Neues Verpackungsgesetz: Wie der Gesetzgeber Stoffkreisläufe schließen will – und was wir selbst tun können
Nach Erhebungen der Brüsseler Kommission fallen in der EU jährlich 26 Millionen Tonnen Plastikmüll an. Mit 37,4 Kilo pro Einwohner produziert Deutschland davon deutlich mehr als der EU-Durchschnitt (31,1 Kilo pro Einwohner). EU-weit wird derzeit weniger als ein Drittel des entsorgten Plastiks recycelt. Der Rest des eingesammelten Plastikmülls wird verbrannt oder eingelagert. Nicht ordnungsgemäß entsorgter Plastikmüll landet zum Großteil im Meer. Einer Studie des US-Wissenschaftsmagazins “Science” zufolge sind das jährlich rund acht Millionen Tonnen. Laut EU-Kommission bestehen 85 Prozent des Mülls in den Meeren aus Plastik. Die Hälfte davon sind demnach Einwegprodukte, ein Viertel stammt von Fischern.
Zum 1. Januar 2019 löste das neue Verpackungsgesetz (VerpackG) die geltende Verpackungsordnung (VerpackV) in Deutschland ab. Mit dem neuen Gesetz werden Recycling und die Vermeidung von Verpackungsabfällen gleichzeitig gefördert. Mit einem Verbot von Einweggeschirr und anderen Wegwerfprodukten aus Kunststoff sowie verbindlichen Recycling-Quoten für Plastikflaschen will die EU gegen die zunehmende Verschmutzung der Meere vorgehen. Eine entsprechende Richtlinie hat das Europaparlament mit großer Mehrheit verabschiedet.
• Bis 2025 sollen so mindestens 77 Prozent aller Einwegplastikflaschen im korrekten Müllcontainer landen (bis 2029 mindestens 90 Prozent). Zudem sollen neue PET-Plastikflaschen 2025 zu mindestens 25 Prozent aus recyceltem Plastik bestehen. Bis 2030 soll diese verbindliche Vorgabe auf 30 Prozent angehoben werden.
• Neu verkaufte Plastikflaschen sollen bis 2025 zu mindestens 25 Prozent aus recyceltem Material bestehen. Bis 2030 muss dieser Anteil 30 Prozent betragen.
• Einwegprodukte, für die es umweltfreundlichere Alternativen gibt, müssen spätestens ab 2021 vom Markt genommen werden. Dazu gehören Einweggeschirr und -Besteck, Trinkhalme, Wattestäbchen, Luftballonstäbe sowie Becher und Lebensmittelverpackungen aus aufgeschäumtem Polystyrol.
• Ab 2024 dürfen Getränkebehälter aus Kunststoff nur vertrieben werden, wenn die Verschlüsse und Deckel am Behälter befestigt sind.
• Einwegprodukte mit einem gewissen Kunststoffgehalt müssen gekennzeichnet werden. So soll auf die negativen Umweltauswirkungen etwa von Hygieneeinlagen und Feuchttüchern hingewiesen werden.
• Hersteller sollen verpflichtet werden, sich an den Kosten von Reinigungsaktionen (beispielsweise an Stränden) zu beteiligen. Dies gilt insbesondere für die Tabakindustrie, da zahlreiche Zigarettenfilter in der Umwelt landen. Auch für angespülte Fischfangnetze sollen die neuen Vorschriften gelten.
• Für bestimmte Produkte, etwa Trinkbecher, Damenbinden und Tampons oder Luftballons sollen Kennzeichnungen mit Hinweisen für eine möglichst umweltschonende Entsorgung vorgeschrieben werden.
Zur Bedeutung der Designphase
Werden Verpackungen hinsichtlich der Recyclingfähigkeit weniger kompliziert gestaltet, wirkt sich das auch positiv auf die Verwertung von Produktionsabfällen aus. Die Materialkosten bei der Herstellung von Verpackungen machen etwa 80 Prozent der gesamten Produktionskosten aus - damit ist die Verwertung der Produktionsabfälle, die bis zu 30 Prozent betragen können, entscheidend für eine wirtschaftliche Verpackungsherstellung. Die Verwertung kann intern durch den Verpackungshersteller oder durch Verwerter, die diese industriellen Produktionsabfälle verwenden, erfolgen (Quelle: GEA).
Was eine nachhaltige Verpackung ausmacht:
• Sie muss sortenrein trennbar sein.
• Sie muss recycelbar und funktional sein.
• Sie sollte aus erneuerbaren sowie möglichst leichtem Material bestehen.
• Sie hat einen geringen ökologischen Fußabdruck.
• Sie ist biologisch abbaubar oder kompostierbar.
• Sie enthält wichtige Hintergrundinformationen.
In „The Package Design Book” wird gezeigt, dass Verpackungsdesign die kreativste Form des Designs überhaupt ist: Sie kommt dem Alltag der Menschen am nächsten und birgt von allen die meisten Überraschungen. Beim Verpackungsdesign wurde nie aufgehört, mit Zeichnungen und Grafiken zu arbeiten, zeitweilig sind sie zugunsten von Fotos ins Hintertreffen geraten. Heute scheinen sie auf ihren legitimen Platz zurückzukehren, „ohne die Überlegenheit der fotografischen Reproduktion herausfordern oder infrage stellen zu wollen“. Sie sind ein ideales Mittel für Humor oder Karikaturen, werden aber auch dekorativ eingesetzt oder vermitteln bestimmte Stimmungen.
Das Buch räumt auch mit dem gängigen Vorurteil auf, dass Print im Aussterben begriffen sei. Auf vielen Verpackungen zeigt sich heutzutage das Gegenteil: Hier finden sich zahlreiche zeitungsähnliche Aufmacher und „Bleiwüsten“. Der Band widmet sich auch der Historie nachhaltiger Verpackungen: So waren die ersten umweltfreundlichen und biologisch abbaubaren Verpackungen schlicht und muteten traurig an, sie waren „ein wenig grob und mit zu Himmel und Erde passenden Farben gestaltet.“ Im Laufe der Zeit wurden sie allerdings immer ansprechender. Wichtig ist, dass begründet, erklärt und glaubwürdig gezeigt wird, warum es gut und richtig ist, für Nachhaltigkeit einen Aufpreis bei Kaffee zu bezahlen, um beispielsweise kleine Herstellergemeinschaften in Guatemala zu unterstützen. Das erklärt die zahlreichen Bilder auf den Packungen, die echte Menschen zeigen und die Produkte beschreiben.
Nachhaltige Verpackung ist wie Werbung
Der österreichische Bio-Chocolatier Josef Zotter sagt oft scherzhaft, dass die Verpackung niemand braucht, weil man sie nicht essen kann. Darauf antwortet Andreas H. Gratze, der die Zeichnungen und Verpackungen für ihn macht, immer: „Ja, dann versuche es ohne Verpackung.“ Dann wird der Unternehmer wieder bescheiden und kommt auf den Boden. Ästhetik ist für Andreas Gratze eine Notwendigkeit und ein Ausdruck der Wertschätzung, die man dem Essen und dem Lebensmittel beimisst. Selbst in Ländern, in denen Nahrungsmittel knapp sind, wird auf Ästhetik großen Wert gelegt. „Was sie ernsthaft bedroht, ist die Massenproduktion bis hin zur massenhaften Lebensmittelvernichtung des Überschusses.“ Deshalb brauchen wir dringend wieder eine Esskultur und ein gemeinsames Genießen mit Zeit und Maß, das sich auch auf den Verpackungen zeigt.
Wirklich glaubwürdig sind sie allerdings nur, wenn sie fester Bestandteil nachhaltiger Unternehmensstrategien - wie bei Zotter oder der memo AG, die mit einem Mehrweg-Versandsystem (memo Box) ökologische Maßstäbe setzt: Um die Umweltauswirkungen des weiter zu minimieren, wird sie seit Herbst 2016 aus dem Recycling-Kunststoff „Procyclen”, der aus Kunststoffabfällen besteht, produziert. Durch den Wechsel zu Recyclingmaterial werden die Treibhausgasemissionen bei der Herstellung der Box um bis zu 30 Prozent verringert. Hinsichtlich Langlebigkeit, Stabilität und Transportsicherheit ist sie den Behältern aus Neumaterial absolut ebenbürtig – bei deutlich positiverem Effekt für die Umweltbilanz.
Die ethische Verantwortung findet sich bei beiden Unternehmen im gesamten Unternehmensbild: vom Einkauf über Verarbeitung bis hin zum Vertrieb. Einzelne Aushängeprojekte sind zwar wichtig, um ein öffentliches und mediales Echo zu evozieren, aber wesentlicher ist die Verankerung der Ethik in täglichen Arbeitsprozessen. Auch die Politik und die Steuer können nach Gratze wichtige Impulse setzen, um ethische Verantwortung zu honorieren und zu forcieren. Damit sich in Unternehmen ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher und ethischer Verantwortung einstellt, muss seiner Meinung nach alles getan werden: „Es ist schon trist (tragisch), wenn sich die Evolution nur noch auf den Konten einzelner und an der Sterblichkeit anderer fortschreibt. Es gab doch mal diese nette Idee vom erkenntnisbefähigten Menschen. Ich glaube daran und ebenso, dass es ganz wesentlich ist, die Menschen für ethische Verantwortung zu sensibilisieren. Wir brauchen gesellschaftlichen Druck, Nachfrage, Kritik und Erfolgsgeschichten, die jedem Einzelnen im Unternehmen und auf der Straße SEINE Verantwortung bewusst machen. Man muss auch mal die Globalisierung offen begreifen und sehen, dass wir nicht mehr auf autonomen Inseln leben. Unser Tun und vor allem auch unsere Unterlassung haben globale Konsequenzen.“
Eine nachhaltige Verpackung ist wie Werbung, die hält, was sie verspricht, wenn sie Geschichten erzählt und Sinn vermittelt, nicht dem Trend folgt, sondern etwas Eigenes und Unverwechselbares zeigt. Viele Verpackungen sehen gleich aus – deren Macher, die sich ständig gegenseitig kopieren, denken nicht über das nach, was sie routinemäßig tun, wollen auf Nummer sicher gehen und vergeben gleichzeitig wichtige Chancen, um auf sich und ihre Botschaft aufmerksam zu machen. Allerdings genügt es nicht, nur eine Botschaft zu haben – sie muss auch gelebt werden. Und so sind Taten immer noch die beste Werbung für ein Unternehmen. Das Image darf nicht wichtiger sein als ein Produkt und der innerste Kern, der ein Unternehmen zusammenhält.
Weiterführende Informationen:
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Circular Thinking 21.0: Wie wir die Welt wieder rund machen. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Verpackt oder unverpackt? Warum Stoffkreisläufe eine Frage der Nachhaltigkeit sind. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.
Jens Müller, Julius Wiedemann: Geschichte des Grafikdesigns. Band 1, 1890–1959. Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch. Taschen Verlag 2017.
Julius Wiedemann (Hg.) The Package Design Book. Taschen GmbH, Köln 2017.
Josef Zotter: Kopfstand mit frischen Fischen. Mein Leben – meine Überzeugungen. Erw. und aktualisierte Neuausgabe. Wolfgang Wildner & Wolfgang Schober. Riegersburg 2015.