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Neuer Job, aber weniger Gehalt? Ein Experte erklärt, wann sich das lohnt

Verbauter Aufstieg, ständiges Hadern: Es gibt Situationen, in denen es besser ist, den Job zu wechseln und ein niedrigeres Gehalt zu akzeptieren. Hier sind sie.

Düsseldorf Einen interessanten Job mit angemessener Bezahlung, dazu Aufstiegschancen – das wollen viele. Immer mehr Menschen blicken jedoch ganzheitlicher auf ihre Karriere. Und fragen sich: Erfüllt mich mein Job mit Sinn? Oder: Lässt sich die Arbeit mit Beziehung und Familie vereinbaren? „Das können Gründe sein, den Job zu wechseln, auch wenn man dafür ein niedrigeres Gehalt akzeptieren muss“, sagt Coach und Buchautor Attila Albert.

Auf wie viel Gehalt der Einzelne verzichten kann, hängt von den persönlichen Fixkosten und dem Lebensstandard ab. Experten gehen von einem finanziellen Spielraum von circa 20 Prozent aus. Keine teuren Kaffees „to go“ mehr, in Eigenregie im Freien statt im Fitnessstudio trainieren – solche Ersparnisse läppern sich. Und sie können sich lohnen.

Beispiel: Wer für ein berufsbegleitendes Studium zunächst für drei Jahre mit entsprechendem Gehaltsverzicht in Teilzeit geht und danach wieder in Vollzeit zurückkehrt, kann langfristig mit einem höheren Gehalt rechnen. Auch Karriereberater Albert weiß: „Selbstverständlich verzichtet niemand gern auf Geld. Aber in der Summe kann auch ein Job mit geringerer Bezahlung ein Gewinn sein.“

Albert nennt fünf besonders häufige Situationen, in denen ein kurzfristiger Gehaltsverzicht positive Langzeiteffekte mit sich bringen kann.

Aufsteigen auf Umwegen

Situation: Sie streben die Position Ihres Chefs an, der aber absehbar nicht wechseln will, kann oder wird.

Schlechte Strategie: Mehrfaches Nachfragen „Wie lange wollen Sie noch bleiben?“ wirkt unverschämt. Bei übergeordneten Vorgesetzten schlecht über die eigene Führungskraft reden, um sie zu Fall zu bringen, fällt auf Sie zurück und kann im Zweifel sogar das Aus beim Arbeitgeber bedeuten.

So geht’s: Finden Sie in einer anderen Abteilung oder bei einem vergleichbaren Arbeitgeber keine passende Stelle, kann der Wechsel zu einem kleineren Unternehmen oder in eine andere Branche helfen. Coach Attila Albert sagt: „Eventuell müssen Sie finanziell Abstriche machen, sichern sich damit aber nicht nur den höheren Titel, zum Beispiel als Team- oder Abteilungsleiter, sondern auch die entsprechende Lernerfahrung. Beides ist wertvoll für Ihre nächste Bewerbung.“

Mehr Zeit für Privates

Situation: Sie fühlen sich zerrissen zwischen dem, was Sie tun müssen, und dem, was Sie wollen, zum Beispiel mehr Zeit mit Partner und Kindern zu haben oder sich ehrenamtlich zu engagieren.

Schlechte Strategie: Im Urlaub und an den Wochenenden nachholen wollen, was Sie an den meisten Tagen des Jahres vermissen. Das bleibt unbefriedigend und ist außerdem zu teuer.

So geht’s: Für Angestellte mit Familie, also mit finanzieller Verantwortung für andere, ist eine Teilzeitregelung oft der praktikablere Weg als ein radikaler Karrierewechsel. Coach Albert: „Wer nur noch drei oder vier Tage pro Woche arbeitet, schafft sich Freiräume für eigene Projekte oder kann mit wenig Risiko eine Selbstständigkeit vorbereiten.“ Da mit dem Bruttogehalt auch die Steuern sinken, ist die Netto-Einbuße oft geringer als gedacht.

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Weniger Stress

Situation: Ihnen fällt auf, dass Sie nicht mehr so viel schaffen wie früher. Sie brauchen länger für Ihre Arbeit, sind ständig erschöpft und erholen sich langsamer.

Schlechte Strategie: Sich ewig zwingen („Ich muss mich zusammenreißen“), in Krankmeldungen flüchten oder gar kündigen, ohne etwas Neues zu haben.

So geht’s: Klären Sie zuerst mit einem Arzt, ob Sie gesund sind. Entscheiden Sie danach, wie viel Belastung Sie noch verkraften. Gemessen in Arbeitsstunden, aber auch in Bezug auf das Firmenklima und auf Ihre Aufgabe, zum Beispiel wie viel Umsatzdruck Sie ertragen. Coach Albert: „Das Eingeständnis, nicht mehr so viel wie in früheren Jahren leisten zu können, kann befreiend sein. Sie legen Erwartungen ab, die inzwischen unrealistisch sind, und planen entsprechend neu.“ Besprechen Sie mit Ihrem Vorgesetzten, ob und wie Sie Ihr Know-how, Ihre Erfahrung und Ihre Kontakte zum Wohle des Unternehmens, aber mit weniger Stress einsetzen können.

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Sich nicht mehr verbiegen

Situation: Es stört Sie, dass Sie am Arbeitsplatz einen Wertekonflikt erleben. Vielleicht finden Sie es nicht richtig, wie Lieferanten oder Dienstleister über Gebühr unter Druck gesetzt werden. Vielleicht haben Sie auch ein Problem mit einem neuen Großinvestor Ihres Unternehmens. Oder Sie haben den Eindruck, Entwicklungschancen hängen zunehmend vom Geschlecht ab.

Schlechte Strategie: Andauernde Diskussionen mit dem Vorgesetzten bringen nichts. Er oder sie setzt meist auch nur um, was ihm oder ihr von der Chefetage aufgetragen wurde. Alles hinzunehmen verbittert auf Dauer aber ebenso.

So geht’s: Mittelständische oder inhabergeführte Arbeitgeber stehen weniger stark im Blick von Politik, Aktivisten oder Medien als öffentliche oder womöglich börsennotierte Unternehmen. Coach Albert: „Diese Arbeitgeber können sich auch weniger interne Bürokratie für Themen wie Nachhaltigkeit, Vielfalt oder Inklusion erlauben. Das Gehalt ist eventuell dort geringer. Dafür erleben Sie weniger Wertekonflikte dieser Art.“

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Neue Impulse

Situation: Sie wollen eine grundlegende Veränderung. Das kann ein Branchenwechsel, der Umzug in die Traumstadt oder der Wunsch sein, nicht mehr pendeln zu müssen.

Schlechte Strategie: Ewig abwarten, bis alles perfekt passt, Sie zum Beispiel Ihren Traumjob in Ihrer Traumstadt finden. Das kostet zu viel Zeit und führt mitunter nie zum Ziel.

So geht’s: Planen Sie große Veränderungen schrittweise. Ein Job, der vielleicht nur vertraglich befristet oder schlechter bezahlt ist als ihr bisheriger, kann Sie dafür schon einmal an Ihren Wunschort führen. Sind Sie erst einmal dort, können Sie sich vor Ort leichter bewerben, auch mal spontan zu einem Vorstellungsgespräch erscheinen. Coach Albert: „Ein Befreiungsschlag, der alle Probleme sofort löst, ist selten. Schrittweise Übergänge sind realistischer.“

Fazit: Karriere an Lebensphasen anpassen

Über den gesamten Verlauf einer Karriere wandeln sich Schwerpunkte und Interessen immer wieder. Mal stehen Aufstieg und Gehalt im Vordergrund, dann wieder die Lebensqualität, Zeit für die Familie oder eigene Projekte.

Karrierecoach Albert rät: „Planen Sie in Lebensphasen von jeweils drei bis fünf Jahren. So können Sie unterschiedliche Prioritäten setzen, erhalten sich Flexibilität und Entschlusskraft auch über die Lebensmitte hinaus.“

Mehr: So kontern Sie unangenehme Gehaltsfragen im Bewerbungsgespräch

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