People Are People: Im Zeichen der Menschlichkeit
"Man kann die Welt nicht ändern / Aber man kann die Tatsachen ändern / Und wenn man die Tatsachen ändert / Dann kann man Ansichten ändern / Wenn man Ansichten ändert / Dann kannman Wählerstimmen ändern / Und wenn man Wählerstimmen ändert / Kann man die Welt ändern." Martin Gore für die LP "New Dress"
Während draußen die Welt immer mehraus den Fugen gerät, trägt die Kultband Depeche Mode dazu bei, dass wir uns wenigstens innerlich nicht verlieren. Sie hat ein musikalisches Universum erschaffen, in dem Menschen Stabilität finden und eine Gemeinschaft, die sie trägt. Seit Jahrzehnten begeistert die Band Millionen von Menschen. Und doch ist es keine "Massenmusik". Die Songs bieten Fans eine kulturelle Heimat. Die Beschäftigung mit der Geschichte der Band und den Biografien ihrer Mitglieder ist zuweilen sinnreicher als manches Business- und Erfolgsbuch. Aus dem Hannibal Verlag gibt es mehrere Bücher dazu. Ob hintereinander oder parallel gelesen - viele, teilweise noch unbekannte Puzzleteile fügen sich nach der Lektüre zu einem Big Picture, das die Band in einem anderen Licht erscheinen lässt. Wer ihm folgt, wird sich zugleich selbst neu entdecken.
1979 kreuzten sich zum ersten Mal die Wege von Vince Clarke, Martin L. Gore und Andy Fletcher - die gerade zusammen in einer Band mit dem Namen Composition of Sound spielten - mit Dave Gahan, der zunächst die Rolle am Mischpult übernahm. Als Vince Clarke Gahan den Bowie-Song „Heroes“ singen hörte, fragte er ihn, ob er nicht für die Band singen wolle. Kurz darauf schlug Gahan einen neuen Namen für die Band vor, den er von einer französischen Modezeitschrift entliehen hatte: Dépêche Mode“. Mit der ersten Bewerbungskassette unter diesem Namen gingen Gahan und Clarke in Londoner Clubs hausieren. Am 25. Februar 1981 traten sie in der Hamburger Markthalle auf (12 Deutsche Mark im Vorverkauf und 15 DM an der Abendkasse). Nach ersten Erfolgen in den Charts mit Synthie-Pop und Trips nach London und New York kamenVerlockungen wie Geld, Frauen und Drogen hinzu.
1981 fotografierte der niederländische Künstler, Fotograf, Clipregisseur und Filmemacher Anton Corbijn die damaligen Synth-Teenie-Idole in London undin Basildon. Dies markierte den Beginn einer langjährigen, intensiven Zusammenarbeit. Damals war die Band noch sehr "poppig“. Fünf Jahre später transformierte Depeche ihren Sound, der melancholischer wurde. Corbijn drehte ein Video, das ihn zum Kreativdirektor der Band machte (seit 1986 stammen sämtliche Fotos, die meisten Videos, Albumgrafiken und Bühnenbilder der Band von ihm). Um 1983/84 herum waren Depeche Mode von der "geschäftlichen Seite" desillusioniert, sagte Dave Gahan einmal. Die Band stand ständig unter Erfolgsdruck, der ihre persönliche und künstlerische Entwicklung behinderte. Während dieser Zeit entstand eines ihrer bekanntesten Songs: „People Are People“. Der Song, der Platz 4 in den UK-Charts erreichte und drei Wochen lang die deutschen Charts anführte, ist die Hymne unserer Zeit und der Türöffner zur Band selbst.
Die Band wollte nie eine stromlinienförmige Angepasstheit. Martin Gore schrieb Songs abseitsdes Studios und nahm sie dort als Demos auf - mit dieser Arbeitsweise wollte er verhindern, dass Lieder aus technischen Möglichkeiten heraus entstehen.
Ihre Gaben haben die Bandmitglieder immer auch als Aufgabe verstanden.
Die Band hat eine authentische Ästhetikunverwechselbare Bildsprache.
Die Bandmitglieder sind in der Lage, sich selbst aus der Distanz zu sehen: Martin L. Gore fühlt sich in seiner Rolle alsstiller Strippenzieher im Hintergrund bis heute sehr wohl. Er schreibtfast die komplette Musik, überlässt das Singen aber zumeist Dave.
Die Band erinnert daran, dass die Endlichkeit des Lebens auch die Chance bietet, die eigene Lebenszeit sinnvoll und nachhaltig zu nutzen.
Die Luxusuhrenmarke Hublot und Depeche Mode verbindet eine kreative Partnerschaft, die es sich auch zur Aufgabe gemacht hat, das Bewusstsein für ökologische und humanitäre Themen zu schärfen. Parallel zum Comeback (15. Studioalbum) setzten die Musiker und Hublot ihr gemeinsames Engagement fort, seither unterstützen sie die gemeinnützige Organisation Conservation Collective. Ziel ist es, global lokale Basisprojekte zu fördern, die sich gegen Plastikverschmutzung einsetzen. Sieben solcher Initiativen in ebenso vielen Ländern konnten bereits unterstützt werden, weitere Finanzierungsrunden sind geplant. Besonders beeindruckt Martin Gore, dass das Geld an kleine, dynamische Organisationen weiterfließt – "an leidenschaftliche Menschen, die sich dafür einsetzen, an ihrem Ort etwas Nützliches zu tun."
Die Bandmitglieder haben immer wieder Kraft zum Singen geschöpft und vor allem Frieden gefunden.
Es werden Gefühle vermittelt, die alle Menschen kennen (selbst berührt sein, um andere zuberühren). Geschlechtergrenzen empfindet Martin Goreals albern. Seine Freundin und er teilten sich in jungen Jahren"Klamotten, Make-up, einfach alles - na und?"
Depeche Mode verschiebt Grenzen. Es wird mit Methoden gebrochen, die sich Jahrzehnte bewährt haben.
Hier und Jetzt: Für Martin Gore bedeutet dies, kleine Pausen gezielt auszunutzen. Sein Leben: "ein Ritual – für den Moment."
Inspiration: Dave Gahan sagte einmal, dass ihm Martin erzählte, "er bekomme seine Songs von Gott. Er war davon überzeugt, er könne sie nur über mich laufenlassen, ich sei praktisch seine Stimme. Das war mir das Schönste, was ermir je gesagt hat."
Innovationen: Sie haben den Elektroblues erfunden.
Depeche Mode waren immer ihre eigene Industrie. Sie brauchen kein "Gefolge von Kriechern" um sich herum (Martin Gore).
Für viele Menschen ist die Band Teil des Lebens. Nachdem in den 2000ern Depeche Mode immer noch da waren, wurde vielen alten Fans bewusst, dass diese Musik ein zentraler Bestandteil ihres Lebens ist und nicht nur eine Episode aus der Jugendzeit war.
Sie sind zu einer Marke geworden. Anton Corbijn prägte das visuelle Erscheinungsbild der Band über Jahrzehnte. Seine Plattencover trugen entscheidend zu ihrem Erfolg bei. Es entstand aber auch eine ikonographische Signatur der Musik, die über das übliche Branding hinausgeht.
Für viele Deutsche ist es der Sound des Mauerfalls: In den 80er Jahren arbeitete die Band in den Berliner Hansa-Studios an der Mauer, wo die Musiker betrunken Blumentöpfe auf die Grenzanlagen warfen. In der DDR liefen die Menschen in Ostberlin zur Mauer, als am Reichstag auf der anderen Seite ein Konzert von Depeche Mode stattfand. Am 7. März 1988 traten Depeche Mode dann in Ostberlin auf. Es war (neben Bruce Springsteens Konzert in Weißensee) das wichtigste Konzert der DDR-Geschichte. Nach dem Fall der Mauer wurden Depeche Mode zur größten Band der Welt. Das im März 1990 veröffentlichte Studioalbum „Violator“ gilt bis heute als das erfolgreichste und beste Werk von Depeche Mode. Es hielt sich 48 Wochen in dendeutschen Charts und beinhaltete mit „Enjoy The Silence“ und „Personal Jesus“ zwei weltbekannte Hits und Klassiker der Band. Es verkaufte sich sieben Millionen Mal. Auf der Plattenhülle ist eine Rose abgebildet - etwas Schönes und Zartes, das verletzt worden ist. Nicht nur eine Metapher für Liebe, sondern auch für die Band selbst.
Alle Bandmitglieder haben ein Mitspracherecht.
**Nachhaltigkeit:**Für die Band war es noch nie so wichtig wie jetzt, das Beste aus ihrem Leben zu machen und sich dabei für Umwelt und Gesellschaft einzusetzen.
"Ich glaube, dass der Aufenthalt in der Natur ein Moment ist,in dem die Zeit verschwindet. alle fünf Sinne beschäftigt sind, wenn man sich zu den Mustern und Strukturen hingezogen fühlt, die man in der Natur sieht. Es ist eine sinnlicheBeschäftigung, die meiner Meinung nach die Zeit verstreichen lässt." (Martin Gore)
Ihr Sound ist unverwechselbar und hat auch eine visuelle Identität.
Die Bandmitglieder setzen sich selbst die Regeln und trotzen den "Gesetzen der Schwerkraft" (Daniel Miller).
Dave Gahan musste sich 2009 einen Krebstumor an der Blase entfernen lassen. 1996 erlitt er nach einer Überdosis aus Heroin und Kokaineinen Herzinfarkt. Zwei Minuten lang war er klinisch tot. Er ist damals dem Tod entkommen. Das empfindet er heute als großes Geschenk. Für ihn besteht der höhere Sinn des Lebens darin, als Musiker innerlich zu wachsen. Es gibt viele Tage, an denen er sich besonders inspiriert fühlt von diesem schönen blauen Planeten.
Die Textesind bewusst offengehalten, damit die Menschen sie für sich anpassen können (MartinGore ist ein Meister des Unbestimmten).
Die Band zeigt, dass der Tod uns alle angeht und wir unser Leben" in vollen Zügen genießen müssen" (Dave Gahan). Der plötzliche Tod des Gründungsmitglieds und Keyboarders Andy „Fletch“ Fletcher, der am 26. Mai 2022 im Alter von 60 Jahren an einer Aortendissektion starb, stellte für die Band und die Fans eine schmerzhafte Zäsur dar. „Man fängt an, über die eigene Vergänglichkeit nachzudenken“, sagt Dave Gahan. “Memento Mori" ("Sei dir der Sterblichkeit bewusst") heißt das 15. Studio-Album von Depeche Mode. "Irgendwann wird alles zu Ende gehen. Für jeden", bemerkt Dave Gahan dazu.
Ihr Tun ist eine direkte Konsequenz aus dem, was sie vorher getan haben. Es gibt kein Entweder-Oder, sondernnur ein UND: Gore und Gahan wie das Songwriter-Duo Lennon/McCartey. Für MartinGore ist Umweltschutz dringlicher denn je. Depeche Mode legteaber auch bei ihrer letzten Tour Wert auf Verantwortung, mit Hilfe frd GreenNation Touring Program von Live Nation wurde Einwegplastik verbannt und dafür gesorgt, dass es überallWasserstationen gibt. Dazu wurden übrige Lebensmittel gespendet. Sie haben Vertrauen in sichselbst und andere.
Sie stehen bis heute für ein Klima der Wahrhaftigkeit und zeigen dasUnverfälschte ihrer Persönlichkeit. Dinge werden ehrlich zur Sprachegebracht, statt sie auszusitzen
Die Bandmitglieder neigen zum Wettbewerb miteinander, was sie zwingt, immer besser zu werden.
Die Band hat sich stetig weiterentwickelt: Neueste Technik und Ideen wurden immer miteinander verbunden.
Hublot und Depeche Mode haben einen gemeinsamen Zeitmesser entwickelt: Mit einem Totenkopfmotiv und verziert mit einer Sanduhr als Symbol für das Vergehen der Zeit, soll die Uhr an die Vergänglichkeit des Lebens erinnern ("Memento Mori").
Anton Corbijn und die visuelleIdentität des Depeche-Mode-Sounds
Trevor Baker: DAVE GAHAN – SEIN LEBEN MIT DEPECHE MODE. Mit einem Update von André Boße und Dennis Plauk. Übersetzung: Henning Dedekind. Hannibal Verlag, Höfen 2024.
Dennis Burmeister, Sascha Lange: DEPECHE MODE: LIVE. Aufbau Verlag, Berlin 2023.
Anton Corbjin: Depeche Mode. Mehrsprachig: Deutsch, Englisch, Französisch, TASCHEN Verlag, Köln 2024.
Ian Gittins: DM. Kultband für dieMassen. Hannibal Verlag, Höfen 2019.
INSIGHT. Martín Gore & DepecheMode. Ein Porträt von André Boße und Dennis Plauk. 2. Nachdruck. Hannibal Verlag, Höfen 2014.
Steve Malins: Depeche Mode. Die Biografie. Aus dem Englischen von Ralph Brunkow, Uschi Seifart und Kirsten Borchardt. Aktualisierte Neuauflage. Hannibal Verlag, Höfen 2014.
Kevin May und David McElroy: HALO. Die Geschichte hinter Depeche Modes Albumklassiker Violator. Aus dem Englischen von Kirsten Borchardt. Hannibal Verlag, Höfen 2023.