Netzwerkfehler legt Polizei- und Feuerwehrfunk bundesweit lahm – Digitalfunk mehrere Stunden gestört
Das Digitalfunknetz der Sicherheitsbehörden war rund zweieinhalb Stunden lang überlastet. Regional war zudem die Alarmierung von Rettungskräften gestört.
Ein Fehler in der Netzwerkinfrastruktur hat am Dienstagnachmittag eine der bisher schwersten Störungen im deutschlandweiten Digitalfunknetz von Polizei und Sicherheitsbehörden ausgelöst. Nach einem Netzwerkfehler habe sich die Störung hochgeschaukelt und zeitweise den Datenfluss verstopft, heißt es aus Behördenkreisen. In der Folge kam es bundesweit für rund zweieinhalb Stunden zu Ausfällen von Sprach- und Datenkommunikation. In einzelnen Bundesländern fiel zudem die Alarmierung von Feuerwehren und Rettungsdiensten über das Digitalfunknetz aus.
Gegen 16:30 Uhr, berichten Angehörige verschiedener Sicherheitsbehörden, sei es zu ersten Aussetzern im Netz gekommen, an das bundesweit rund 1,2 Millionen Funkgeräte aller Blaulichtorganisationen angeschlossen sind. Anschließend habe sich die Störung ausgeweitet und sei regional teilweise zeitversetzt aufgetreten. Einsatzkräfte aus zahlreichen Bundesländern berichten, dass das Behördenfunknetz in vielen Regionen ausgefallen oder nur sehr eingeschränkt verfügbar sei. Betroffen waren den Meldungen zufolge unter anderem die Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg und Bayern.
Am Abend bestätigte eine Sprecherin der für den Betrieb der Infrastruktur zuständigen Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, kurz BDBOS, entsprechende Informationen der WirtschaftsWoche: „Für die Dauer von knapp zwei Stunden kam es zu Störungen im BOS-Digitalfunknetz“, so die Sprecherin. „Hiervon waren zahlreiche Basisstationen und Leitstellen in verschiedenen Teilen des Bundesgebiets betroffen.“ Bei der Prüfung der Systemtechnik seien Netzwerkprobleme als Fehlerursache lokalisiert worden. Rund eine halbe Stunde später sei die Störung behoben gewesen und das Netz habe wieder normal gearbeitet.
In Kreisen der Sicherheitsbehörden gab es im Nachmittagsverlauf Befürchtungen, die Störung sei möglicherweise durch einen Hackerangriff ausgelöst worden oder Folge eines fehlgeschlagenen Software-Updates. Aus der BDBOS gab es dazu am Abend Widerspruch: Beides sei nahezu ausgeschlossen. Insbesondere seien die Netzkomponenten komplett vom öffentlichen Internet separiert und „nicht von außen erreichbar“.
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Dennoch hatte die Störung weitreichende Folgen: Gegen 17 Uhr meldeten etwa Feuerwehr und Rettungsdienste in der bayerischen Oberpfalz Aussetzer im Netz, im gleichen Zeitraum setzte die Kommunikation in mehreren norddeutschen Bundesländern aus. In verschiedenen Regionen, die das Funknetz nicht allein für die Sprachkommunikation, sondern auch für die Alarmierung der Einsatzkräfte nutzen, etwa in Hessen, war nicht sichergestellt, dass etwa Freiwillige Feuerwehren im Alarmfall über den Digitalfunk aktiviert werden können. In einzelnen Kommunen sind die ehrenamtlichen Kräfte daher bereits präventiv in die Gerätehäuser beordert worden.
Nicht betroffen von der Störung waren bundesweit die Notrufnummer 112 und die Erreichbarkeit der Rettungsleitstellen. Von dort aus die Einsatzkräfte über Funk zu erreichen, funktionierte indes nur noch sehr eingeschränkt. So schalten die rund 5000 Basisstationen des Behördenfunks bei Verlust der Anbindung an das Vermittlungsnetz zwar in eine Art Inselmodus. Dann können alle dort bereits eingebuchten Endgeräte weiter kommunizieren. Verbindungen in benachbarte Funkzellen – etwa in anderen Stadtteilen, Nachbarkommunen oder Landkreisen – sind allerdings nicht mehr möglich, und zusätzliche Funkgeräte und Teilnehmer können sich in der Zelle ebenfalls nicht mehr einbuchen.
Der Vorfall ist umso schwerwiegender, als das Digitalfunknetz, das aller deutschen Blaulichtorganisationen versorgt und von kommerziellen Mobilfunknetzen komplett technisch unabhängig ist, auf besondere Ausfallsicherheit ausgelegt ist. Laut BDBOS liege die Netzverfügbarkeit bei durchschnittlich 99,97 Prozent und damit deutlich höher als die der kommerziellen Funknetze, mit denen der Behördenfunk technisch verwandt ist. Allerdings wurde die Funktechnik Tetra, auf der das Behördenfunknetz basiert, in den 1990er-Jahren entwickelt, die Übertragungsrate von Daten liegt auf dem Niveau analoger Modems und ist damit technologisch komplett überholt.
Wie ein künftiges, breitbandiges Digitalfunknetz für die Sicherheitsbehörden aussehen kann, darüber verhandeln Bund und Länder seit 2023. Aufgrund von Streit um die Finanzierung eines Nachfolgenetzes auf Basis von regulärer Mobilfunktechnik war eine Ausschreibung für die Konzeption einer zukunftsfähigen Infrastruktur zwischenzeitlich gestoppt worden. Gegenwärtig rechnen sich die großen Mobilfunkbetreiber in Deutschland Chancen dafür aus, mindestens übergangsweise ein virtuelles Breitbandnetz für Angehörige der Sicherheitsbehörden zu betreiben.
Noch fehlen dem kommerziellen Mobilfunk allerdings grundlegende Funktionen, die für Einsatzkräfte essenziell sind, also etwa die Möglichkeit, in vordefinierten Sprechgruppen zu kommunizieren, oder prioritäre Notrufe zu übermitteln. Neue Mobilfunkdienste, im Branchenjargon Mission Critical Communications, kurz MCx, genannt, sollen diese Funktionen in Zukunft nachrüsten. Es sind Erweiterungen des Mobilfunkstandards 5G, die erst in den vergangenen Jahren definiert und verabschiedet worden sind – und die nun langsam in kommerziellen Netzen Einzug halten.
Die aktuelle Störung im Netz ist nicht der erste Fall eines schwerwiegenden Ausfalls von Teilen der Infrastruktur. Bereits im Zuge der schweren Flutkatastrophe im Ahrtal und im Südwesten von Nordrhein-Westfalen hatte die Technik stellenweise versagt, war teilweise von den Fluten zerstört worden beziehungsweise aufgrund von Überlastung regional nicht angemessen verfügbar.
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