Oliver Kahn über Leadership: "Ich kann nicht zwei Kurse besuchen und dann bin ich der geborene Leader!"

Im großen Interview mit GQ spricht Oliver Kahn darüber, was Leadership ausmacht, wie er mit Leistungsdruck umgeht und warum er nicht damit rechnet, dass die Meisterserie des FC Bayern immer so weitergeht.

GQ: Herr Kahn, Sie haben kürzlich gesagt, dass Sie in Ihrer neuen Rolle als Vorstandsmitglied des FC Bayern München Wert auf einen partizipativen Führungsstil und flache Hierarchien legen. Was hätte denn der Torwart Oliver Kahn davon gehalten?

Oliver Kahn: Eine Fußballmannschaft von damals darf man nicht mit dem Business von heute vergleichen. Zumal sich auch während meiner aktiven Karriere, zwischen 1988 und 2008, Führungsstile gewandelt haben. Auch in den vergangenen zwölf Jahren hat sich noch mal einiges verändert. Jede Situation, ob nun im Unternehmen oder in einer Fußballmannschaft, verlangt ihre ganz spezielle Art, mit Menschen umzugehen.

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Wie unterscheiden sich die Führungsstile von vor 20, 30 Jahren und heute?

Zu meiner Zeit als Fußballer war vieles sehr stark von einzelnen Personen geprägt. Einzelnen wurde die Verantwortung übertragen, und so entstand dann die Hierarchie in einer Mannschaft. Heute leben wir in einer anderen Welt. Ich habe selbst das ein oder andere Unternehmen gegründet und mit den unterschiedlichsten Menschen zusammengearbeitet. Starre Hierarchien können gar nicht mehr entstehen, weil viele Mitarbeiter Spezialisten sind, die in ihrem Bereich häufig sehr viel mehr wissen als die Führungskräfte. Es geht darum, den Menschen Raum zu geben, damit sie ihr Potenzial entfalten können. Das ist es, was für mich Führung heute im Kern ausmacht: ein Umfeld zu schaffen, in dem sich Menschen bestmöglich entwickeln und erfolgreich auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten können.

Was waren für Sie die wichtigsten Stationen nach Ihrer Profi-Karriere, wo haben Sie das meiste für sich mitgenommen?

Als ich 2008 aufgehört habe, habe ich erst einmal den Abstand vom Club-Fußball gesucht. Meine Zeit als Experte beim ZDF hat dazu geführt, dass ich einen sehr analytischen Blick auf den Fußball bekommen und das Spiel nicht allein aus einer Torwartperspektive gesehen habe, sondern ganzheitlich. Parallel habe ich angefangen, wieder zu studieren, weil ich gemerkt habe, dass mich das Unternehmerische interessiert. So habe ich mich Stück für Stück in diese Welt hineinentwickelt und habe mit Partnern verschiedene Unternehmen aufgebaut. Diese Zeit, in der ich ganz andere Dinge neben dem Fußball gemacht habe, hilft mir heute, einen etwas anderen, klaren Blick auf alles zu haben, weil ich lange außerhalb des Systems stand. Es ist wichtig, frische und neue Einflüsse von außen immer wieder zuzulassen und nicht nur in der eigenen Suppe zu schwimmen.

Wie weit sind Sie eigentlich in Ihrem Einarbeitungsprozess? Sie werden ja in gut einem Jahr die Rolle als Vorstandsvorsitzender von Karl-Heinz Rummenigge übernehmen.

Die Einarbeitungsphase war schon im März beendet – und dann kam die Corona-Krise. Natürlich kenne ich heute nach acht, neun Monaten noch nicht den ganzen Club in- und auswendig. Mit „FC Bayern AHEAD“ haben wir aktuell ein Projekt gestartet mit dem Ziel, unsere Stärken auszubauen und gezielt Verbesserungspotenziale zu identifizieren.

Welche Skills braucht ein New Leader? Welche davon haben Sie schon, welche müssten Sie vielleicht noch entwickeln?

Das erfordert jetzt sehr viel Reflexion! (lacht) Das Thema Leadership darf man nicht so mechanistisch betrachten. Es wird nicht möglich sein, zwei Kurse zu besuchen – und danach bin ich der geborene Leader. Es gibt auch nicht den geborenen Leader. Leadership ist eine Fähigkeit, die man im ständigen Tun und durch kontinuierliche Selbstreflexion entwickelt. Nur wenn ich meine Stärken und Schwächen kenne, kann ich andere führen. Ich habe angefangen im Fußball, war Kapitän von unterschiedlichen Mannschaften, auch der Nationalmannschaft. Da habe ich einiges gelernt, vor allem, mit schwierigen Spielern und mit Konflikten umzugehen. Vieles davon konnte ich in der Unternehmerwelt auch nutzen, anderes hat überhaupt nicht funktioniert.

Was hat denn nicht funktioniert?

Ich bin manchmal ein sehr ungeduldiger Mensch, und im Fußball kann man sehr schnell und einfach am Tabellenplatz den Erfolg ablesen. Das gibt es in der Unternehmenswelt so nicht. Da ist es nicht so eindeutig, da passieren Dinge, auf die man nur wenig Einfluss nehmen kann. Man braucht viel mehr Geduld, muss Ziele korrigieren, anpassen, flexibel bleiben, und versuchen, andere Wege zu gehen. In einer Mannschaft kann es außerdem auch mal rustikal zugehen. Und da wird sich die Meinung gesagt, und dann geht’s auf dem Platz richtig zur Sache. Damit wäre ich vorsichtig in der heutigen Unternehmenswelt, die erfordert stattdessen Empathie, Einfühlungsvermögen in Menschen und viel Zeit, um zuzuhören.

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