder des Deutschen Ressourceneffizienzprogramms (ProgRess II) erreicht werden.
Viele in der Bau- und Immobilienbranche Beteiligten übernehmen schon seit Jahren verstärkt Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt.
Vor fast zehn Jahren verpflichtete sich beispielsweise die Geschäftsleitung von Rinn Beton- und Naturstein, eine Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln und alle unternehmerischen Entscheidungen daran auszurichten. Seit 2014 produziert Rinn als erster Hersteller von Betonsteinprodukten an allen Produktionsstandorten in Hessen und Thüringen CO2-neutral. Dies wurde vor allem durch die Eigenstromerzeugung in der werkseigenen Photovoltaikanlage, eine Geothermieanlage sowie die Wärmerückgewinnung bei der Drucklufterzeugung erreicht. Darüber hinaus gehender Strombedarf wird durch den Bezug von Ökostrom aus Wasserkraft gedeckt. Außer der CO2-neutralen Produktion werden auch die Rohstoffe bei Rinn CO2-neutral angeliefert. Seit 2016 ist auch eine klimaneutrale Produktauslieferung gewährleistet.
Neben einer ressourcenschonenden und klimafreundlichen Produktion sind vor allem Qualität und Langlebigkeit wichtige Kennzeichen nachhaltiger Baustoffe.
Durch die lange Lebensdauer der Betonsteinprodukte werden die Kosten für Instandhaltung und Wartung während der Nutzung reduziert. Auf die Produktqualität bietet das Unternehmen im privaten Hausgarten eine 30-jährige Garantie. Um einer zunehmenden Ressourcenverknappung zu begegnen, wird hier seit 2015 dem Kernbeton der Produkte 5 % Recyclingmaterial zugemischt – bei gleichbleibender Produktqualität. Außerdem wurde an einem Betonstein-Prototyp mit bis zu 50 % Recyclinganteil geforscht. Auch beim Baudienstleister und Projektentwickler Krieger + Schramm gehört Nachhaltigkeit zum Kerngeschäft (Einsatz gesunder Baustoffe, Nachhaltigkeit der Materialien über den gesamten Produktzyklus hinweg etc.) Bei der Auswahl der Baustoffe wird nicht nur auf die Wohngesundheit und die Umweltverträglichkeit der Materialien geachtet, sondern auch darauf, dass sie sich von den Mitarbeitern gefahrlos verarbeiten lassen. Baubiologen beraten Kunden und Interessierte, um den Eintritt von Radon ins Wohnhaus zu reduzieren und durch die Wahl von geeigneten Baustoffen und Bautechniken das persönliche Risiko zu minimieren. Ein fachkundiges Netzwerk mit eigener Dienstleistungsstruktur sorgt dafür, den nachhaltigen Ansprüchen an die Bauprojekte gerecht zu werden.
Matthias Krieger, geschäftsführender Gesellschafter von Krieger + Schramm, hat außerdem eine Checkliste zum Thema entwickelt, die in seinem Buch „Praxiswissen Eigentumswohnung“ enthalten ist: Sind die Baustoffe hinsichtlich ihrer Unbedenklichkeit geprüft und zertifiziert? Sind Bauleiter, Baupartner und Handwerker im wohngesunden Bauen geschult? Welche Referenzen und Qualitätssiegel hat der Bauträger vorzuweisen?
Einen guten Überblick gibt auch das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB):
• verbindliche Anforderungen an die Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit sowie die Beachtung sozialer Aspekte von Gebäuden
• Dokumentation der stofflichen Zusammensetzung von Bauwerken
• Anforderungen an die Rückbau- und Recyclingfreundlichkeit von Bauteilen
• Vorgaben zum selektiven Rückbau.
Nach eigenen Angaben ist das Institut Bauen und Umwelt (IBU) der größte Zusammenschluss von Herstellern der Baustoffindustrie, der sich für nachhaltiges Bauen einsetzt. Es veröffentlicht Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs), die auf Basis von Ökobilanzen die Umweltwirkungen von Bauprodukten sowie ihre funktionalen und technischen Eigenschaften beschreiben. Dabei wird der gesamte Lebenszyklus des Bauprodukts einbezogen. EPDs sind deshalb eine wichtige Grundlage für die Nachhaltigkeitsbewertung von Bauwerken - wie sie zum Beispiel von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) durchgeführt werden.
Weiterführende Informationen:
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Circular Thinking 21.0: Wie wir die Welt wieder rund machen. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.
Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. SpringerGabler Verlag. Heidelberg, Berlin 2020.
Matthias Krieger: Praxiswissen Eigentumswohnung: Was Sie vor dem Kauf einer Neubauwohnung wissen sollten. BusinessVillage Verlag, Göttingen 2020.