New Work: 7 1/2 Tipps für eine offenere, transparentere Führungskultur
Nasse Babies sind, frei nach Mark Twain, so ziemlich die einzigen Lebewesen, die für häufige und schnelle Veränderung sind. Und er hat damit Recht, denn sobald wir aus dem Windelalter raus sind, werden wir zu Gewohnheitstieren, lieben wir Routinen und Struktur und tun wir uns mit aller Veränderung erstmal schwer. Die einen mehr, die anderen weniger, aber tendenziell sind wir auf eine gute Balance zwischen Alt und Neu gepolt, zwischen Verwalten und Gestalten, zwischen Innehalten und Aufbrechen.
Und jetzt die Corona-Krise: Sie fordert massive Veränderung von uns, in allen möglichen Lebensbereichen. Das Virus ist nicht nur, wie Kanzlerin Merkel in ihrer Sommerpressekonferenz verkündete, „eine demokratische Zumutung“, es ist auch eine Zumutung für unsere Arbeitskulturen, für unsere Gesellschaft, für die Schulen und und und. Aber in der „Zumutung“ steckt eben auch der Mut, das Wagnis, der Aufbruch. Und all das, was jetzt plötzlich „geht“ und „gehen muss“, in Teams, in Firmen, in Organisationen, kann uns weit nach vorne bringen auf dem Weg zu New Work. Kann und wird zu attraktiveren, innovativeren Arbeitsformen führen, in denen die und der Einzelne die Potenziale besser entfalten und die kollektive Produktivität enorm wachsen kann. Führende können das unterstützen – mit folgenden siebeneinhalb Rezepten:
Erstens: Positives priorisieren
Homeschooling, Sorge um die eigene Gesundheit oder die der Schwiegereltern, permanente Negativ-Schlagzeilen über Infiziertenzahlen, Unternehmenseinbrüche, und dann noch schlechte Stimmung durch einen Marathon an schlecht geführten Videomeetings: Viele Führende und Geführte haben in den letzten Monaten mit deutlich mehr Frust, Ärger und Sorgen als sonst zu kämpfen. Solche negativen Emotionen verkleinern aber unsere Denk- und Handlungsräume, machen uns sozial weniger kompatibel. Deshalb ist es wichtig, dass Führende Wohlfühlmomente ermöglichen, für sich und für die Belegschaft. Denn positive Emotionen weiten unser Denken, fördern die Kreativität und die Widerstandsfähigkeit. Alles, was das Interesse, die Freude, den Stolz, das Zugehörigkeitsgefühl in der Firma stärkt, kann hier helfen – für jeden persönlich, in Zweier-Gesprächen, in größeren Runden, egal ob virtuell oder in Präsenzbegegnungen.
Zweitens: Stärken stärken
Überlegen Sie für sich selbst: Welche Ihrer Tugenden, Kompetenzen und Eigenschaften helfen Ihnen, um auch in Zeiten der Ungewissheit und des disruptiven Wandels gut arbeiten zu können – und andere dabei zu unterstützen? Bei der einen ist es die große Gelassenheit, beim anderen der Humor, bei der nächsten ist es vielleicht der kreative Mut, neue Arbeitsformen, Geschäftsmodelle oder Strukturen auszuprobieren, beim übernächsten der ansteckende Elan, Dinge auch wirklich anzugehen. Die meisten von uns sind höchstkompetent in der Aufzählung und Analyse von Defiziten – den eigenen und denen anderer – und gleichzeitig viel zu bescheiden im Erkennen und Wertschätzen von Stärken. Dabei sind Menschen viel motivierter, wenn sie ihre Stärken ausleben können, wenn sie ihre Talente und Leidenschaften im Beruf auf die Straße bringen können, als wenn sie – wie leider häufig noch üblich – dazu gezwungen werden, mit großer Energie ihre Defizite abzuschleifen und wegzubiegen.
Drittens: Virtuelle Wir-ologie verwirklichen
Der Mensch ist ein Herdenwesen, Isolation macht uns krank und dumm. Vielen, die von jetzt auf gleich in den Remote Modus geschickt wurden, fehlt der kollegiale Schnack an der Kaffeemaschine, der Kantinentratsch, der informelle Austausch. Doch so wie es aussieht, werden nach dem Ende der Pandemie die wenigsten Organisationen in das alte normal zurückkehren, Führungskräfte müssen also Wege finden, um auch in Zeiten der Distanz Nähe und Miteinander zu stärken und zu fördern. Ob das der „Thirsty Thursday“ ist, das wöchentliche virtuelle Feierabendbier im Team; ob das der gemeinsame Jonglier-Workshop ist, der per Zoom am digitalen Teamtag abgehalten wird; ob das virtuelles Lunch-Lotto oder gezielte Plauderrunden sind, in denen mal nicht über Abgabetermine, Zahlen, Daten, Fakten gesprochen wird: Mitarbeitende, Chefinnen und Chefs haben in den letzten Monaten enorm viele neue Rituale erfunden, um das digitale Miteinander zu stärken (https://blog.creating-corporate-cultures.org/2020/09/03/virtuelle-wir-ologie/). Jetzt geht es darum, diese zu verstetigen, anzupassen und in ein neues Normal wachsen zu lassen.
Viertens: Know-Why vermitteln
Wer ein Wofür zu arbeiten hat, erträgt so ziemlich jedes Wie – frei nach Viktor Frankl. Viele Führungskräfte verbringen seeeehr viel Zeit und Energie damit, ihren Belegschaften möglichst genau das Was und Wie zu erklären – und vergessen darüber das Wofür, den Nutzen, das dahinterliegende Anliegen. Das ist aber am allerwichtigsten, um die Motivation gerade in Zeiten von Veränderung, Zweifel, Ungewissheit zu stärken. Wer profitiert von der Arbeit Ihres Teams, Ihrer Abteilung? Wessen Leben wird damit leichter, besser, gesünder gemacht? Worauf zahlt der Einsatz Ihrer Mitarbeiter letztlich ein? Vermitteln Sie Know-Why – dann ist der Durst nach Know-How automatisch viel größer!
Fünftens: Erfolge planen, erreichen und feiern
Fortschritt befähigt, Wirksamkeit wirkt! In vielen Organisationen wird permanent darauf hingewiesen, was alles noch nicht erreicht ist, was noch zu leisten ist, welche Ziele morgen, übermorgen und überübermorgen doch bitte zu erreichen sind. Und quasi nie erwähnt, was alles schon geschafft wurde, welche Fortschritte bereits gemacht wurden, heute, gestern und vorgestern. Ob sie nun „sprints“ oder „Zyklen“ oder wie auch immer genannt werden: Führung im new work-Kontext sollte immer Meilensteine und Etappenziele setzen – und diese Zwischenerfolge dann auch festhalten und feiern. Dazu gehört neben dem Blick nach vorne – „wo wollen wir hin?“ – auch immer wieder der Blick zurück – „wo kommen wir denn her?“
Sechstens: Feste Überzeugungen locker halten
Was war vor einem halben Jahr alles noch definitiv nicht möglich, nicht machbar oder nicht legal? Und geht heute doch. Führung in sich permanent wandelnden Kontexten sollte flexibel und anpassungsfähig sein. Und darf dennoch nicht wischiwaschi, immer nur abwartend bleiben. „Strong opinions, weakly held“, könnte eine Faustregel lauten, die Balance hält zwischen dem Mut zur Hypothese, zur Intuition, zur Entscheidung einerseits – und der permanenten Bereitschaft zur Revision, zum kreativen Zweifel, zum Pivoting andererseits. (https://medium.com/@ameet/strong-opinions-weakly-held-a-framework-for-thinking-6530d417e364)
Siebtens: Konstant kommunizieren
Je häufiger und je drastischer Führende zu Veränderung anstoßen wollen, desto mehr müssen sie (über-)kommunizieren. Viele Organisationen haben in Covid-Zeiten wöchentliche CEO-Podcasts, Freitags-Newsletter, regelmäßige Zoom-Sprechstunden oder virtuelle town halls eingeführt, in denen Führende die wichtigsten Neuigkeiten kommunizieren und/oder Rede und Antwort stehen. Durch den häufigen zeitlichen und gelegentlichen Informationsvorsprung unterschätzen Führende gern, wie wenig die Mitarbeitenden von Themen wissen, die für sie selbst längst „durch“ sind. Außerdem hilft es, vor allem bei grundlegenden Veränderungen, wenn die Belegschaft immer wieder, in verschiedenen Kontexten und vielleicht auch aus verschiedenen Kanälen liest und hört, warum und wie das Neue erklärt und begründet wird. Wenn Sie als FührendeR also schon gähnen, nach dem Motto: „Habe ich doch schon x-mal erklärt“ – erst dann haben Sie berechtigten Grund zur Annahme, dass Ihre Botschaft so langsam am durchsickern ist.
Siebeneinhalbtens: Optimismus optimieren
Die Zeiten sind, wie bereits erwähnt, ungewiss und für Viele herausfordernd. Ohne jetzt gleich alles schönzureden und sämtliche Herausforderungen zu ignorieren: Schaffen und stärken Sie Lust auf Innovation! Fokussieren Sie auf die Chancen neuer Arbeitsformen statt immer nur auf das, was noch fehlt, vermitteln Sie gesunden Optimismus und Zuversicht für den Weg hin zu flexibleren, innovativeren, individuelleren Formen der Zusammenarbeit und zeigen Sie die Tools, Skripte und Ressourcen auf, die dabei helfen können. Das erhöht die Eintretenswahrscheinlichkeit enorm. Die Herausforderungen, die Hürden einfach ignorieren, das wäre fatale Naivität auf dem Weg zu New work. Doch je stärker wir an die Chancen einer besseren Zusammenarbeit glauben, desto mehr werden wir recht haben.
Alle Artikel zum Thema "Ist New Work eigentlich messbar?" findest Du hier.
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Mitarbeiterorientierte Arbeitgeber erkennen? Das ist möglich mit dem New Work Arbeitgeber-Siegel. Es honoriert Unternehmen, die ein mitarbeiterorientiertes Arbeitsumfeld schaffen, in dem Beschäftigte eigenverantwortlich zusammenarbeiten und ihre Potenziale frei entfalten. Erfahre hier mehr über das New Work Arbeitgebersiegel.
Entstanden ist das Arbeitgebersiegel in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Tobias Dauth – im NWXnow-Videocast hat er mit unserem Kollegen Marc-Sven Kopka über konkrete Kriterien für New Work in Unternehmen gesprochen, und warum aktuell ein guter Zeitpunkt ist, um die Arbeit umzukrempeln. Das ganze Gespräch findest Du hier.