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Passt mein Job zu meiner Persönlichkeit?

Zur Karriereplanung gehören nicht nur fachliche Kompetenz und Aufstiegschancen. Man muss auch die psychologischen Muster seiner Jobpersönlichkeit kennen

Wir verbringen unzählige Stunden und Jahrzehnte in unserem Beruf. Umso wichtiger ist es, dass wir eine Arbeit ausüben, die zu uns passt. Aber woher wissen wir, was uns wirklich entspricht? Drei Punkte, über die es sich nachzudenken lohnt:

Zwei unserer psychologischen Grundbedürfnisse widersprechen sich oftmals bei unserer Berufswahl: Das eine ist unser Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle, das andere unser Bedürfnis nach Lust und Leidenschaft. Es gibt nicht wenige Menschen, die ihren Job ausschließlich nach dem Sicherheitsbedürfnis und nicht nach ihrem Leidenschaftsprinzip gewählt haben. Natürlich ist finanzielle Absicherung ein wichtiger Punkt. Bei einigen meiner Klienten ist ihr Sicherheitsempfinden aber nicht durch ihre eigene, rationale Einschätzung geprägt sondern durch die Vorstellungen und Prägungen ihres Elternhauses. Sie haben unbewusst das Denken ihrer Eltern und Glaubenssätze wie „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ verinnerlicht, obwohl es ihnen gar nicht entspricht.

Ich hatte kürzlich einen Klienten – einen hochintelligenten, sehr eloquenten jungen Mann – der sich zwischen zwei Jobangeboten entscheiden musste. Bei der einen Stelle ging es um eine sehr hoch dotierte Vorstandsposition in der Wirtschaft. Das andere Angebot kam von einem Entwicklungshilfe-Unternehmen, wo er etwa ein Drittel verdient hätte. Sein Herz schlug dennoch ganz klar für die Non-Profit-Organisation, weil er dort seine Werte wiederfand und außerdem beeindruckt war von den Forscher*innen, die mit ihm arbeiten würden. Weshalb zögerte er? Der hochbegabte Klient kam aus einem normal begabten Elternhaus. Seine Eltern hatten ihm stets nahegelegt, keine Risiken einzugehen und sich bloß nicht selbst zu überschätzen. Er hatte Angst, mit den brillanten Kolleg*innen nicht mithalten zu können. Eine unberechtigte Sorge! Nachdem wir den Grund für sein Zögern analysiert hatten, entschied er sich für das Entwicklungshilfe-Unternehmen.

Damit wir uns im Job wohlfühlen, müssen einige Faktoren erfüllt sein. In erster Linie müssen wir natürlich wissen, welche Arbeitsbedingungen uns zufrieden machen. Sind wir vom Typ her eher ein Solist oder ein Teamplayer? Selbstständiger oder Beamter? Wenn diese Faktoren stimmen, wir aber trotzdem konstant unzufrieden sind und vielleicht sogar den Job häufig wechseln, lohnt es sich, eine Art innere Bestandsaufnahme zu machen: Woran liegt es zum Beispiel, dass ich mich bei jeder Arbeit überlastet fühle? Bekomme ich zu viel Arbeit oder halse ich sie mir auf?

Oder: Warum habe ich in jedem Job Probleme mit den Ansagen meiner Vorgesetzten? Ich habe immer wieder mit Klienten zu tun, die sich in ihrer Kindheit derart unterordnen mussten, dass sie sich eine lebenslange „Anpassungsallergie“ zugezogen haben. Jede Vorgabe eines Chefs triggert dann den Gedanken an die autoritären Eltern und löst heftigen Widerwillen aus.

Wenn also ein bestimmtes Problem an jedem Arbeitsplatz auftaucht, sollte man einsehen, dass es nicht immer an den anderen liegen kann! Dann sollte man sich darum kümmern, welcher innere Konflikt hinter dem äußeren Problem steckt.

Eines vorweg: Wenn die Arbeit für mich zu einem Leiden wird, das mich psychisch oder physisch krank macht, dann ist es besser zu kündigen. Wir übersehen aber oft, dass es auch innerhalb unseres Tätigkeitsfeldes meist Möglichkeiten gibt, Veränderungen anzustoßen.

Ich hatte vor kurzem eine Klientin, die in einer Finanzbehörde arbeitet. Sie war wahnsinnig frustriert über ihre Arbeit, weil sie ihre Tätigkeit nicht mit ihren Werten vereinbaren konnte. Ständig musste sie Menschen am Existenzminimum das letzte Geld aus der Tasche ziehen, während Großverdiener noch reicher wurden. Ein Berufswechsel war mit Mitte 50 aber auch keine wirkliche Option. Wir haben dann überlegt, ob sie ihre Arbeit und ihre Werte stärker verbinden kann. Sie hat sich mit den juristischen Möglichkeiten beschäftigt, eine Zusatzqualifikation absolviert und den Fokus darauf gerichtet, das Beste aus ihrem Fachgebiet herauszuholen. Sie hat mit mir außerdem geübt, wie sie ihrem Chef gegenübertreten kann und die richtigen Argumente für ihre Entscheidungen parat hat. Diese beiden Punkte haben ihre Arbeit für sie neu definiert und ihr sehr geholfen.

Stefanie Stahl schreibt über Gesundheit & Soziales, Job & Karriere

Stefanie Stahl ist Deutschlands bekannteste Psychotherapeutin. Ihr Ratgeber „Das Kind in dir muss Heimat finden“ steht seit 2016 auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Stahl ist eine gefragte Keynote Speakerin. Sie gilt als DIE Expertin, wenn es um Liebe, Bindungsangst und Selbstwertgefühl geht.

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