Neue Luxus-Strategie: Mercedes streicht drei Kompaktwagen und erhöht Margenziel auf 14 Prozent
Der Autobauer richtet sein Portfolio neu aus und will mit ultraluxuriösen Modellen um 60 Prozent wachsen. In China startet eine neue Fahrzeugklasse.
**München.**Mercedes-Benz wollte in seiner 135-jährigen Geschichte immer hoch hinaus. Doch die Marke scheiterte oft an ihren Ambitionen: ob als integrierter Technologiekonzern, als Welt AG gemeinsam mit Chrysler oder als vernetzter Mobilitätsdienstleister. Daher fokussiert der seit drei Jahren amtierende Vorstandschef Ola Källenius das Unternehmen nun auf seinen Kern: Luxusautos.
Mehr als drei Viertel der Investitionen fließen künftig in SUVs und Limousinen, die hohe Deckungsbeiträge abwerfen. Der Anteil luxuriöser Modelle wie S-Klasse, EQS, GLS, Maybach, AMG oder G-Klasse am Gesamtabsatz soll bis 2026 um 60 Prozent steigen. Das kündigte Källenius bei einem „Strategy Update“ unter dem Motto „Economics of Desire“ am Donnerstag vor Investoren an der Côte d’Azur an.
Das Einstiegssegment, zu dem Fabrikate wie A-Klasse, GLB oder CLA zählen, soll dagegen ab 2024 von sieben auf vier Karosserievarianten komprimiert werden. So fliegt etwa die B-Klasse aus dem Portfolio, heißt es aus Konzernkreisen. Auch die A-Klasse dürfte es in ihrer heutigen Form bald nicht mehr geben.
Die Folge: Wer sich künftig einen Mercedes kaufen will, muss dafür deutlich mehr bezahlen. Der Einstiegspreis dürfte von etwa 28.000 auf mehr als 33.000 Euro steigen. In Summe streben die Stuttgarter durch ihren Fokus auf teurere Modelle nach mehr Profit.
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Selbst bei ungünstigen Marktkonditionen wollen die Schwaben mittelfristig zweistellige statt einstellige Umsatzrenditen erzielen. Bei guten Bedingungen stellt Mercedes nun sogar eine Marge von rund 14 Prozent in Aussicht. Überraschend kommt dieser Schritt nicht. Das Handelsblatt hatte über entsprechende Pläne von Mercedes bereits Ende 2021 berichtet.
„Was schon immer der Kern unserer Marke war, ist nun auch der Kern unserer Strategie: das Luxussegment“, erklärte Mercedes-Chef Ola Källenius. Darauf richte man Geschäftsmodell und Produktportfolio künftig noch konsequenter aus, um so das volle Potenzial selbst in einem herausfordernden Umfeld zu entfalten: „Im Mittelpunkt steht dabei der Anspruch, die begehrenswertesten Autos der Welt zu bauen.“
Die neue Strategie, bei der Klasse statt Masse zählt, soll laut Källenius weder zu einem zusätzlichen Personalabbau noch zu erheblichen Kapazitätsanpassungen in den Werken führen. Mercedes unterteilt seine Modellpalette perspektivisch in drei Produktkategorien: Top-End-Luxury, Core Luxury und Entry Luxury.
Mercedes plant zusätzliche Version der G-Klasse
Das wichtigste Segment ist das oberste mit Fabrikaten wie dem wuchtigen GLS oder den Sportboliden von AMG. Hier will Mercedes kräftig wachsen. 2019 hatte der Konzern etwa 250.000 High-End-Fahrzeuge verkauft. Der Anteil am Gesamtabsatz lag bei gut elf Prozent. In vier Jahren soll dieser Anteil schon bei fast einem Fünftel liegen.
So deutet Mercedes unter anderem an, eine zusätzliche Version seines Geländewagens G-Klasse auf den Markt zu bringen. Denkbar ist etwa neben der bereits bestehenden AMG-Ausstattung eine Maybach-Linie. Zu Details äußerten sich die Schwaben nicht. Klar ist nur: Alle Produkte sollen noch edler, exklusiver und teurer werden.
Bei Maybach treibt der Konzern dieses Prinzip auf die Spitze. Schon für eine „normale“ S-Klasse in Maybach-Ausstattung werden mindestens 175.275 Euro fällig. In Nizza präsentierte Mercedes diese Woche aber auch eine seriennahe „Haute Voiture“-Version, die Anfang 2023 in streng limitierter Stückzahl auf den Markt kommen soll.
Der Name dieser ultimativen S-Klasse leitet sich von „Haute Couture“ ab und verrät bereits, dass Mercedes etablierte Prinzipien der Modeindustrie zunehmend in die Autobranche tragen will. Entsprechend opulent ist das Innendesign mit weißem Kunstfell und buntem Bouclé-Stoff. Die zweifarbige Außenlackierung ist ebenfalls extravagant in Marienblau und Roségold. Und der Preis ist natürlich entsprechend hoch: Für den Maybach Haute Voiture dürfte Mercedes mehr als 300.000 Euro verlangen.
Das Angebot an limitierten Editionen und exklusiven Kollaborationsfahrzeugen soll sukzessive ausgebaut werden. Derzeit bietet Mercedes beispielsweise eine auf 150 Fahrzeuge begrenzte Sonderausgabe der Maybach S-Klasse in Erinnerung an den verstorbenen Künstler und Modedesigner Virgil Abloh an. Zudem planen die Stuttgarter eine Maybach-Ausführung des SL.
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Aus Sicht von Analysten ist die Luxusausrichtung konsequent. Schließlich kann Mercedes nach Schätzungen der Investmentbanker von UBS im Topsegment Margen jenseits von 25 Prozent erzielen. Im Kompaktwagensegment waren es dagegen bisher im Schnitt eher fünf Prozent. Künftig, so versichern Mercedes-Manager hinter vorgehaltener Hand, müssten aber auch die kleineren Baureihen deutlich zweistellige Renditen liefern.
Der Autobauer will führend bei der Software werden
Mercedes will das Segment mit seiner neuen Plattform MMA mit innovativer Technik aufwerten. Der Nachfolger des CLA Coupé dürfte 2024 das erste Modell sein, das Mercedes im Einstiegs-Luxusbereich auf den Markt bringt. Zwar wird das Fabrikat auch als Verbrenner erhältlich sein, der Fokus liegt aber klar auf dem elektrischen Antrieb. Dank der guten Aerodynamik und einer neuen Zellchemie soll der CLA bis zu 850 Kilometer ohne Nachladen fahren können.
Er wird voraussichtlich auch das erste Modell sein, in dem das neue Betriebssystem MB.OS zum Einsatz kommt. Mercedes will damit führend bei der Fahrzeugsoftware werden. Darüber hinaus sollen die Kompakten ab Mitte des Jahrzehnts auch mit hochautomatisierten Fahrsystemen (Level 3) ausgestattet werden, die aktuell nur bei S-Klasse und EQS angeboten werden.
Bei dem „Core Luxury“-Segment, zu dem absatzstarke Limousinen für Geschäftskunden wie C-Klasse und E-Klasse gehören, will Mercedes derweil die Elektrifizierung beschleunigen. So plant der Konzern auf Basis des EQE, der vollelektrischen Version der E-Klasse, ein Modell, das „speziell auf den chinesischen Markt zugeschnitten ist“. Details zu dem Fabrikat blieb Mercedes schuldig.
Das Handelsblatt hatte aber bereits im November berichtet, was die Schwaben konkret planen. Demnach schwebt Mercedes eine völlig neue Fahrzeugklasse vor. Die beiden erfolgreichsten Karosserieformen der Welt – SUV und Limousine – sollen zu einem sogenannten Sport Utility Sedan (SUS) gekreuzt werden.
Dieser Mix ist an sich schon etwas Besonderes. Ein größeres Novum ist aber, dass Mercedes den EQE SUS zunächst ausschließlich in Peking für chinesische Kunden bauen will. Es handelt sich also um den ersten rein chinesischen Mercedes.
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