„Nur ein bisschen erkältet“ – und trotzdem im Meeting?

Angeschlagen zu arbeiten, wird oft mit „Einsatz“ verwechselt. Dabei ist es klüger, auf seinen Körper zu hören, bevor er eine Pause erzwingt.

Fast jeder zweite Beschäftigte schleppt sich krank zur Arbeit, das belegt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). In der Arbeitspsychologie spricht man hier vom Präsentismus, dem Phänomen, trotz Krankheit zu arbeiten. Nicht selten sind Schuldgefühle, Verantwortungsbewusstsein oder die Angst vor Jobverlust treibende Kräfte.

Doch wann ist „nur leicht krank“ eigentlich zu krank, um zu arbeiten? 🤒

Hör auf Deinen Körper – nicht auf Dein Pflichtgefühl 🤧

Sofern Du bei der Mehrheit der Punkte innerlich nickst, braucht Dein Körper eine Pause. Gönn Dir ein bis zwei Tage Ruhe, damit sich Dein Immunsystem erholen kann und Du die Erkältung nicht verschleppst. Selbst das Robert Koch-Institut rät, bei Symptomen einer akuten Atemwegsinfektion einige Tage zu Hause zu bleiben, bis eine deutliche Besserung eintritt. So schützst Du Dich und andere: Dein Körper und Deine Kolleg·innen werden es Dir danken.

Wenn Du Dir immer noch unsicher bist, ob Du wirklich arbeitsfähig bist, hilft die offizielle Definition des Gemeinsamen Bundesausschusses:

Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn Versicherte auf Grund von Krankheit ihre zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen können.
Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses

Diese Definition zeigt: Es geht nicht darum, ob man „irgendwie durchhält“, sondern darum, die eigene Gesundheit nicht zu gefährden.

Weniger Präsentismus, mehr Gesundheit: So beugst Du Ansteckung und Erkältung vor 😷

Präsentismus beginnt oft schleichend. Gerade in der Erkältungszeit ist es wichtig, die Signale des eigenen Körpers ernst zu nehmen und Verantwortung zu übernehmen. Zum eigenen Schutz und zum Schutz anderer. Wer krank arbeitet, verlängert nicht nur die eigene Genesung, sondern riskiert auch, andere anzustecken und so den Ausfall im Team zu vergrößern.

Wenn Du Dich dennoch fit fühlst, darfst Du selbstverständlich arbeiten gehen. Denn auch bei leichten Symptomen gilt: Hör auf Deinen Körper und nimm Rücksicht auf andere, indem Du auf Hygiene achtest.

Gründe für Präsentismus – Warum wir trotzdem arbeiten 💻

Ganz einfach: Der Drang, „funktionieren zu müssen“, ist fast ansteckender als die Erkältung selbst. Viele Beschäftigte kennen diese Gedanken:

  • Schuldgefühle: „Ich kann mein Team doch nicht im Stich lassen“ oder noch schlimmer „Die denken bestimmt, ich will mir nur ein paar freie Tage gönnen“.

  • Verantwortungsbewusstsein: „Wer übernimmt meine Aufgaben?“ oder „Das bleibt ja sonst alles liegen“. Dieses Verantwortungsgefühl, das uns sonst motiviert, wird in solchen Momenten schnell zum größten Feind.

  • Karrierechancen & Jobverlust: Hinzu kommt die Angst, Karrierechancen zu verpassen, nur weil Du wegen einer popeligen Erkältung zu Hause bleibst. Du willst zeigen, dass Du belastbar bist und immer ablieferst. Oder noch schlimmer: die Sorge, durch zu viele Krankheitstage Deinen Job zu riskieren. 

👉🏼 Virtueller Präsentismus im Homeoffice

Auch im Homeoffice ist Präsentismus kein Fremdwort. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zeigte bereits vor der Pandemie, dass Beschäftigte, die häufig im Homeoffice arbeiten, häufig ebenfalls krank weiterarbeiten. Dieses Verhalten wird auch „virtueller Präsentismus“ genannt. Die psychologischen Auslöser sind dieselben.

All das sind nachvollziehbare Gründe, und doch spielen sie dem Präsentismus in die Karten. So verständlich der Gedanke „trotz allem durchzuhalten“ auch ist: In Wahrheit schadest Du Dir und Deinen Mitmenschen mehr, als Du denkst.

Die unterschätzten Folgen von Präsentismus ⚠️

Du meinst, trotz der oben genannten Symptome zur Arbeit zu gehen, ist ein Zeichen von Einsatz? Falsch gedacht, denn in Wahrheit startest Du damit eine ganze Kettenreaktion negativer Folgen.

👉🏼 Konzentrationsverlust

Seien wir mal ehrlich: Schon bei leichten Kopfschmerzen fällt es uns deutlich schwerer, uns zu konzentrieren. Die Leistungsfähigkeit und Produktivität sinken, wodurch Fehler deutlich häufiger auftreten. Fachärzte und Forschende (Fernandes et al., 2024) zeigten, dass bei Kopfschmerzen die Verarbeitungsgeschwindigkeit, das Arbeitsgedächtnis und die Aufmerksamkeit deutlich abnehmen.

👉🏼 Körperliche Überlastung

Zwischen „nur leicht erkältet“ und „warum liege ich plötzlich flach?“ liegen genau zwei Meetings. Viele übersehen absichtlich die Zeichen ihres eigenen Körpers, der längst nach einer Pause ruft. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (2021) warnt in ihrer Leitlinie ausdrücklich davor, körperliche Belastung bei Infekten zu vermeiden, da sie das Herz zusätzlich beanspruchen kann.

👉🏼 Langfristige Gesundheitsrisiken

Langfristig gefährlich wird Präsentismus, weil er die Genesung verzögert und zu längeren Ausfallzeiten führt. Das bestätigt auch eine Studie der finnischen Arbeitsmedizinerin Dr. Marianna Virtanen (2016): Regelmäßiges Arbeiten trotz Krankheit verschlechtert die Gesundheit und erhöht das Risiko längerer Arbeitsunfähigkeit. Du tust Dir also selbst keinen Gefallen, wenn Du krank zur Arbeit gehst, und handelst gleichzeitig verantwortungslos, indem Du Deine Kolleg:innen gefährdest, sich anzustecken und ebenfalls auszufallen.

Gesund bleiben ist Stärke 🍀

Präsentismus ist kein Zeichen von besonderem Einsatz, sondern ein Missverständnis aus Pflichtgefühl und falschem Ehrgeiz. Wer sich eine Pause gönnt, schützt nicht nur sich selbst, sondern hält das Team langfristig gesund.

Also: Stärke heißt nicht, krank zu erscheinen, sondern gesund zu bleiben. Dein Körper und Dein Team werden es Dir danken.

Hinweis: Dieser Beitrag stellt keine medizinische Beratung dar. Er ersetzt keine professionelle Diagnose oder Behandlung. Bei gesundheitlichen Fragen wende Dich bitte an medizinisches Fachpersonal.

Job & Karriere schreibt über Das Wichtigste zu den Themen Arbeit, Karriere & Kollegen

Täglich das Wichtigste zum Thema Job & Karriere. Folge dieser Seite und erhalte die wichtigsten Nachrichten zu Job- und Karriere-Themen in Deinem Stream. So sparst Du Dir die eigene Recherche und wirst stets kompakt an einer Stelle mit den wichtigsten Nachrichten versorgt. Du kannst Dir die Artikel zum späteren Lesen merken oder Deinen Kollegen per E-Mail oder XING Nachricht empfehlen. Die Auswahl der Online-Nachrichten wird auf Basis ihrer Popularität automatisch vorgenommen. XING ist für den Inhalt nicht verantwortlich und trifft mit dem Versand keine Bewertung oder Unterstützung für ggf. enthaltene Produkte, politische Parteien oder Firmen.

Artikelsammlung ansehen