Neobank: Der irre Streit zwischen N26 und Betriebsräten
Der Konflikt zwischen der Onlinebank und Arbeitnehmer-Vertretern eskaliert: Interne Mails dokumentieren ein zerrüttetes Verhältnis, das Management will einen Betriebsrat auflösen.
Vor knapp fünf Jahren verfasste das Management der Berliner Neobank N26 eine E-Mail, die manch einer als Paradebeispiel sieht: für ein äußerst fragwürdiges Verständnis von Unternehmensführung. Das Schreiben handelte davon, inwiefern Arbeitnehmer Einfluss auf Firmenentscheidungen nehmen sollten. Die klare Antwort der N26-Führungsebene: am besten gar keinen.
So hieß es in der Mail, ein Betriebsrat stünde „gegen fast alle Werte, an die wir bei N26 glauben“. Ein solches Gremium untergrabe eine Kultur des Vertrauens, verlangsame Entscheidungen und mache alles komplizierter. Und so war es aus der Warte des Managements nur folgerichtig, dass die Bankspitze versuchte, die Gründung des Betriebsrats bei N26 juristisch zu verhindern – allerdings ohne Erfolg.
Ein halbes Jahrzehnt später lässt sich festhalten: Die Beziehung zwischen der Führungsriege und mindestens einigen Betriebsräten hat sich seitdem kein Stück verbessert. Im Gegenteil: Immer neue Anfeindungen haben einen tiefen Keil zwischen N26 und Arbeitnehmervertreter getrieben. Inzwischen darf das Verhältnis sogar als vergiftet gelten, wie diverse interne Mails aus den vergangenen Monaten offenbaren. Sie wurden der WirtschaftsWoche zugespielt.
Die Mails dokumentieren den Dauerkonflikt zwischen Betriebsräten und den N26-Managern – und zwar in einem Ausmaß, das bislang öffentlich nicht bekannt war. In den Dokumenten geht es um Ärger beim Thema Homeoffice, um überlastete Mitarbeiter und sogar um Überwachungsvorwürfe. N26 kontert die Kritik auf durchaus überraschende Weise: Das Start-up zerrt Betriebsräte vor das Arbeitsgericht. Aber: Hat das Unternehmen nicht eigentlich genug Probleme?
Schon seit einiger Zeit ist der Führungsriege der Onlinebank klar, dass sich N26 mit neuer Kritik der BaFin herumschlagen muss. Dabei hatte die Finanzaufsicht bereits zweimal einen Sonderbeauftragten eingesetzt und das Kundenwachstum aufgrund potenzieller Geldwäsche-Risiken zwischenzeitlich stark reglementiert. Nun aber hat die Behörde neue Mängel, unter anderem im Risikomanagement, aufgetan, berichtete die WirtschaftsWoche am Mittwoch.
Und als wäre das nicht genug, arbeiten Investoren auch auf eine Abdankung der N26-Gründer Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal hin. Zuerst hatte das Manager Magazin diesen Konflikt rapportiert.
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Überbordende Kontrolle bei N26?
Zugegeben: So mancher Betriebsrat von N26 – dieser Eindruck entsteht bei der Lektüre des Schriftverkehrs – scheint nicht der einfachste Zeitgenosse zu sein. Auf der anderen Seite: Konflikte mit Arbeitnehmervertretern gibt es auch in anderen Unternehmen. Und doch kommt es selten vor, dass solche Auseinandersetzungen zu einer Großbaustelle für die Führungsebene mutieren. Mit der Folge, dass einer der erzürnten Betriebsräte schon vor einiger Zeit hellseherische Fähigkeiten bewies.
In einer Mail formulierte der Mann: „Es scheint, als steuere das Unternehmen auf eine selbstverschuldete Krise“ zu – was auch daran liege, dass die Onlinebank die Bedürfnisse der Mitarbeiter nicht ausreichend berücksichtige.
Da ist zum Beispiel die „Back to the office“-Ansage des Vorstandes. Mindestens zeitweise durften die Mitarbeiter der Kundenservice-Tochter offenbar nur 40 Prozent ihrer Arbeitszeit von zu Hause aus arbeiten, wenn sie dies vorher mit ihrem Vorgesetzten abgesprochen hatten. Ein für den Kundenservice zuständiger Arbeitnehmervertreter klagte deshalb, dass den Kollegen wegen der häufigen Fahrten ins Büro lange Pendelzeiten entstünden. Dabei seien die doch ohnehin „ausgemergelt“ und „überlastet“.
Nicht nur die Zeitregeln erzürnen den Betriebsrat, sondern vor allem die Art und Weise, wie die N26-Geschäftsführung versuchen soll, deren Einhaltung durchzusetzen. Die Arbeitnehmervertreter werfen der Chefetage überbordende Kontrolle vor und sehen die Gefahr, dass N26 „auf den Pfad in Richtung eines totalitären Unternehmens“ gerate.
Woran der Betriebsrat dieses Urteil festmacht: Angeblich würde das Management die Firmenausweise der Mitarbeiter auslesen, um deren Anwesenheit zu überwachen – sogenanntes Badge-Tracking. In einer Mail erwägt das Gremium deswegen rechtliche Schritte gegen N26. Eine Anfrage zu den Firmenausweisen ebenso wie zu weiteren Vorwürfen ließen die Betriebsräte unbeantwortet.
N26 dagegen reagiert auf eine Anfrage: Das Start-up dementiert aber nicht, die Ausweise seiner Mitarbeiter zu tracken. Stattdessen verlautbart eine Sprecherin von N26, „die Anwesenheit der Mitarbeitenden“ werde „rechtlich konform mit unserem Zugangskontrollsystem erfasst“. Die festgelegte Anzahl an Homeoffice-Tagen stärke die Unternehmenskultur. Und: Die Präsenzpflicht „bringt die Bedürfnisse unserer Mitarbeitenden in Einklang mit unseren Geschäftsanforderungen und unterstützt eine effektive Teamdynamik“, so die Sprecherin weiter. Neue Regeln würden – „soweit erforderlich“ – mit den Betriebsräten verhandelt.
N26 will Betriebsrat auflösen lassen
Auch Geld ist ein Streitthema zwischen Arbeitnehmervertretern und N26, wie aus einem Mailverkehr aus dem Oktober vergangenen Jahres hervorgeht. Der Hintergrund dieses Konfliktes: Der Betriebsrat der Kundenservice-Tochter forderte offenbar, dass N26 Überstunden mit 100-Prozent-Aufschlag bezahlt, wenn die Mitarbeiter dafür auf ihren Freizeitausgleich verzichten. Entschieden sich Angestellte dagegen für einen Ausgleichstag, sollte sich der Aufschlag auf 50 Prozent reduzieren, so das Ansinnen der Arbeitnehmer. Das Management aber entschied offenbar anders: Es gibt nur 25 Prozent Zuschlag für Überstunden sowie einen Ausgleichstag. „Dies liegt immer noch über dem, was in Deutschland üblicherweise angeboten wird“, argumentiert eine N26-Führungskraft in einer der Mails.
Zu dem Streitpunkt will sich N26 konkret nicht äußern, betont aber, das Start-up pflege eine „vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit“ mit Betriebsräten. Wirklich?
Längst hat der Kampf gegen die Arbeitnehmervertreter eine neue Eskalationsstufe erreicht. Laut einer Sprecherin der Berliner Arbeitsgerichte hat N26 ein Verfahren angestrengt, um den Betriebsrat der Kundenservice-Tochter aufzulösen oder zumindest dessen Vorsitzenden abzusetzen. Ein Gütetermin im Mai blieb ohne Ergebnis, teilt das Gericht auf Anfrage mit. Nun findet im Oktober ein Anhörungstermin statt (Aktenzeichen 20 BV 2531/25). N26 lehnt dazu eine Stellungnahme ab: „Zu laufenden Verfahren äußern wir uns grundsätzlich nicht“, sagt eine Sprecherin.
Die letzte Begegnung im Gerichtssaal ist indes nicht lange her. Im vergangenen Jahr klagten die Arbeitnehmervertreter darauf, Mitglieder für den Aufsichtsrat von N26 stellen zu dürfen. Diesen Wunsch hatte ihnen das Start-up verwehrt. Der Betriebsrat konnte die Richter aber nicht von seinem Ansinnen überzeugen. Eine Beschwerde dagegen wies das Berliner Kammergericht erst im Juni ab (Aktenzeichen 14 W 2/25 und 14 W 3/25).
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