Netzwerke bauen – aber wie?
Sabine Votteler, lange Jahre als Führungskraft in der Wirtschaft tätig, berät Menschen, die ihrer beruflichen Laufbahn eine neue Richtung geben wollen, bei der Neuorientierung. Ein gutes Netzwerk ist dafür unverzichtbar – und gerade jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um bestehende Kontakte zu pflegen.
Frage: Wer im Berufsleben steht und sich vielleicht jobmäßig noch einmal verändern möchte oder muss, kommt anscheinend um Business-Netzwerke nicht herum. Man hat den Eindruck, dass es heute kaum noch jemanden ohne LinkedIn- oder Xing-Profil gibt?
Sabine Votteler: Das täuscht. Ich berate und coache viele Menschen jenseits der 50, die sich beruflich neuorientieren wollen, aber es nach Jahrzehnten im Job versäumt haben, ein Netzwerk aufzubauen, auf das sie zurückgreifen könnten. Dabei sind Netzwerke, wie Sie sagen, eigentlich unverzichtbar, denn heutzutage arbeitet kaum noch jemand vom ersten Job bis zur Rente beim selben Unternehmen, in der selben Branche. Es braucht deshalb Menschen, von denen man etwas lernen kann, durch die man auch mal über den eigenen Tellerrand und vielleicht in eine andere Branche hineinschauen kann. Die Ihnen aber zum Beispiel auch Hinweise auf mögliche interessante Jobs geben und Sie weiterempfehlen können.
Das fällt Jüngeren vermutlich deutlich leichter als der Gruppe 50+?
Nicht unbedingt. Sicherlich haben Menschen, die sich schon seit vielen Jahren auf Facebook oder Instagram bewegen und sich dort mit Freunden und sonstigen Kontakten austauschen, weniger Probleme damit, sich auch über Businessnetzwerke zu connecten. Aber auch sie müssen unter Umständen erst einmal lernen, wie gezielte, berufliche Vernetzung funktioniert und wie man dafür kommuniziert.
Warum versäumen viele Berufstätige, ein Netzwerk aufzubauen?
Viele arbeiten jahrzehntelang festangestellt, sind von einem Job in den nächsten gewechselt, es hat immer alles prima funktioniert mit der Karriere. Bis es irgendwann nicht mehr „flutscht“, man unzufrieden im Job ist oder gar der Jobverlust droht, weil sich im Unternehmen gerade viel ändert. Viele übersehen oft, dass es wichtig wäre, regelmäßig Fortbildungen oder Business-Networking-Veranstaltungen zu besuchen oder sie wollen sich nicht die Zeit dafür nehmen. Beides sind aber, ebenso wie Tagungen oder Konferenzen, gute Kontaktbörsen.
Kann man das Versäumte nachholen?
Natürlich - es ist nie zu spät, um noch damit zu beginnen. Dafür muss man allerdings hin und wieder ein wenig Freizeit opfern, auch wenn das manchmal, zum Beispiel aus familiären Gründen, nicht einfach ist. Gerade Networking-Events finden ja meistens abends nach Feierabend statt. Hinweise auf solche Veranstaltung bekommt man entweder im eigenen Unternehmen, über Branchenverbände oder indem man sich in Businessnetzwerken und Karrierenportalen wie LinkedIn oder Xing registriert. Solche Events sind wichtig, um einfach mal das Gespräch mit Menschen zu suchen, die in ähnlichen Positionen, aber vielleicht in einer anderen, für einen selbst durchaus interessanten Branche arbeiten.
Wie geht es dann weiter?
Mit neuen Gesprächspartnern kann man sich anschließend gut über die schon erwähnten Plattformen vernetzen, einen passenden Anknüpfungspunkt hat man ja schon, zum Beispiel: „Danke für das tolle Gespräch gestern. Sie arbeiten in einer spannenden Branche. Ich überlege schon seit längerem, ob das nicht auch etwas für mich wäre.“ Oder: „Ihr Marketing-Ansatz klingt super-interessant. Vielleicht könnten wir uns mal vertieft darüber austauschen?“ Damit ist ein Anfang gemacht.
Wie lange braucht es, um ein gutes Netzwerk aufzubauen – und kann man das lernen?
Fünf, sechs Monate Vorlauf sollte man auf jeden Fall einplanen. Wenn absehbar ist, dass man gerne das Unternehmen wechseln würde oder auch den Sprung in die Selbständigkeit wagen will, sollte man sofort mit dem Netzwerkbau beginnen, denn es dauert häufig eine ganze Weile, ehe es Früchte trägt. Vielen fällt es nicht leicht, auf Businessplattformen gezielt nach interessanten potenziellen Kontakten zu suchen. Der erste Schritt dahin ist natürlich, überhaupt erst einmal ein Profil zu haben. Im nächsten Schritt gebe ich meinen Klienten die Aufgabe, gezielt nach für sie interessanten anderen Profilen oder nach Interessengruppen zu suchen und diese zu kontaktieren beziehungsweise sich einer Gruppe anzuschließen.
Worauf kommt es beim eigenen Profil an?
Natürlich sollte man sein Licht nicht unter den Scheffel stellen und alle relevanten und interessanten beruflichen Stationen möglichst vollständig ins Profil schreiben. Es geht aber nicht nur darum, viele Job- und Ausbildungsinfos aufzulisten, sondern ich empfehle auch, interessante Links und Dokumente hinzuzufügen, vor allem aber eine neugierig machende persönliche Botschaft – eine Mischung aus Mission und Vision Statement - voranzustellen: Was bewegt mich? Was interessiert mich an meiner Arbeit und an anderen Menschen? Wohin möchte ich mich persönlich und beruflich entwickeln? Auch ein aussagekräftiger Satz über Ihre Expertise sollte nicht fehlen.
Und Sie sollten auf jeden Fall ein schönes Foto einstellen – kein steifes Passbild, sondern eines, das Sie ruhig in etwas lockererer Haltung und lächlend zeigt. Die gezielte Suche nach interessanten neuen Kontakten kann beim Gestalten des eigenen Profils helfen: Man merkt dabei ja, worauf man selbst bei anderen achtet und was einem positiv auffällt. Das wiederum hilft dann auch dabei, einen guten Anknüpfungspunkt für die Kontaktaufnahme zu finden, etwa so: „Ihr Statement finde ich spannend – ganz ähnlich ist mein eigener Blick auf meinen Beruf.“
Und wenn man ein bestehendes, aber leider etwas vernachlässigtes Netzwerk pflegen möchte? Wie geht man am besten vor?
Schreiben Sie diese Kontakte per Direktnachricht an. Sehr wirksam ist zum Beispiel ein persönlich geschriebener Geburtstagsgruß. Sie können aber auch Dinge wie Branchenentwicklungen als Anlass nehmen. Kommentieren sie regelmäßig Beiträge von Ihnen wichtigen Kontakten. Das freut nicht nur den Verfasser, sondern verschafft Ihnen selbst größere Sichtbarkeit. Überlegen Sie außerdem, was Sie selbst Interessantes posten können, das Ihr Netzwerk interessiert. Das können beispielsweise aktuelle Ereignisse, Buchveröffentlichungen oder ein eigenes berufliches Erfolgserlebnis sein. Taggen Sie Personen, mit denen Sie gerne wieder mehr ins Gespräch kommen möchten. Daraus entstehen häufig interessante Diskussionen.
Und wenn man Kontakte auch außerhalb der Plattformen wieder auffrischen möchte? Soll man die Person dann einfach anschreiben oder braucht es immer einen Anlass?
Ein kleiner „Aufhänger“ ist immer gut. In der Vorweihnachtszeit, ist z.B. ein guter Zeitpunkt für die Pflege und Reaktivierung von Kontakten. Grüße zum Jahresende zu verschicken, ist eine Steilvorlage, um dem „Frohes Fest“-Gruß noch ein paar persönliche Sätze hinzuzufügen – zum Beispiel, dass man gerade ein paar interessante berufliche Ideen im Kopf hat, über die man sich - nach viel zu langer Pause! - gerne mal wieder mit der betreffenden Person austauschen möchte. Vielleicht haben Sie auch gerade erfahren, dass Frau X oder Herr Y den Job gewechselt hat. Auch das ist ein guter Anlass noch ein „Herzlichen Glückwunsch zum neuen Job – ich würde bei Gelegenheit gerne mehr darüber erfahren“ hinzuzufügen. Und: Wenn Sie die Person etwas besser kennen, können Sie ruhig auch ein kleines virtuelles Geschenk „dazulegen“: Einen Hinweis auf einen interessanten Artikel, auf ein schönes Buch, das Sie selbst gerade lesen oder eine andere Idee, die für „good Vibrations“ sorgt.
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Dieses Interview erschien zuerst im November 2024 in der WELT.