Wie bunt und menschlich ist die neue Arbeitswelt wirklich? | © James A. Molnar/Unsplash

New Work wollte Freiheit. Diversity fragt: Für wen?

Flexibles Arbeiten, Sinnorientierung, flache Hierarchien – das war das Versprechen von New Work. Doch während viele Organisationen noch ihre Strukturen modernisieren, fehlt oft die soziale Dimension. Future of Work gelingt nur, wenn wir Effizienz mit Gerechtigkeit verbinden – und New Work mit Diversity zusammendenken.

Vor ein paar Jahren war „New Work“ das Schlagwort der Stunde. Unternehmen stellten ihre Büros um, führten flexible Arbeitszeiten ein, testeten Holacracy, führten Feedback-Rituale ein. Arbeit sollte sinnstiftender, selbstbestimmter, menschlicher werden. Die Frage lautete: Wie wollen wir arbeiten?

Heute, nur wenige Jahre später, ist von dieser Aufbruchsstimmung wenig übrig. In vielen Organisationen erleben wir das Gegenteil: Sparmaßnahmen, Zurückhaltung, Fokus auf das Tagesgeschäft. Zukunftsorientierte Themen wie Organisationsentwicklung, Nachhaltigkeit oder Gleichstellung werden „pausiert“. Gerade jetzt, in Zeiten von Unsicherheit, wirtschaftlichem Druck und gesellschaftlichen Umbrüchen, brauchen wir eine Vision. Nicht als Luxus, sondern als Grundlage dafür, wie wir in Zukunft arbeiten, zusammenleben und gestalten wollen.

New Work hat uns gezeigt, wie Arbeit anders funktionieren kann

Die New-Work-Bewegung hat einen wichtigen Beitrag geleistet: Sie hat Arbeit als Gestaltungsraum verstanden. Sie hat gezeigt, dass Vertrauen, Autonomie und Sinn nicht nur „nice to have“ sind, sondern Leistungsfähigkeit und Innovationskraft fördern. Doch oft blieb New Work an der Oberfläche: als Frage nach Tools, Meetingstrukturen oder Methoden.

Was häufig fehlte, war die soziale Dimension. Wer kann sich Selbstorganisation leisten? Wer wird gehört, wenn Hierarchien abgebaut werden? Wer profitiert von flexiblen Modellen – und wer wird dadurch unsichtbar?

Hier setzt Diversity an.

Diversity lehrt uns, für wen wir Arbeit gestalten

Diversity erweitert den Blick. Es geht nicht nur darum, wie wir arbeiten, sondern für wen. Eine diverse Arbeitswelt fragt nach Zugehörigkeit, Gerechtigkeit und Repräsentation. Sie erkennt an, dass nicht alle Mitarbeitenden dieselben Startbedingungen haben – und dass „gleiche Chancen“ nicht automatisch faire Chancen sind.

Wenn wir über die Zukunft der Arbeit sprechen, müssen wir diese soziale Perspektive mitdenken. Denn die Arbeitswelt von morgen wird nicht nur digitaler, sondern auch vielfältiger, älter, internationaler. Organisationen, die dies ignorieren, riskieren, in den alten Mustern des Industriezeitalters zu verharren – und da helfen dann auch die besten Methoden nichts.

Bei IN-VISIBLE erleben wir das immer wieder. Wir helfen Organisationen genau an dieser Schnittstelle: zwischen Struktur und Haltung, zwischen Gestaltung und Gerechtigkeit. Wir helfen Teams und Führungskräften, New Work mit Diversity zu verbinden – damit Zukunft nicht nur gedacht, sondern auch gelebt wird.

Das ist in der Praxis leichter gesagt, als getan. Denn viele der bewährten methodischen Ansätze können der Komplexität unserer Welt nicht wirklich gerecht werden. Sie gehen oft von vereinfachten Annahmen aus, setzen auf Gleichheit dort, wo Unterschiede zählen, und ignorieren Machtverhältnisse, die darüber entscheiden, wer gehört wird – und wer nicht.

Viele der Ansätze und Methoden bemühen sich, sicherzustellen, dass alle Menschen gleich sicher sprechen, gleich viel Raum bekommen, gleich gut ihre Perspektive einbringen können. Bei Design Thinking gibt es zum Beispiel Time Boxing, der Redeanteil wird beispielsweise nach Brainstorming Sessions gleich verteilt. In der Theorie ist das super, um zu verhindern, dass Einzelne ganz viel Zeit klauen. In der Praxis gestaltet sich das aber schwerer. Nur weil alle gleich viel Zeit haben, heißt das noch lange nicht, dass das Wort von jeder Person gleich viel zählt. Und genau hier entstehen unsichtbare Ausschlüsse.

Zukunftsfähigkeit braucht beides: Struktur und Haltung

Future of Work entsteht nicht aus einem Tool oder Konzept, sondern aus einer Haltung. Sie entsteht dort, wo strukturelle und kulturelle Fragen zusammen gedacht werden. Wo Führung nicht nur bedeutet, Ressourcen zu managen, sondern Verantwortung für Kultur zu übernehmen.

Das heißt konkret:

  • Flexible Arbeit braucht klare Prinzipien der Gerechtigkeit – sonst wird sie zum Privileg für wenige.

  • Vertrauen braucht Diversität – sonst entsteht eine homogene Kultur, in der nur Ähnliche sich sicher fühlen.

  • Innovation braucht Zugehörigkeit – sonst fehlt die psychologische Sicherheit, die neue Ideen überhaupt möglich macht.

Zukunftsfähigkeit heißt also nicht, das nächste Trendkonzept zu adaptieren, sondern langfristig eine Arbeitskultur aufzubauen, die sowohl effizient als auch gerecht ist.

Warum das gerade jetzt wichtig ist

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und gesellschaftlicher Polarisierung ist es leicht, Zukunftsthemen als Luxus zu betrachten. Doch gerade jetzt sind sie der entscheidende Faktor für Stabilität. Eine Organisation, die Visionen formuliert, Beteiligung ermöglicht und soziale Verantwortung ernst nimmt, schafft Orientierung – und damit Resilienz.

Die Zukunft der Arbeit darf kein Entweder-oder sein. Sie ist kein Kompromiss zwischen „New Work“ und „Diversity“, sondern eine Synthese: New Work zeigt uns, wie Arbeit menschlicher werden kann. Diversity zeigt uns, für wen. Wer beides zusammen denkt, gestaltet Arbeit nicht nur neu – sondern fair und dadurch auch nachhaltig.

Zukunftsfähigkeit entsteht nicht aus kurzfristigem Krisenmanagement. Sie entsteht aus langfristigem Denken, aus der Fähigkeit, neue Antworten zu entwickeln, wenn alte Muster nicht mehr tragen. Dabei zeigt sich gerade jetzt, dass die Zukunft der Arbeit nur dann wirklich zukunftsfähig ist, wenn sie zwei Perspektiven zusammenbringt: die strukturellen Learnings aus New Work und die sozialen Learnings aus Diversity.

Welche Erfahrungen habt ihr mit New Work gemacht – und was braucht es aus eurer Sicht, damit Future of Work wirklich inklusiv wird?

Rea Eldem schreibt über Gendergerechtigkeit, Arbeitskultur, Wirtschaft & Management, Personalwesen

Rea Eldem ist die Gründerin und Geschäftsführerin von IN-VISIBLE, Berliner Agentur für gendergerechte Arbeitskultur. Rea wuchs in Deutschland, Japan und Hongkong auf und studierte Kulturwissenschaften am Bodensee und Gender Studies an der University of Cambridge.

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