Nachhaltigkeitsberichte: Wie wird Glaubwürdigkeit visuell dargestellt?
Nachhaltigkeit ist keine zusätzliche Maßnahme, sondern eine übergreifende Perspektive und eine Haltung, aus denen heraus das Kerngeschäft von Unternehmen betrieben werden sollte. Während Werte das Selbstverständnis (Ethos) konstituieren, sind die gelebten Leitbilder von Unternehmern von hoher Relevanz für ihre Verhaltensmuster. Sie geben Handlungsorientierung und wirken (sofern sie glaubhaft gelebt werden) als Commitment, sind damit nicht zuletzt eine wesentliche Grundlage für Vertrauen. Entscheidend für das Funktionieren sämtlicher Unternehmensprozesse sind die richtigen Management- und Navigationssysteme sowie eine Nachhaltigkeitsstrategie. Ein integrierter Bestandteil des Nachhaltigkeitsprozesses ist die Kommunikation.
Nachhaltigkeitsberichte führen die Tradition transparenter Kommunikation fort, die ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur sein sollte:
Sie beinhalten Aktivitäten, Strategien, Maßnahmen und Ziele des Unternehmens.
Sie bieten zahlreiche Mehrwerte: Medien und Kunden werden durch die Zusatzinformationen hinter den Zahlen auf das Unternehmen aufmerksam, der Grad der Kundenbindung bei Stammkunden kann erhöht werden, und es wird die Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen gestärkt. Außerdem ist gesellschaftliches Engagement auch ein entscheidendes Kriterium für potenzielle Nachwuchs-Führungskräfte und Mitarbeitende.
Sie sind ein wichtiger Bestandteil unternehmerischer Entscheidungsgrundlagen, weil sie eine Erweiterung der Risikoanalyse darstellen.
Sophie Heins geht in ihrer designrhetorischen Studie „Vom Ethos in Nachhaltigkeitsberichten“ deshalb der Frage nach, mit welchen visuell-rhetorischen Mitteln Glaubwürdigkeit in Nachhaltigkeitsberichten erzeugt wird. Als Kommunikationsdesignerin interessieren sie vor allem Fragen zur Konzeption und Gestaltungspraxis von Nachhaltigkeitsberichten: Wie wird visuell argumentiert? Welche gestalterischen Mittel überzeugen in Nachhaltigkeitsberichten und welche bewirken eher das Gegenteil? Dazu analysiert sie die Wirkungen der Designelemente sowie ihr Zusammenspiel, und stellt visuelle Argumentationsarten vor, die eine neue Sicht auf Nachhaltigkeitsberichte ermöglichen. Ihre These: Nachhaltigkeitsberichte argumentieren auf der visuellen Ebene vor allem mithilfe von ethos, „also mit der Darstellung eines tugendhaften Charakters, wobei diese Argumentation durch sachlich-logische und emotionale Elemente (logos und pathos) gestärkt wird.“
Zudem geht sie darauf ein, wie sich die Gestaltung von Nachhaltigkeitsberichten historisch entwickelt hat und veranschauliche dies am Beispiel zweier Konzerne, um das heutige Design von Nachhaltigkeitsberichten beurteilen und besser einordnen zu können. Schade ist, dass die Nachhaltigkeitsberichte des Mittelstands nicht berücksichtigt werden, denn die Konzernberichte werden kaum im eigenen Haus umgesetzt. Oft übernimmt eine Agentur gleich für mehrere Unternehmen die Umsetzung des Reportings, was dazu führt, dass sich die Berichte kaum voneinander unterscheiden. Um zu sehen, was Ethos im Sinne eines glaubwürdigen und wertorientierten Charakters der berichtenden Unternehmen wirklich bedeutet, lohnt beispielsweise ein Blick auf den süddeutsche Druckluft- und Pneumatikspezialisten Mader, der gerade zum vierten Mal in Folge einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht hat. Thematische Schwerpunkte in den Berichtsjahren 2019 und 2020 sind die Change-Initiative „Mader NEXT LEVEL – Agenda 2025“, die Mitarbeiterzufriedenheit sowie die erstmalig veröffentlichte Treibhausgas-Bilanz. Auch die Heraus-forderungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie sind Thema der Publikation, die keine Stockfoto-Ästhetik aufweist, sondern „echte“ Fotos der Mitarbeitenden enthält. Tabellen und Diagramme, Typografie, Illustrationen und Icons sind so angelegt, dass alles, was das Unternehmen ausmacht, damit verbunden ist: Schon die ansprechende Architektur des Unternehmensgebäudes ist diesem Medium „eingeschrieben“ und findet sich hier im Kleinen mit sämtlichen Unternehmensbausteinen verzahnt. Solche Kunstgriffe gelingen vermutlich nur, weil sie „von innen“ kommen.
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Sophie Heins: Vom Ethos in Nachhaltigkeitsberichten. Wie wird Glaubwürdigkeit visuell dargestellt? Eine designrhetorische Analyse. trancsript Verlag, Bielefeld 2022.
Alexandra Hildebrandt und Stefanie Kästle: Nachhaltigkeit und Digitalisierung im Mittelstand. In: CSR und Digitalisierung. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. Springer Verlag GmbH Deutschland 2021.