Offene Innovation als Erfolgsfaktor
Ein wichtiger Teil der Arbeitswelt der Zukunft ist das Konzept der offenen Innovation oder «open innovation».
Stellen Sie sich zum Anfang folgende Frage: Wie wahrscheinlich ist es, dass die cleverste, talentierteste und kreativste Person für Ihre Firma arbeitet? Wie wahrscheinlich ist es, dass die fähigste Person bei Ihnen angestellt ist und nicht irgendwo ausserhalb Ihrer Firma Mehrwert stiftet? Sie müssen rein statistisch davon ausgehen, dass das Potenzial von fähigen, innovativen Menschen ausserhalb Ihrer Firma deutlich grösser ist als innerhalb Ihrer eigenen vier Wände – egal wie gut Ihr Rekrutierungsprozess funktioniert.
Darauf baut das Konzept der offenen Innovation und daraus resultieren bedeutende Vorteile für Unternehmen wie z.B. schnellere und bessere Produkteentwicklung (Stichwort «time-to-market» oder «product-market-fit»). Für die vernetzte, schnelllebige Welt ist offene Innovation deshalb ein kritischer Erfolgsfaktor, um durch agile Innovation Mehrwert schaffen zu können.
Was ist offene Innovation?
Doch was ist mit offener Innovation gemeint? Wikipedia gibt folgende Antwort:
«Der Begriff (...) bezeichnet die Öffnung des Innovationsprozesses von Organisationen und damit die aktive strategische Nutzung der Aussenwelt zur Vergrösserung des Innovationspotenzials. Das Open-Innovation-Konzept beschreibt die zweckmäßige Nutzung von in das Unternehmen ein- und ausdringendem Wissen, unter Anwendung interner und externer Vermarktungswege, um Innovationen zu generieren.»Wikipedia
Das klingt zugegebenermassen alles etwas abstrakt und deshalb schauen wir uns hier ein paar Beispiele an; namentlich das Mountain Bike, das Musikgenre Hip-Hop und Lego.
Professionelle Amateure
Das Mountain Bike wurde nicht im Innovationslabor oder in einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung eines grossen Konzerns erfunden. Das Mountain Bike war eine Erfindung von Fahrradfahrern, die ein belastbares Fahrrad haben wollten. Es waren sogenannte «Proams» (professionelle Amateure), welche das Mountain Bike selbstständig und iterativ entwickelt haben, bevor es von grossen Firmen mit viel Ressourcen aufgenommen wurde. In diesem TED-Talk wird die Entstehung des Mountain Bikes und wichtige die Rolle von «Proams» unterhaltsam erläutert.
Ebenfalls in diesem TED-Talk erwähnt ist der Umstand, dass das heute dominierende Musikgenre Hip-Hop nicht die Kreation ist von einem Musik-Label, einer Plattenfirma oder einem Magistraten der Musikindustrie. Vielmehr entstand diese Musikrichtung auf den Strassen von Amerika und hat sich quasi von unten nach oben gearbeitet («buttom-up-Prinzip» anstatt «top down»). Was als «underground» und Rebellion angefangen hat mit Hip-Hop Artists wie N.W.A., ist jetzt eine Multi-Millarden-Dollar Industrie. Oder wie es einer der heute erfolgreichsten Hip-Hop Superstars namens Drake sagen würde in einem seiner Songs: «we started from the buttom and now we’re here».
Die wichtigste Erkenntnis aus dem Hip-Hop-Beispiel ist, dass diese unglaubliche musikalische Innovation und Erfolgsgeschichte, die einen enormen Markt geschaffen hat, niemals von irgendeinem Innovationsteam oder Chef in einer Organisation der Musikindustrie hätte erfunden werden können. Nicht zuletzt, weil man diese seltsame Idee niemals durch die rigiden Bewilligungsstrukturen hätte hindurch bringen und absegnen lassen können.
Am Puls der Zeit und den Kundenbedürfnissen dank offener Innovation
Wer seinen Innovationprozess nicht öffnet, riskiert den Puls der Zeit zu verpassen, ins Hintertreffen zu geraten oder wichtige Kundenbedürfnisse nicht zu erkennen. Ein spannendes Beispiel hierzu stammt aus dem Hause Lego und beginnt mit der Frage: Woher weiss Lego, welcher Baukasten entwickelt werden sollte und wo sich die Investitionen lohnen? Woher weiss Lego, dass ein Produkt den Kunden- und Marktbedürfnissen genügen wird und nicht zu einem Misserfolg verkommt?
Ganz einfach: Lego verfolgt einen Open-Innovation-Ansatz. Auf der Ideen-Plattform von Lego können Fans ihre Vorschläge für neue Baukasten hochladen und die Lego-Community kann über die verschiedenen Ideen für künftige Produkte abstimmen. Jenes Produkt, dass vielversprechend erscheint, kann Lego dann produzieren.
Hier ist spannend hervorzuheben, dass die Kunden von Lego faktisch für Lego arbeiten, ohne dass sie angestellt würden oder signifikant finanziell profitieren würden. Die Open-Innovation-Community von Lego ergänzt hier kostenlos (!) das Forschungs- und Entwicklungsteam von Lego und leistet kostenlos (!) Marketingarbeit. Die Vorteile für Lego sind offensichtlich.
Open Innovation umsetzen
Hoffentlich haben diese wenigen Beispiele Ihre Fantasie angeregt und Ihr Gespür für das Potenzial von offener Innovation geschärft. Um offene Innovation in Ihrer Firma anzupacken, können Sie sich z.B. folgende Fragen stellen:
Wie kann ich mit meinen Kunden oder Lieferanten Feedback-Schlaufen wie beim Lego Beispiel kreieren?
Welche externen Stakeholder könnte ich beim nächsten Design Thinking Workshop einladen?
Wer gehört zum eigenen Innovations-Ökosystem von verschiedensten Partnern und wie kann ich diese nutzbringend aktivieren?
Wie kann ich aus Kunden Fans machen, die bereit sind, kostenlos Mehrwert zu schaffen?
Wie kann ich Arbeitsschritte oder Teilprodukte konzipieren, sodass das Potenzial der Masse aktiviert werden könnte, z.B. indem die Mitarbeit an Herausforderungen Ihrer Firma für Aussenstehende sinnstiftend gestaltet und per Wettbewerb zugänglich gemacht werden?
Welche Innovationen haben Sie in Ihrer Firma generiert, welche woanders, ausserhalb Ihrer Firma Potenzial haben könnten?
Das sind nur ein paar wenige Gedankenspiele, welche als erste Schritte hin zu einer offenen Innovationsstrategie führen können. Der bereits zitierte Wikipedia-Artikel bietet eine gute Übersicht zu weiteren Punkten bezüglich der Implementierung von offener Innovation.
Das Potenzial ausserhalb der Organisation
Aus dem Open-Innovation-Ansatz ergibt sich aber noch eine weitere spannende und sehr bedeutende Frage für Arbeitgeber: Warum innovieren vollzeitbeschäftigte Menschen eigentlich ausserhalb deren Tätigkeit für ihren Arbeitgeber?
Die Forschungsergebnisse der Stanford Professorin Pamela Hinds legen nahe, dass offene Innovation funktioniert, weil Privatpersonen darin die Möglichkeit sehen, neue Fähigkeiten zu erlernen und mit erfahrenen, anregenden Menschen zu kollaborieren. Offene Innovation existiert, weil Menschen im Allgemeinen lernen und kreativ sein wollen und weil man bei diesen Aktivitäten persönliches Wachstum und Sinn erfährt. (HINWEIS: Die Wichtigkeit von persönlichem Wachstum und Sinn wird in diesem Artikel zum Thema Resilienz erläutert. Und die Wichtigkeit von Werten für das Storytelling werden in diesem Podcast mit einem Experten von Apple besprochen.)
Prof. Hinds sieht in ihrer Forschung, dass "innerhalb des Arbeitsplatzes etwas nicht passieren kann, was passieren sollte". Etwas, das es den Menschen ermöglichen würde, mehr zu lernen, mehr zu experimentieren und mehr zur Organisation beizutragen.
Dieses Thema werden wir im nächsten Artikel vertiefen, wenn es darum gehen wird, was Arbeitgeber von Start-ups lernen können für die Zukunft der Arbeit. Das komplette Gespräch mit der Stanford Professorin ist auf Englisch als Podcast verfügbar.
Serie zur Zukunft der Arbeit
Dieser Artikel ist Teil 2 einer 3-teiligen Serie zum Thema Zukunft der Arbeit. Sie können mir hier auf Xing folgen, um ein Update zu erhalten, sobald der letzte Artikel der Serie veröffentlicht wird. Oder Sie schauen sich die bereits veröffentlichten Artikel in meiner Artikelsammlung an. Die Serie umfasst:
Teil 2: Open Innovation als Erfolgsfaktor
Teil 3: Was wir von Start-ups lernen können
Die Artikel basieren auf dem ausführlichen Gespräch mit Prof. Hinds von Stanford (Silicon Valley), eigener Erfahrung und weiteren Quellen, die jeweils in den Artikeln verlinkt sind. Wer sich das Gespräch mit Prof. Hinds komplett anhören möchte (nur auf Englisch), kann dies hier tun:
Sparkr Podcast mit Prof. Hinds
Des weiteren finden Sie hier einen Artikel und Podcast zum Thema Innovation in Ökosystemen.
Wer noch weitere spannende Gespräche anhören möchte mit führenden Persönlichkeiten aus Firmen wie Apple, Facebook oder Interviews mit unabhängigen Experten zu Themen wie Künstlicher Intelligenz oder Kreativität, findet alles auf www.sparkr.ch/podcast.
Open Innovation anpacken
Wenn Sie gemeinsam Konzepte und Strategien für offene Innovation in Ihrem Unternehmen entwickeln möchten, stehe ich Ihnen gerne für ein unverbindliches Erstgespräch zur Verfügung. Als Inhaber der Agentur Sparkr gehört es zu meinem Tätigkeitsbereich, innovative Ökosysteme mit den richtigen Menschen und Ideen für Klienten aufzubauen und zu unterhalten. Erfahren Sie mehr auf meiner Website.