Neuer Audi-Chef korrigiert Erwartung an Elektroautos
Renditen wie bei Verbrennermodellen erwartet die VW-Tochter später als bisher geplant. In seinem ersten Interview erläutert Audi-Chef Gernot Döllner seine Agenda für den Autobauer.
Ingolstadt. Gut 100 Tage nach Amtsantritt räumt der neue Audi-Chef auf. Nachdem Gernot Döllner wichtige Modellanläufe verschoben hat, korrigiert er nun auch die Renditeerwartungen für die Elektroautos. So werde es länger dauern, bis Audi mit Elektroautos die gleichen Renditen erwirtschaftet wie mit Benzin- und Dieselmodellen.
„Ursprünglich sind wir davon ausgegangen, dass wir sie bei Audi Mitte des Jahrzehnts erreichen“, sagte Döllner im Interview mit dem Handelsblatt. „Jetzt dürfte sich das vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen verzögern“, sagte er. Konkret kämpft Audi mit hohen Kosten für die Batterien und Rohstoffe für Elektroautos.
Audi steht unter erheblichem Druck. Im September musste Döllners Vorgänger Markus Duesmann seinen Posten räumen, weil dieser die technische Entwicklung bei Audi nicht in den Griff bekam. Die VW-Tochter will bereits 2026 aus der Entwicklung neuer Verbrenner aussteigen und ab 2033 nur noch Elektroautos verkaufen. Der Anlauf neuer Elektromodelle wie dem Q6 e-tron liegt aufgrund interner Planungsfehler bereits um rund zwei Jahre hinter dem Zeitplan. Gleichzeitig soll die Rendite von aktuell 9,1 mittelfristig auf 14 Prozent steigen.
Damit Audi seine Ziele kurzfristig erreicht, werde das Unternehmen „schnell und robust gegensteuern“, sagte Döllner. Einen weiteren Stellenabbau schließt der Audi-Chef aber aus. Dafür will Audi vor allem beim Materialeinsatz sparen. So könnten künftige Elektroautos effizientere, dafür aber kleinere Batterien mit gleicher Reichweite erhalten.
An dem hochumstrittenen Einstieg in die Formel 1 will Döllner hingegen festhalten. „Es gibt eine klare Entscheidung vom Vorstand, von den Aufsichtsräten von Audi und Volkswagen, dass Audi 2026 in die Formel 1 einsteigt“, sagt Döllner. „Der Plan steht.“
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Lesen Sie hier das gesamte Interview mit Audi-Chef Gernot Döllner:
Herr Döllner, Sie sind jetzt seit gut 100 Tagen Audi-Chef. In welchem Zustand haben Sie das Unternehmen vorgefunden?
Ich hatte auch schon in den vergangenen Jahren viele Berührungspunkte mit Audi. Nach meinem Start als CEO habe ich sehr, sehr viele Gespräche geführt und war an fast allen Standorten vor Ort. Ich habe ein hochmotiviertes und kompetentes Team kennengelernt.
Sie haben offenbar aber auch viele Probleme geerbt. Warum sonst haben Sie die Reißleine gezogen und die wichtigsten Modellanläufe der kommenden zwei Jahre verschoben.
Wir haben im Vorstand eine kritische Bestandsaufnahme gemacht und uns für eine Entzerrung der vielen Anläufe in den nächsten Jahren entschieden. Jetzt haben wir einen robusten Plan, der einen realistischen Anlauf für die Modelle gewährleistet.
Wie reagieren die Mitarbeiter darauf? Es ist sicher nicht jeder glücklich, wenn der neue Chef die Pläne erst einmal über den Haufen wirft.
Es ist ja nicht so, dass da ein Döllner kommt und das alleine entscheidet. Sicher bringe ich gewisse Erfahrungen bei Produktanläufen mit. Wir haben auf die Empfehlungen und Expertise im Team gehört und als Vorstand gemeinsam entschieden. Solche Entscheidungen sind immer eine Abwägung zwischen dem einmal gesetzten Zeitplan und der notwendigen Qualität der Produkte. Und wenn man Qualität zur obersten Priorität erklärt, muss der Plan eben gegebenenfalls angepasst werden.
Intern ist von einer neuen „Audi-Agenda“ die Rede. Können Sie erklären, was es damit auf sich hat?
Das ist ein gesamthaftes Programm, das Klarheit schafft und mit dem wir Tempo aufnehmen. Wir haben uns gezielt einige Themen vorgenommen: Produkte und Anläufe, Technik, Marke und Regionen. Und darüber steht unser Zielsystem, wie wir unsere finanziellen Ambitionen erreichen und die notwendigen Investitionen in die Zukunft absichern.
Es hieß zuletzt, bei Audi werde nicht schnell genug entschieden. Wo setzen Sie an?
Wir hatten bislang eine sehr komplexe Landschaft an Gremien. Deshalb haben wir jetzt eine ganze Ebene an Ausschüssen unterhalb des Vorstands abgeschafft, zum Beispiel Ausschüsse zur Steuerung unserer Beteiligungen und für die Operationalisierung der Fahrzeugprojekte. Geblieben sind der Vorstand und der Vorstandsausschuss für Produkte. Kurz gesagt: Wir sind jetzt schneller und alle wichtigen Entscheidungen fallen wieder im gesamten Vorstandsteam.
Wie sieht die ideale Audi-Struktur aus?
Wenn ein Autohersteller schnell Produkte auf die Straße bringen will, braucht es drei Ebenen, die ressortübergreifend arbeiten. Den Vorstand, die für die Modelle verantwortliche Baureihenorganisation und die Teams, die für die Systeme verantwortlich sind. Die Kunst der Führung besteht darin, bei Konflikten alle drei Ebenen ganz schnell zusammenzubringen. Unsere Kunden und die Qualität unserer Produkte haben für uns als Vorstand oberste Priorität.
Was machen Sie dafür genau?
Wir haben sogenannte Pilothallen reaktiviert und neu ausgerichtet. Dort schauen wir uns regelmäßig alle Fahrzeuge an, bevor sie in die Serienproduktion gehen. Es sind sowohl der gesamte Vorstand als auch die verantwortlichen Teams dabei. Wir besprechen, bei welchen Komponenten und Systemen es noch Probleme gibt und wie das Produkt als Ganzes funktioniert.
„Die Schlagzahl ist hoch, und ich weiß, dass nicht jeder immer begeistert ist“
Das klingt nach einer sehr engen Führung …
… nein, nach einer effizienten. Wir stellen Fragen und bringen alle Beteiligten an einen Tisch. Ich bekomme zurückgespiegelt, dass diese Zusammenarbeit geschätzt wird. Die Schlagzahl ist hoch, und ich weiß, dass nicht jeder immer begeistert ist. Aber ich bin davon überzeugt: Das ist der Weg, wie wir Tempo aufnehmen.
Sind Sie hartnäckig?
Ja, ich kann dann auch hartnäckig sein.
Der Betriebsrat war jedenfalls nicht begeistert, als Sie die Betriebsvereinbarung zum Homeoffice infrage gestellt haben. Warum legen Sie auf Anwesenheit so viel Wert?
Das Autogeschäft ist ein Teamsport. Selbstverständlich gibt es dabei Aufgaben, die man mobil erledigen kann. Das ist völlig in Ordnung. Aber speziell das Entwickeln von Autos ist pure Kommunikation. Und das geht am besten, wenn alle zur gleichen Zeit am gleichen Ort sind. Ich habe den Eindruck, dass nach meinem Appell auch wieder mehr Mitarbeitende ins Büro kommen.
Technisch hat Ihr Vorgänger Markus Duesmann Audi klar für die Elektromobilität positioniert. Der Absatz von Elektroautos läuft aber schwach. Ist der für 2033 geplante Ausstieg immer noch ein sinnvoller Schritt?
Unser Ziel ist klar: Das ganze Portfolio wird am Ende auf Elektromobilität umgestellt. Das wird in Europa, Nordamerika und China so kommen, nur mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Dank unserer neuen Elektroautos und einer komplett neuen Generation von Verbrennungsmotoren und Plug-in-Hybriden sind wir damit flexibel aufgestellt.
Ein weiteres kritisches Thema bei Audi ist die Rendite. Der Druck im VW-Konzern ist hoch, die Kernmarke hat große Probleme. Wie sehen die Renditeziele bei Audi aus?
Langfristig wollen wir für Audi im Verbund mit Bentley, Lamborghini und Ducati rund 14 Prozent erreichen – für die Marke Audi bedeutet das 13 Prozent. Das ist unsere Ambition. Kurzfristig sehen wir viele Herausforderungen, wir werden schnell und robust gegensteuern.
Das heißt, Sie rechnen 2024 mit sinkenden Gewinnen?
Die gesamtwirtschaftliche Situation ist sehr anspruchsvoll, das kann sich negativ auf die Nachfrage auswirken. Zudem stehen wir vor zahlreichen Modellwechseln. Deswegen müssen wir umso härter arbeiten, um ein gutes Ergebnis zu erreichen.
Mit Elektroautos dürfte es aber schwer werden, den Zielkorridor zu erreichen. Die Autos sind nach wie vor teuer – auch für den, der sie baut.
Das stimmt, die Gewinnmargen zwischen Verbrennern und Elektroautos nähern sich einander nicht so schnell an, wie wir uns das erhofft hatten.
Wann rechnen Sie jetzt mit einer Parität?
Ursprünglich sind wir davon ausgegangen, dass wir sie bei Audi Mitte des Jahrzehnts erreichen. Jetzt dürfte sich das vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen verzögern.
Audis Slogan lautet „Vorsprung durch Technik“. Wie definieren Sie diesen Slogan?
Wir haben sehr intensiv im Vorstand über das Markenbild gesprochen und daran gearbeitet. Im Kern der Marke bleibt Vorsprung durch Technik bestehen, allerdings in einem breiteren Verständnis.
Das müssen Sie genauer erklären.
Für mich ist Vorsprung durch Technik ganz klar auch mit klassischen Fahrzeugattributen verbunden. Das beinhaltet beispielsweise das Design, die Fahrwerksauslegung oder unser Allradsystem quattro. Diese Eigenschaften werden auch die nächste Generation der batterieelektrischen Fahrzeuge prägen. Hinzu kommen Innovationen in weiteren Bereichen.
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„Wir werden unter anderem bei der Effizienz der Antriebe ganz vorne dabei sein“
Was kann dann Audi, was andere nicht können?
Es geht vor allem um das Erlebnis, von der Fahrdynamik bis zum digitalen Ökosystem. Und wir werden unter anderem bei der Effizienz der Antriebe ganz vorne dabei sein.
Wettbewerber wie Mercedes versprechen mittelfristig einen Verbrauch von zehn Kilowatt auf 100 Kilometern. Was will Audi schaffen?
Mit unseren neuen PPE-Modellen (Premium Plattform Electric, Anm. d. Red.) werden wir den Verbrauch deutlich reduzieren. Um circa 30 Prozent gegenüber unseren ersten rein elektrischen Fahrzeugen. Und das ist nur ein erster Schritt.
Schauen wir nach China. Dort wird Audi auf eine Elektro-Plattform des Joint-Venture-Partners Saic zurückgreifen. Gibt es im VW-Konzern keine Plattform, die Audi nutzen kann?
Es geht bei der geplanten Kooperation um ein zusätzliches Angebot, das neben den bestehenden und geplanten Modellen unsere Kundenbasis vergrößern wird. Dabei greifen wir nicht eins zu eins auf eine Saic-Plattform zurück, sondern entwickeln diese gemeinsam. Wir haben bei Saic eine sehr hohe Entwicklungsgeschwindigkeit und reizvolle Möglichkeiten vorgefunden, weshalb wir gemeinsam mit unserem Partner dort Fahrzeuge entwickeln und produzieren.
Aber das ist ja schon ein Systembruch. Eigentlich nutzen die Marken im VW-Konzern doch auch die konzerneigenen Plattformen. Ein Weltkonzern wie VW muss doch in der Lage sein, die entscheidende Technik selbst zu entwickeln.
Das können wir auch. Aber wir haben uns dazu entschieden, das Beste aus den zwei Welten zu nutzen, um schnell weitere Modelle zu bieten. Wir kombinieren also unsere Fähigkeiten und die Fähigkeiten unseres Joint-Venture-Partners, um uns für die Zukunft in China aufzustellen. Und in den Fahrzeugen, das kann ich Ihnen versprechen, werden Sie eindeutige Audi-Gene finden.
Sie waren mal Marktführer im Premium-Bereich in China. Was ist jetzt Ihr Anspruch?
Unser Anspruch ist ganz klar, in China auch bei den E-Modellen ein relevanter Premium-Player zu sein, so wie mit unseren Verbrennern. Wir wollen uns auch unter den westlichen Anbietern wieder ein Stück nach vorn arbeiten.
Die Marktführerschaft ist kein Thema mehr in China?
Wir stellen uns dem Wettbewerb selbstbewusst. Im chinesischen Markt entstehen starke neue Anbieter, die auch gesellschaftlich breit getragen werden. Und das macht den Markt anspruchsvoller für uns.
Welche Pläne haben Sie in Nordamerika?
Aktuell setzen wir dort etwa 230.000 Fahrzeuge ab. In China sind es rund 700.000 und große Wachstumsschübe sehen wir dort nicht. Wir wollen daher Nordamerika neben Europa und China als drittes Standbein stärken.
Wie viele Fahrzeuge wollen Sie dort perspektivisch absetzen?
Deutlich mehr als jetzt.
Aktuell arbeitet der Gesamtkonzern an einem Programm zur Steigerung der Profitabilität. Bei VW soll im Vertrieb und der Verwaltung gespart werden. Werden bei Audi auch Stellen abgebaut?
Wir sind bei Audi in der glücklichen Situation, dass ein guter Teil der Hausaufgaben mit Blick auf die Effizienzpotenziale bereits erledigt wurde. 2019 wurde ein an der demografischen Kurve orientierter Abbau von bis zu 9500 Stellen beschlossen. Darüber hinaus gehende Pläne gibt es nicht.
„Die beiden deutschen Werke bleiben Kern des Produktionsnetzwerks“
Sie haben zwei große Werke in Deutschland, Sie haben jeweils ein Werk in Ungarn und in Brüssel sowie in Mexiko. Keins davon ist wirklich ausgelastet. Halten Sie an allen Werken fest?
Wir setzen auf unser bestehendes, weltweites Produktionsnetzwerk. Die beiden deutschen Werke sind und bleiben Kern dieses Netzwerks, allerdings mit einer bereits seit Längerem vereinbarten Reduktion der Kapazitäten.
Was ist mit Brüssel?
Neben Ingolstadt und Neckarsulm gehören auch Brüssel, San José Chiapa und unser Werk im ungarischen Győr zu unserem Produktionsverbund. Jetzt gilt es zunächst die Planungsrunde zu finalisieren, danach werden wir Pläne für die Werksbelegungen verkünden.
An den Formel-1-Plänen halten Sie aber fest?
Es gibt eine klare Entscheidung vom Vorstand, von den Aufsichtsräten von Audi und Volkswagen, dass Audi 2026 in die Formel 1 einsteigt. Der Plan steht.
Herr Döllner, vielen Dank für das Interview.
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