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Naturnahes Leben und Arbeiten: Zur Bedeutung des biophilen Designs

Wörtlich übersetzt aus dem Altgriechischen ist es „die Liebe zum Leben“. Der Begriff wurde zuerst vom Psychoanalytiker Erich Fromm eingeführt, der bemerkte, dass die Biophilie die „leidenschaftliche Liebe zum Leben und allem Lebendigen“ ist. 1984 nutzte ihn der amerikanischen Biologe Edward O. Wilson in seiner Arbeit „Biophilia”, in der er die These formulierte, dass eine genetische Basis der Grund ist, warum sich Menschen mit der Natur und anderen Lebewesen so verbunden fühlen. In seinem Buch „Die Biophilie-Hypothese“ (1993) argumentiert er, dass biophiles Design biologische Vielfalt miteinbezieht und sich nicht nur auf die physische Form beschränkt. Es regt auch unsere Sinne und Emotionen an und trägt zum Wohlbefinden jedes Einzelnen bei. Biophiles Design dient Designern und Entscheidungsträgern als ein wesentlicher Bestandteil und Ansatzpunkt bei der Gestaltung von neuen Umgebungen.

Bereits die frühesten Zivilisationen verwendeten biophile Elemente in ihrer Architektur (Tieren in der ägyptischen Architektur, blühenden Akanthusblätter an griechischen Tempelsäulen, Lotusteiche im alten China, hängende Gärten von Babylon). Jahrtausendelang lebten die Menschen in engem Kontakt mit der Natur und verbesserten ihre Lebens- und Arbeitsweise. Mit der industriellen Revolution begann die Entfremdung mit der Natur, und immer mehr Menschen lebten in Städten. Im Kontext von Architektur sowie Designprojekten vor allem im urbanen Bereich ist die Verbindung zur Natur immer mehr verloren gegangen. Das hat Architekten dazu veranlasst, neue Wege zu finden, um die Natur wieder mit der vom Menschen geschaffenen Umgebung zu vereinen und die Verbindung zwischen beiden zu stärken. Im späten 19. Jahrhundert experimentierten Architekten wie Victor Horta und Antoni Gaudí erneut mit pflanzlichen Formen, was zu einer Rückkehr des biophilen Designs in die Architektur führte.

Biophiles Design kann in einen Raum, ein komplettes Gebäude oder sogar in ein Stadtviertel oder eine ganze Stadt integriert werden. Im Sommer verwandelt die Stadt San Francisco beispielsweise Parkplätze in Pop-up-Parks (Parklets, während die Menschen in Singapur von Subventionen für begrünte Fassaden und Dächer profitieren können. Flachdächer zu bepflanzen, trägt neben dem positiven Effekt auf das Mikroklima auch zu einer höheren Biodiversität bei. Zudem verbessern Grünflächen und begrünte Dächer durch ihre Schwammstruktur den Wasserrückhalt, was bei Starkregenereignissen die städtische Kanalisation entlasten kann und Überschwemmungen verhindert. Je nach Pflanzenauswahl und gewähltem System bietet die Fassadenbegrünung, die boden- oder wandgebunden sein oder eine Mischform aus beidem sein kann, saisonal oder ganzjährig weitere Vorteile: Im Sommer kann sie das Raumklima durch natürliche Verschattung auch bei sehr hohen Temperaturen angenehm kühl halten. Im Winter kann sie als natürliche Dämmung fungieren und den Heizbedarf auch bei mäßig gedämmten Häusern drastisch reduzieren. Auch ein unmittelbarer Nutzen für Bewohner oder Nutzer des Gebäudes sowie der unmittelbaren Umgebung ist gegeben: Filtern von Feinstaub, Regenrückhalt und kühlender Effekt (Wasser gelangt bei Starkregen verzögert in die Kanalisation).

  • Verbesserung der kognitiven Funktionen und Kreativität

  • positiver Einfluss auf die Stimmung

  • physiologische Vorteile: niedrigerer Blutdruck, weniger Ausschüttung von Stresshormonen wie Cholesterin, Förderung einer schnelleren Heilung, Vorbeugung von Krankheiten, Verkürzung von Genesungszeiten

  • Verringerung des Einsatzes von Schmerzmitteln

  • Verbesserung der allgemeinen Gesundheit.

Wirtschaftliche und soziale Vorteile:

  • weniger Fehlzeiten und Gesundheitsprobleme

  • Senkung der Kriminalitätsrate

  • weniger Energiekosten (mehr Tageslicht)

  • Freude an der Arbeit und höhere Produktivität

  • Wettbewerbsvorteil für Unternehmen (Immobilien mit biophilem Design erzielen z.B. einen höheren Verkaufspreis)

  • Stärkung des Gemeinschaftsgefühls und des Naturschutzes.

Vorteile für die Umwelt:

  • Filterung der Luft durch zusätzliche Vegetation

  • Verringerung des städtischen Wärmeinseleffekts

  • Verminderung der Lärmbelastung.

Forschende haben Biophilie klassifiziert, wie Biophilie im Design eingesetzt werden kann. Am häufigsten wird die Klassifizierung von Catherine O. Ryan, William D. Browning, Joseph O. Clancy verwendet. Sie listen 14 verschiedene Gestaltungsprinzipien auf, die in der Natur zu finden sind und die für biophiles Design verwendet werden können:

1. Visuelle Verbindung zur Natur

2. Nicht-visuelle Verbindung zur Natur

3. Unregelmäßige sinnliche Reize

4. Sich ändernde Temperatur- und Luftverhältnisse

5. Vorhandensein von Wasser

6. Dynamisches und diffuses Licht

7. Verbindung zu natürlichen Systemen

8. Biomorphe Formen und Muster

9. Material mit Bezug zur Natur

10. Komplexität und Ordnnnvnfhen Systemen

11. Aussicht/Übersicht

12. Rückzug/Zuflucht

13. Geheimnis/Versteck

14. Risiko/Gefahr.

Für die Umsetzung von biophilem Design muss kein großer Aufwand betrieben werden. Auch immer mehr Unternehmen wollen ihren Beschäftigten ein Arbeitsumfeld bieten, in dem sie sich wohlfühlen. Das möchte auch die Stiftung DIE GRÜNE STADT fördern. Mit dem Wettbewerb „FirmenGärten“, den die Stadt Hannover 2002 ins Leben rief, setzt die Stiftung Impulse zur Steigerung der „Grünqualität“ auch im Unternehmensbereich. Ein Bündnis aus regionalen Partnern hat den Wettbewerb ins Leben gerufen. Er soll zeigen, wie Unternehmen in der Stadt zunehmend auf eine grüne Arbeitsumgebung setzen und wie individuell sie ihre Eingangs- oder Aufenthaltsbereiche, Dachgärten, Terrassen oder Firmengelände grün gestalten und nutzen.

Unternehmen können auch schon kleinste Änderungen an einem Raum vornehmen, die sich positiv auf Umgebung und Nutzer auswirken können. In den drei kuppelförmigen Gebäuden (The Spheres) auf dem Amazon-Campus im Zentrum von Seattle können sich Mitarbeitende in Baumhäusern, in Sitzbereichen unter mehr als zwölf Meter hohen Bäumen, versammeln. Zudem gibt es Pfade entlang rauschender Wasserfälle. Im Mittelpunkt stehen Pflanzen, Bäume, Sonnenlicht, Erde und Wasser. Viele Pflanzen wurden aus botanischen Gärten, Baumschulen und Naturschutzprogrammen aus aller Welt zusammengetragen. Insgesamt neun Themengärten mit bis zu neun Meter hohen Bäumen befinden sich beispielsweise im Commerzbank Tower, der von Sir Norman Foster entworfenen Firmenzentrale der Commerzbank in Frankfurt am Main. Die Glasarchitektur der Firmenzentrale von Google in Kalifornien soll den Mitarbeitenden das Gefühl vermitteln, dass sie sich in der freien Natur befänden, weil sie hier Ruhe und Entspannung empfinden.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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