Änderung des Vornamens und Geschlechts: So kannst du deine Kolleg·innen unterstützen (©Getty Images)

Neuer Vorname, anderes Geschlecht: Warum das neue Selbstbestimmungsgesetz jede*n im Team angeht

Am 1. November 2024 ist in Deutschland das neue Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) in Kraft getreten. Aber was bedeutet das für cisgender Mitarbeitende, also jene, die sich mit ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren? Und wie kannst du Kolleg*innen unterstützen, die diesen neuen Prozess in Anspruch nehmen möchten?

Das jüngst in Kraft getretene Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) ersetzt das veraltete Transsexuellengesetz (TSG) und bringt zahlreiche Verbesserungen für trans, inter und nicht-binäre Menschen. Mit dem SBGG wird es erheblich einfacher und weniger belastend, den Vornamen und Geschlechtseintrag zu ändern – und das hat Implikationen für uns alle. Dieser Artikel erklärt, warum das Gesetz auch für dich relevant ist, wenn du weder trans, non-binär oder inter bist.

Weniger Bürokratie und mehr Selbstbestimmung

Bislang war es für trans Menschen ein teurer und umständlicher Prozess, ihren Namen und Geschlechtseintrag ändern zu lassen. Das TSG verlangte zwei psychologische Gutachten und einen Gerichtsprozess – ein Aufwand, der die Betroffenen durchschnittlich um die 2000 Euro kostete und oft traumatisierende Fragen aufwarf. Inter Menschen brauchten bisher ebenfalls ärztliche Atteste, was ihnen oft invasiv erschien. Das neue SBGG macht Schluss mit diesen bürokratischen Hürden. Künftig reicht eine einfache Erklärung beim Standesamt, ohne psychologische Gutachten und ohne langwierigen Gerichtsprozess. Statt der bisherigen hohen Kosten fallen jetzt lediglich ca. 40 Euro an.

Das ist ein bedeutender Schritt zur Selbstbestimmung: Trans und inter Menschen können ihren Vornamen und Geschlechtseintrag ändern, ohne sich erklären oder rechtfertigen zu müssen. Das Verfahren ist schneller und einfacher – ein Gewinn für die persönliche Freiheit.

Besserer Schutz am Arbeitsplatz: Verbot von Deadnaming und Misgendern

Das SBGG beinhaltet auch ein Offenbarungsverbot, das Misgendern und Deadnaming (das Verwenden eines alten Namens) ohne Zustimmung der betroffenen Person verbietet. Für Arbeitgeber*innen bedeutet das: Der alte Name oder frühere Geschlechtseinträge dürfen nicht ohne Zustimmung der betroffenen Person weitergegeben werden. Wer dies in verletzender Absicht tut, bewegt sich rechtlich im Bereich der Belästigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Für cisgender Kolleg*innen ist es wichtig zu verstehen, warum Deadnaming und Misgendern so verletzend sein können. Der Name und Geschlechtseintrag sind grundlegende Teile der Identität einer Person. Wenn jemand den früheren Namen oder das falsche Pronomen verwendet, kann dies tief verletzend sein und die betroffene Person zurück in eine Identität drängen, die nicht der eigenen entspricht. Respekt vor dem gewählten Namen und den Pronomen ist deshalb ein zentraler Teil der Unterstützung am Arbeitsplatz.

Ein Gesetz, das alle Geschlechter einbezieht

Ein weiterer Fortschritt des SBGG: Es bezieht explizit nicht-binäre Menschen ein. Diese Gruppe war bisher gesetzlich kaum anerkannt und konnte sich maximal auf Schlupflöcher im Personenstandsgesetz stützen. Nun können nicht-binäre Menschen, genauso wie trans und inter Personen, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen leichter anpassen.

In der Arbeitswelt bedeutet dies, dass Arbeitgeber*innen und Kolleg*innen sich mit verschiedenen Geschlechtsidentitäten und Anreden auseinandersetzen müssen. Unternehmen sollten dabei sicherstellen, dass ihre technische Infrastruktur – von Anmeldemasken über E-Mail-Systeme bis hin zu Namensschildern – Geschlechtervielfalt widerspiegelt und dass die Mitarbeitenden entsprechend sensibilisiert sind. 

Unterstützende Maßnahmen für cis Kolleg*innen: Was kann ich tun?

Für cisgender Mitarbeitende gibt es mehrere Möglichkeiten, trans, inter und nicht-binäre Kolleg*innen zu unterstützen:

1. Richtig ansprechen
Achtet darauf, den richtigen Namen zu verwenden. Namensschilder oder die Bereitstellung einer Plattform zur Angabe des bevorzugten Vornamens können helfen. 

2. Das richtige Pronomen nutzen
Macht es zur Norm, euch mit Pronomen vorzustellen, auch als cis Person. Eine freundliche Nachfrage oder die Bitte, die eigene Anrede korrekt anzugeben, kann Klarheit geben.

3. Sensibilisierung im Team fördern
Das SBGG zeigt, dass Geschlechtsidentität ein sensibles Thema ist, das Respekt verdient. Schulungen oder Workshops zum Thema Gender und Diversität am Arbeitsplatz sind eine gute Möglichkeit, das Bewusstsein im Team zu stärken.

4. Offenbarungsverbot respektieren
Der Name und frühere Geschlechtseintrag sind vertraulich und dürfen nicht ohne Zustimmung der betroffenen Person offenbart werden. Diskretion und Rücksichtnahme sind wichtige Schritte, um ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen.

5. Mit der IT-Abteilung zusammenarbeiten
Für Unternehmen bedeutet das SBGG möglicherweise technische Anpassungen in ihren Systemen, um geschlechtsneutrale Optionen und flexible Namensänderungen zu ermöglichen. Diese Infrastruktur ist ein wichtiger Schritt, um allen Mitarbeitenden das Gefühl zu geben, dass ihre Identität respektiert wird.

Ein Fortschritt – aber lange nicht perfekt

Obwohl das SBGG erhebliche Fortschritte bedeutet, gibt es weiterhin Kritikpunkte. So behält sich der Staat das Recht vor, Menschen auf Basis des ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlechts militärisch einzuziehen. Viele queere Organisationen bemängeln, dass das Gesetz Misstrauen gegenüber trans Menschen widerspiegelt, etwa in Form einer dreimonatigen „Bedenkzeit“ für Namens- und Geschlechtseintragsänderungen. Minderjährige können Änderungen nur mit Zustimmung der Eltern oder des Familiengerichts vornehmen, was ihre Autonomie einschränkt.

Fazit: Das Selbstbestimmungsgesetz als Chance für ein inklusives Miteinander

Das Selbstbestimmungsgesetz bringt wichtige Verbesserungen, um die Würde und Rechte von trans, inter und nicht-binären Menschen zu stärken. Auch für cis Kolleg*innen gibt es mit dem Gesetz mehr Möglichkeiten, ein unterstützendes, inklusives Umfeld zu schaffen. Mit einfachen Maßnahmen – dem Respektieren des Namens und der gewählten Pronomen, dem Offenbarungsverbot und der Sensibilisierung im Team – können wir alle dazu beitragen, dass der Arbeitsplatz für alle Menschen ein sicherer und respektvoller Ort wird.

Wie sieht es bei Euch im Team in Sachen Awareness zu geschlechtlicher Vielfalt aus? Was tut ihr, um alle zur rechtlichen Lage abzuholen und fortzubilden?

Rea Eldem schreibt über Gendergerechtigkeit, Arbeitskultur, Wirtschaft & Management, Personalwesen

Rea Eldem ist die Gründerin und Geschäftsführerin von IN-VISIBLE, Berliner Agentur für gendergerechte Arbeitskultur. Rea wuchs in Deutschland, Japan und Hongkong auf und studierte Kulturwissenschaften am Bodensee und Gender Studies an der University of Cambridge.

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