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Enterprise Resource Planning (Geschäfts-Ressourcenplanung)

Ohne ein vernünftiges ERP System gibt es keine digitale Transformation

Es ist wohl die älteste Geschichte der Welt, wenn man sagt: Schuster, bleib bei Deinen Leisten. Das hat auch eine sehr einfache Bedeutung: Tu nichts, wovon du nichts verstehst. Rede nicht über etwas, womit du dich nicht auskennst. Das nennen wir teilweise Vernunft, teilweise nennen wir das Kultur. Andere verstehen darunter German Angst, also die Situation, die wir in vielen Firmen nur zu gut kennen, nichts Neues zu wagen. Das macht man nicht, weil meistens das Bestehende funktioniert. Dafür gibt es wiederum einen anderen Spruch auf Englisch: “Never change a running system.”, das soviel bedeutet wie, dass man laufende Systeme, die funktionieren, nicht verändern soll.

Aber es sei mir gestattet, zu fragen, ob diese Aussagen in der heutigen Zeit noch stimmen? Ich möchte das besser verstehen und habe mich dazu mit Matthias von Blohn von Oracle ausgetauscht.

Matthias von Blohn ist einer der Experten in Deutschland rund um das Thema der Planung, Steuerung und Verwaltung von Unternehmen - kurz ERP genannt. Er hat bei McKinsey gearbeitet, wechselte dann zu SAP und vor ca. 18 Monaten führte ihn sein Weg zu Oracle. Mit seinem Team analysiert er Werttreiber und Geschäftsnutzen von Transformationsprojekten und deren IT Implikationen. Dadurch hat er tiefe Einblicke in die Business-Seite. Er bekommt also hautnah mit, was die digitale Agenda der Unternehmen ist und wie heute an den Zielen gearbeitet wird. Ich habe ihn schätzen gelernt als jemanden, der sehr gut den Grad der Digitalisierung einschätzen kann, egal ob in der Industrie, Produktion oder aber bei der Entwicklung von Software.

Er unterscheidet bei allen Entwicklungen, die das Software getriebene Geschäft angeht, zwei Linien. Zum einen ist er der Meinung, dass Firmen wie Netflix, Facebook und Google von Anfang an Technologien von Grund auf für sich selbst entwickelt und damit einen gigantischen Vorteil gegenüber den traditionellen Unternehmen haben. Sie haben skalierbare, flexible Technologien entwickelt, die esso am Markt nicht gab. Die andere Linie verläuft genau gegenseitig, also Softwarelandschaften, die zusammengekauft und über Jahre hinweg angepasst werden.

Das Gespräch fängt schon mal gut an. Was genau bedeutet das nun?

Wenn es also darum geht, Unternehmen zu modernisieren, haben wir bei traditionellen Unternehmen viele Baustellen, die man nicht einfach beheben kann. Das sind Technologie-Baustellen, die historisch gewachsen sind. Ich würde Sie jetzt bitten, langsam zu folgen, denn Technologie ist leider sehr komplex und meistens haben Unternehmen dutzende Technologien, die zusammenarbeiten müssen. Wir wollen uns hier in diesem Artikel auf einen der wichtigsten Bausteine der Technologie konzentrieren, die eine digitale Transformation bändigen kann. Die Rede ist vom ERP-System. Das möchte ich genauer wissen. Was bedeutet ein ERP-System für Unternehmen und warum habe ich in einer kleinen Umfrage kaum eine Top-Führungskraft gefunden, die einen Wert auf ein ERP-System legt?

Gut, es ist irgendwie nachvollziehbar. Über ein ERP-System würde ich bei der digitalen Transformation jetzt nicht direkt als Erstes nachdenken. Daher habe ich ihm die Frage gestellt, was denn ein ERP-System überhaupt ist und warum er ihm eine große Bedeutung zuweist.

Zusammenfassung zu ERP: Es ist die Abkürzung für Enterprise Resource Planning, übersetzt: Geschäfts-Ressourcenplanung. ERP-Systeme sind betriebswirtschaftliche Softwarelösungen zur Steuerung von Geschäftsprozessen. Mit ihnen werden betriebliche Ressourcen wie Kapital, Personal oder Produktionsmittel bestmöglich gesteuert und verwaltet.

Lass uns diesen Begriff ERP genauer anschauen:

Ein Geschäft (also Deal oder Trade) ist ein Tauschvorgang zwischen Wirtschaftssubjekten, der die Erzielung oder Verwendung von Einkommen (am besten Gewinnen) zum Ziel hat.

Eine Ressource ist z.B. Mittel, Gegebenheit wie auch Merkmal bzw. Eigenschaft, um die Ziele zu verfolgen, die Anforderungen zu bewältigen, spezifische Handlungen zu tätigen oder einen Vorgang zielgerecht ablaufen zu lassen.

Die Planung beschreibt die menschliche Fähigkeit oder Tätigkeit zur gedanklichen Vorwegnahme von Handlungsschritten, die zur Erreichung eines Zieles notwendig sind.

Aufgabe und Bedeutung von ERP-Systemen

ERP-Systeme kommen in allen Teilen der Wertschöpfungskette zum Einsatz sowohl in produzierenden als auch in Dientleistungsunternahmen.Daher kann ein ERP-System sowohl ganzheitlich als auch speziell gestaltet sein und erfüllt verschiedene Aufgaben zur Bereitstellung und Weiterverarbeitung von Informationen, die notwendig sind, um die vielfältigen Aufgaben in einem Unternehmen zu lösen. Und in einer Zeit von Wandel und Disruption sind genau diese Informationen für die Führungskräfte elementare Bestandteile des Erfolgs. Erst die gesicherten Arbeitsabläufe erleichtern und automatisieren wichtige Aufgaben, die man benötigt, wenn Unruhe in einem Unternehmen entsteht. Ich habe persönlich oft erlebt, dass durch die digitale Transformation viele Abteilungen in den Unternehmen – freundlich ausgedrückt – verrückt spielen und viele Fehlentscheidungen treffen, zum Beispiel rund um das Thema Personal. Für das Unternehmen ergeben sich dadurch nicht Zeit-, Kosten- und Aufwandsersparnisse, sondern Stress.

Aber wollen wir uns nochmal die Zukunftsorientierung von ERP-Systemen anschauen. Denn zunehmend werden Cloud-Applikationen in eine ERP-Software integriert. Beispiele sind dafür z.B. im

  • Finanzwesen: ERP unterstützt bei Buchhaltung, der Budgetierung von verschiedenen Projekten, hilft beim Risikomanagement, um z.B. eine Investition zu planen und hilft bei der Erstellung und Auswertung von Analysen und Reporting.

  • Warenwirtschaft: ERP unterstützt die Beschaffung von Waren und Materialien, hilft bei der Bedarfsermittlung, der Lagerhaltung, der Bestellabwicklung, der Disposition oder der Bewertung der Produkte (wie z.B. Amazon-Rezensionen).

  • Forschung und Entwicklung: ERP unterstützt auch beim Wissensmanagement, was für neue Arbeitswelten unbedingt notwendig ist. Es hilft bei der Budgetkontrolle für verschiedene Projekte, erlaubt Projektbewertungen und Ressourcenplanung. Weiterhin ist es ein gutes Instrument, um Meilenstein- Management und Informationsmanagement für die Führungskreise anzubieten.

  • Vertrieb: ERP unterstützt selbstverständlich auch bei der Angebotssteuerung, der Auftragsbearbeitung, dem Preismanagement, Wareneingang, bei der Rechnungsabwicklung und Erstellung von Absatzprognosen. So weiß man immer, wo genau man sich befindet.

  • Personalwesen: Außerdem unterstützt ERP auch die Personalplanung, Personalentwicklung, Personalbeschaffung, Personalcontrolling und Gehaltsabrechnung. Besonders für Unternehmen in einem Umbruch sind diese Aufgaben wichtige Elemente, um zu sehen, wie sie als Unternehmen personell aufgestellt sind und um Talente zu gewinnen und zu binden.

Nun frage ich mich – und genau diese Antworten suche ich ja –, warum Unternehmen es sich so schwer machen, solche modernen und nützlichen Systeme einzusetzen. Natürlich haben die meisten Konzerne ERP-Systeme, aber ich habe persönlich noch NIE gehört, dass es als wichtiges Tool im Management verstanden wird.

Ich habe Matthias nach seiner Meinung gefragt. Er sagte mir, dass die meisten Firmen, die sich digitalisieren wollen, solche Technologien schon früh – also zwischen 1995 und 2005 – implementiert haben. Heute kann man daher tatsächlich von alten Systemen sprechen. Sie sind teuer in der Wartung, langsam und haben oft auch nur schwache IT-Security Eine Katastrophe.

Und genau damit hat man im Kern der Digitalisierung, also im Enterprise-Application- Bereich, zu kämpfen. Entweder sind diese Systeme „Digitaler Schrott“ – also veraltet im Hinblick auf moderne Anforderungen und den Wettbewerb. Oder sie sind wie „Digitaler Beton“, weil sie sich nicht einfach verändern lassen, ohne das gesamte System komplett abzureißen.

Die Herausforderung ist damit einfach erklärt: Häufig liegen Systeme in der Hand der IT, weil man damals solche Tools & Services der IT-Abteilung zugesprochen hat. Allerdings liegt dort nicht die Prozesskompetenz. Die Wirtschaft ändert sich. Manager brauchen heutzutage digitale Kompetenzen und Themen wie das ERP-System gehören auf die Management Agenda. Aber das Problem ist, dass die IT-Abteilung laufende Prozesse kaum ändern kann, und – wenn überhaupt - das alte System durch ein kaum besseres System für viel Geld ersetzt. Den Schritt, neue Wege zu gehen, fällt häufigsehr schwer. Ganz nach dem Motto: Schuster, bleib bei Deinen Leisten.

Wie bekommt man ein altes System auf die nächste Welle?

Ein Unternehmen kann nicht funktionieren ohne eine komplette Verdrahtung in allen Bereichen. Alles muss komplett miteinander verknüpft sein und wie ein Uhrwerk funktionieren. Alte Systeme müssen durch neue Systeme ersetzt werden, um in diesem Zug idealerweise auch die Prozesse zu optimieren.

Im Büro angekommen, schaue ich mir die Angebote der Firmen genauer an. Es stimmt, Oracle arbeitet mit Technologien, die absolut auf dem Zeitgeist der aktuellen Entwicklung liegen und ein großes Application-Angebot haben.

Dagegen ist z.B. SAP andersherum aufgestellt: Ein riesiger Application-Bereich und ein kleiner bis nicht vorhandener Technologie-Bereich.

Was genau bedeutet das?

Wahrscheinlich hat sich Oracle entschieden, direkt in die Cloud-Welt einzusteigen. SAP hat das erst sehr spät erkannt und versucht nun, mit in der gleichen Welle zu schwimmen, jedoch mit den gleichen Produkten, die sie sowieso schon hatten, bloß leicht verändert.

Das ist auch sinnvoll. Die Systeme von SAP sind so tief in den Unternehmen verankert, dass ein Umbau viele Ressourcen, aber auch unfassbar viel Kapital benötigt. Ich denke, dass die Firmen genau deshalb das gleiche System – leicht verändert – nochmal kaufen und vielleicht kaufen sie noch andere Produkte wie z.B. einzelne Cloud Satelitten als Punktlösung dazu.

Oracle verspricht hingegen, durch ihre Produkte direkt den Sprung in die Cloud Welt zu schaffen. Von den großen etablierten App-Anbietern agiert Oracle am ehesten so, wie die neuen Pure-Play-Anbieter, also ausschließlich moderne Cloud Software, die über das Internet genutzt wird und stets up-to-date bleibt.

Warum machen Führungskräfte das ERP-Thema nicht zur Chefsache?

Das ist für mich unverständlich. Ich denke, die Antwort liegt an der digitalen Kompetenz der Führungskräfte. Sie haben das Thema ERP den Fachkräften überlassen.

Weiterhin hat das etwas mit der Ignoranz des Top-Managements und dem Machterhalt der IT zu tun. Wichtige Entscheidungen wie über das ERP-System sollten abteilungsübergreifend entschieden werden, nicht nur durch die IT.

Warum ohne ERP kein gutes BIG Data möglich ist!

Unternehmen wollen mit aller Dringlichkeit Big Data in ihren Unternehmen nutzen. Jedoch ist das größte Problem, dass wir hier mehrere Abteilungen mit verschiedenen Formen von Daten haben. Wenn wir diese Daten am Ende richtig nutzen wollen, benötigt jede Abteilung ihre eigenen KPIs, die am Ende zu logischen Zusammenstellungen und Berechnungen kommen müssen. Ohne ein ERP-System ist das kaum möglich. Wie soll ein Unternehmen die Daten kombinieren, zusammenstellen, sichtbar machen, ergänzbar machen, anpassbar machen, ohne dass es Probleme gibt? Um solche Aufgaben logisch zu lösen, ist ein ERP-System unabdingbar.

Was bleibt am Ende zu sagen?

Relativ einfach:

  1. ERP ist Chefsache. ERP muss in den verschiedenen Abteilungen durchgesprochen und eine nachvollziehbare Lösung für alle gesucht werden. Das beste wäre, die all geliebte agile Arbeitsform zu nutzen, um zu sehen, welche Wünsche überhaupt in den Abteilungen existieren.

  2. Experten zu Rat ziehen. Menschen wie Matthias von Blohn sind ein Gewinn für Unternehmen. Von ihnen Rat einzuholen, ist sinnvoll und bringt Licht ins Dunkle.

  3. Auf keinen Fall die Entscheidung über das ERP allein der IT überlassen.

  4. Traue Dich, Neues zu nutzen, um alten Ballast hinter dir zu lassen.

  5. Verstehe: Ohne modernes ERP kann es in größeren Firmen keine digitale Transformation geben

  6. Mut zur Lücke. Denke darüber nach, was ERP euch als Unternehmen zur Lösung anbietet. Besonders in den Bereichen von Big Data sind unfassbar viele neue Möglichkeiten vorhanden.

Danke fürs Lesen. Über Kommentare, Erfahrungen und Lösungen würde ich mich sehr freuen.

Kommentare

Ibrahim Evsan schreibt über Human Design, New Leadership

Mein Name ist Ibrahim Evsan, aber die Abkürzung „Ibo“ ist seit jeher mein Begleiter. Als Keynote Speaker und Experte für Human Design und New Leadership brenne ich ganz besonders für die Themen New HR, Personal Branding und New Work.

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