Personal umbauen statt entlassen
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Auf Krisen reagieren Unternehmen meist mit Kündigungen. Setzt der Aufschwung ein, fehlt es dann an erfahrenen Mitarbeitern. Eine langfristige Personalstrategie folgt anderen Regeln.
Von****Sandra J. Sucher, Shalene Gupta
Zwei starke Kräfte verändern das Wesen der Arbeit: die Automatisierung und der immer härtere weltweite Wettbewerb. Um mit der Entwicklung Schritt zu halten, mussten viele Unternehmen ihre Personalstrategien anpassen und dabei oft radikale und schmerz-volle Entscheidungen treffen. Häufig waren wiederkehrende Umstrukturierungen und Entlassungen die Mittel der Wahl. Beides aber schadet auf lange Sicht sowohl dem Engagement der Mitarbeiter als auch der Rentabilität des Unternehmens. Einige Organisationen haben mittlerweile erkannt, dass sie die Dinge anders angehen müssen.
Nehmen wir beispielsweise Nokia. Anfang 2008 feierte das Management des finnischen Handyherstellers einen Gewinnsprung von 67 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Jedoch hatten günstigere Angebote der Konkurrenz aus Asien dazu geführt, dass Nokia seine Preise innerhalb weniger Jahre um 35 Prozent senken musste. Gleichzeitig waren Nokias Lohnkosten im deutschen Werk in Bochum um 20 Prozent gestiegen.
Aus Sicht des Managements gab es nur eine Lösung: Bochum musste dichtmachen. Juha Äkräs, damals Senior Vice President und Personalchef von Nokia, flog eigens ein, um den 2300 Mitarbeitern am Standort die Entlassungspläne zu offenbaren. Während er zur Belegschaft sprach, begann es in der Menge zu rumoren. "Die Stimmung war zutiefst feindselig", erinnert er sich. In den folgenden Tagen schwoll der Groll weiter an. Eine Woche später protestierten rund 15.000 Menschen in Bochum. Vertreter der Bundesregierung ließen den Fall untersuchen und verlangten vom Konzern die Subventionen zurück, die dieser für den Standort erhalten hatte. Die Gewerkschaften forderten einen Boykott von Nokia-Produkten. Die Nachrichten zeigten in Tränen aufgelöste Mitarbeiter und Demonstranten, die Nokia-Handys zertrümmerten.
Am Ende kostete die Werksschließung Nokia 200 Millionen Euro – mehr als 80.000 Euro pro entlassenen Mitarbeiter. Die Folgekosten des Boykotts und der schlechten Presse sind dabei noch nicht einmal eingerechnet. Der Marktanteil in Deutschland brach ein: Schätzungen des Managements zufolge büßte der Konzern zwischen 2008 und 2010 einen Umsatz von 700 Millionen Euro und einen Gewinn von 100 Millionen Euro ein.
Als 2011 die Handysparte von Nokia ins Trudeln geriet, beschloss die Geschäftsleitung die nächste Umstrukturierung. 18 000 Mitarbeiter aus 13 Ländern sollten in den folgenden zwei Jahren entlassen werden. Unter dem Eindruck ihrer Erfahrungen in Deutschland waren die Manager fest entschlossen, es diesmal besser zu machen. Nokia setzte deshalb ein Programm um, das den Mitarbeitern das Gefühl geben sollte, ein faires Verfahren zu durchlaufen. Es sollte zudem sicherstellen, dass alle entlassenen Mitarbeiter weich landen würden.
Sandra Sucher, eine der Autorinnen dieses Beitrags, beschäftigt sich seit acht Jahren mit der Frage, wie ein gelungener Personalumbau bei global tätigen multinationalen Konzernen aussehen sollte. Allzu oft hat sie beobachtet, wie Unternehmen Entlassungen schlecht durchgeführt, Mitarbeiter aus den falschen Gründen entlassen oder – schlimmer noch – beides zugleich getan haben. Mit "schlecht" meinen wir Entlassungen, die nicht fair sind oder von den Mitarbeitern als nicht fair wahrgenommen werden und die nachhaltige negative Folgen haben. Die Stellenstreichungen in Bochum empörten die Menschen insbesondere deshalb, weil Nokia im Jahr zuvor so hohe Gewinne gemacht hatte. Sie wurden als unfair wahrgenommen und beschädigten Ruf und Absatz des Unternehmens schwer. Und wenn wir von den "falschen Gründen" sprechen, meinen wir Personalmaßnahmen, die zu kurzfristigen Kosteneinsparungen statt zu langfristigen strategischen Verbesserungen führen. 2008 hatte Nokia zwar die richtigen Gründe, geriet aber aufgrund der Umsetzung in Schieflage.
Angesichts der massiven Schäden, die Entlassungen verursachen, haben einige Staaten Gesetze zum Schutz der Mitarbeiter verabschiedet. Verschiedene europäische Länder schreiben beispielsweise vor, dass Kündigungen wirtschaftlich begründet sein und sozial verträglich umgesetzt werden müssen. In Frankreich wurde die Pflicht zur wirtschaftlichen Begründung allerdings jüngst wieder abgeschafft, und in den USA können Unternehmen ohnehin nach Belieben Stellen streichen. Ganz gleich aber, wie leicht sich ein Personalabbau realisieren lässt, sollten sich Führungskräfte der Konsequenzen eines solchen Schrittes bewusst sein.
Forschungsergebnisse belegen, dass schlecht abgewickelte Entlassungen und Entlassungen aus den falschen Gründen nur selten dazu führen, dass das Management seine Ziele erreicht. In diesem Artikel stellen wir einen besseren Ansatz für den Personalumbau vor – einen, der Kündigungen weitgehend vermeidet und – falls sie unvermeidbar sind – sicherstellt, dass der Prozess als fair wahrgenommen wird und alle Beteiligten davon profitieren.
Die Geschichte von Nokia mag besonders eindrucksvoll gewesen sein, aber viele Leser werden ähnliche Vorkommnisse erlebt haben. Allein in den Vereinigten Staaten wurden nach Angaben des Statistikamts des US-Arbeitsministeriums in den Jahren 2000 bis 2008 und in den Jahren 2010 bis 2013 (dem letzten Jahr, für das Daten vorliegen) jährlich 880.000 bis 1,5 Millionen Menschen entlassen. Und diese Stellen wurden auch zu Zeiten abgebaut, in denen die Wirtschaft wuchs. Im Jahr 2009, auf dem Höhepunkt der jüngsten Weltwirtschaftskrise, verloren knapp 2,1 Millionen Amerikaner ihre Jobs. Weltweit wuchs die Zahl der Arbeitslosen von 2007 bis 2010 um 34 Millionen, wie die Daten der Internationalen Arbeitsorganisation zeigen.
Die Zahl der Kündigungen ist seit den 70er Jahren stetig gestiegen. Während 1979 laut Art Budros, Soziologieprofessor an der McMaster University in Kanada, noch weniger als 5 Prozent der 100 umsatzstärksten amerikanischen Unternehmen (gemäß der "Fortune"-100-Liste des US-Wirtschaftsmagazins "Fortune") Entlassungen verkündet hatten, waren es 1994 fast 45 Prozent. Eine Umfrage von McKinsey unter 2000 US-Unternehmen ergab, dass in den Jahren 2008 bis 2011 (also während der Wirtschaftskrise und in den Folgejahren) 65 Prozent der Unternehmen Mitarbeiter entließen. Entlassungen sind heute zur Standardreaktion auf eine unsichere Zukunft geworden, die sich durch rasanten technischen Wandel, turbulente Märkte und einen scharfen Wettbewerb auszeichnet.
Andere Daten sollten Manager allerdings nachdenklich stimmen. Wenn Unternehmen Entlassungen verkünden, dann hat dies auf ihren Aktienkurs in den Tagen nach der Verlautbarung keinen oder einen negativen Effekt. Zu diesem Ergebnis kam Deepak Datta, der an der University of Texas in Arlington lehrt, im Jahr 2012 in einer Metaanalyse von 20 Studien über Unternehmen, die Entlassungen durchgeführt hatten. Datta fand auch heraus, dass bei den meisten Unternehmen nach dem Personalabbau die Profitabilität einbrach, und eine weitere Studie ergab, dass der Gewinnrückgang über drei Jahre anhielt.
Zudem zeigte eine Gruppe von Forschern der Auburn University, der Baylor University und der University of Tennessee, dass Unternehmen, die Mitarbeiter entlassen, mit einer doppelt so hohen Wahrscheinlichkeit Insolvenz anmelden wie Unternehmen, die keine Kündigungen aussprechen.
Allzu häufig setzen sich Manager über solche Erkenntnisse hinweg. Einige argumentieren, dass Unternehmen ja gerade deshalb Mitarbeitern kündigten, weil sie bereits angeschlagen seien. Daher sei es kaum verwunderlich, wenn sich ihre finanzielle Lage nicht verbessere. In der Geschäftswelt haben sich Entlassungen derart als kurzfristige Lösung zur Kosteneinsparung etabliert, dass Manager die Tatsache vollkommen ausblenden, dass sie mehr Probleme schaffen als lösen.
Unternehmen, die Mitarbeitern kündigen, verlieren die Zeit, die sie in deren Schulung investiert haben, deren berufliche Netzwerke und deren Wissen über die Arbeitsabläufe in der Organisation. Noch verheerender aber sind die Auswirkungen auf die verbliebenen Kollegen. Die Managementprofessoren Charlie Trevor von der Universität von Wisconsin-Madison und Anthony Nyberg von der Universität von South Carolina haben herausgefunden, dass eine Kürzung des Personalbestands um ein Prozent im darauffolgenden Jahr zu einem Anstieg des freiwilligen Personalabgangs um 31 Prozent führt.
Zugleich belastet die schlechte Stimmung in der Belegschaft die Motivation. Entlassungen können Mitarbeitern das Gefühl geben, die Kontrolle verloren zu haben: Das Schicksal ihrer Kollegen vermittelt die Botschaft, dass selbst harte Arbeit und gute Leistungen eine Stelle nicht garantieren können. Magnus Sverke und Johnny Hellgren von der Universität Stockholm und Katharina Näswall von der Universität von Canterbury kamen in einer Untersuchung aus dem Jahr 2002 zu dem Ergebnis, dass die von einer Entlassungswelle Verschonten mit ihrer Arbeit um 41 Prozent weniger zufrieden sind, sich ihrem Unternehmen um 36 Prozent weniger verpflichtet fühlen und dass ihre Leistung um 20 Prozent einbricht.
Zwar mag die Produktivität auf kurze Sicht steigen, weil weniger Mitarbeiter die gleiche Menge Arbeit abdecken müssen. Doch dieser Anstieg hat seinen Preis – und den zahlen nicht die Arbeitnehmer allein. Qualität und Sicherheit sinken, wie Michael Quinlan von der University of New South Wales mit seiner Forschung zeigen konnte, während der Anteil der Mitarbeiter, die unter Burn-out leiden oder das Unternehmen verlassen, zunimmt. Zugleich schwindet die Innovationskraft, wie die Untersuchung eines "Fortune"-500-Technologieunternehmens durch Teresa Amabile von der Harvard Business School belegen konnte: Nachdem der Konzern sein Personal um 15 Prozent verringert hatte, sank die Zahl seiner Innovationen um 24 Prozent. Darüber hinaus können Entlassungen die Verbindungen zwischen Vertriebsmitarbeitern und Kunden zerstören. Die Wissenschaftler Paul Williams, M. Sajid Khan und Earl Naumann haben herausgefunden, dass die Kunden eines Unternehmens eher abwandern, wenn dieses gerade Mitarbeiter entlassen hat. Und schließlich leidet auch der Ruf: E. Geoffrey Love und Matthew S. Kraatz von der Universität von Illinois in Urbana-Champaign wiesen nach, dass Unternehmen, die Personal abbauten, in der Rangliste der angesehensten Unternehmen des "Fortune"-Magazins nach unten rutschten.
Mitarbeiter, deren Stelle gestrichen wird, verlieren mehr als nur ihren Job. Wayne Cascio, Managementprofessor an der Universität von Colorado, verweist auf eine Umfrage des US-Arbeitsministeriums unter Arbeitnehmern, die in den konjunkturstarken Jahren 1997 und 1998 entlassen wurden. Die meisten standen ein Jahr später deutlich schlechter da: Nur 41 Prozent hatten eine gleich gut oder besser bezahlte Stelle gefunden, 26 Prozent hatten eine Arbeit mit weniger Gehalt angenommen und weitere 21 Prozent waren noch ohne Beschäftigung oder ganz aus dem Erwerbsleben ausgeschieden.
Die Auswirkungen einer Kündigung verfolgen Menschen ein Leben lang. Eine Studie der Columbia University untersuchte im Jahr 2009 Mitarbeiter, die in der Rezession von 1982 ihre Stelle verloren hatten. 20 Jahre später verdienten sie immer noch 20 Prozent weniger als die Kollegen, die ihren Job behalten hatten. Die Folgen sind nicht nur an der Einkommensentwicklung zu erkennen: Entlassene Mitarbeiter haben eine um 83 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, im Jahr nach ihrem Ausscheiden zu erkranken, und sie begehen sechsmal häufiger Gewalttaten. Das ergab eine Untersuchung von Kate Strully, Assistant Professor an der State-Universität von New York.
Einige Unternehmen experimentieren mit besseren Möglichkeiten, sich auf einen veränderten Personalbedarf einzustellen. Nehmen wir AT&T. 2013 kam die Geschäftsleitung zu dem Schluss, dass 100.000 der 240.000 Mitarbeiter des Telekommunikationskonzerns in Jobs arbeiteten, die es in dieser Form zehn Jahre später nicht mehr geben würde. Anstatt diese Mitarbeiter vor die Tür zu setzen und neue einzustellen, beschloss AT&T, alle 100.000 Beschäftigten bis 2020 umzuschulen. Somit würde das Unternehmen nicht das Wissen seiner Mitarbeiter verlieren und nicht das Vertrauen der Belegschaft in die Führungsmannschaft untergraben, das für Motivation, Innovation und Leistungsbereitschaft unerlässlich war. Bislang sehen die Ergebnisse sehr vielversprechend aus. In einem Beitrag im Harvard Business Manager ("Die Belegschaft der Zukunft", November 2016) berichtete John Donovan, damals Chefstratege von AT&T (und bis Oktober 2019 CEO von AT&T Communications – Anm. d. Red.), dass der Konzern 18 Monate nach Start des Programms seine Produktentwicklungszyklen um 40 Prozent und die Zeit, bis ein Produkt Umsatz bringt, um 32 Prozent verkürzen konnte. Seit 2013 hat AT&T den Umsatz um 27 Prozent gesteigert. 2017 schaffte es das Unternehmen erstmals auf die "Fortune"-Liste der 100 besten Arbeitgeber.
In ihrer Forschungsarbeit hat Sandra Sucher sieben Unternehmen untersucht, die nicht zum traditionellen Instrument des Stellenabbaus gegriffen haben, sondern sich wie AT&T erfolgreich für einen anderen Weg entschieden haben. Die Analyse ihrer Erfahrungen zeigt, dass eine effektive Personalumbaustrategie drei Hauptbestandteile hat: eine Philosophie, eine Methode und drei Szenarien – eine Reihe von Optionen für unterschiedliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen.
Die Personalumbauphilosophie dient der Geschäftsleitung als Kompass. Sie baut auf den Werten des Unternehmens auf und beschreibt die Pflichten und Prioritäten, die ihm bei der Veränderung als Leitlinien dienen. Eine Philosophie hilft, folgende Fragen zu beantworten:
Welchen Beitrag leisten Mitarbeiter aus unserer Sicht für das Unternehmen und seinen Erfolg?
Welche Erwartungen haben wir an Engagement, Loyalität, Flexibilität sowie Anpassungs- und Entwicklungsfähigkeit der Mitarbeiter?
Was schulden wir den Mitarbeitern als faire Gegenleistung für ihren Beitrag?
Wie können die Mitarbeiter uns helfen, den Personalumbau zu gestalten und umzusetzen?
Die Philosophie des französischen Reifenherstellers Michelin sieht beispielsweise vor, dass Mitarbeiter vor allem wegen ihres Potenzials und weniger für eine konkrete Stelle eingestellt werden. In seiner Personalrichtlinie verpflichtet sich das Unternehmen, die langfristige Entwicklung seiner Beschäftigten zu unterstützen. Jedem Mitarbeiter wird ein Karrieremanager zugeteilt, der seine Weiterentwicklung begleitet und sicherstellt, dass sie zu den Anforderungen von Michelin passt.
Auch auf die Frage, wie mit Personalumbau und Restrukturierungen zu verfahren ist, gibt es in der Richtlinie eine Antwort. 2013 lautete sie wie folgt: "Restrukturierungen sind unter bestimmten Bedingungen unvermeidbar, um die globale Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten. Diese Restrukturierungen müssen, soweit möglich, zu einem Zeitpunkt stattfinden, an dem das Unternehmen so gesund ist, dass es die erforderlichen Ressourcen bereitstellen kann, um die sozialen Folgen abzumildern. Wann immer möglich, sind die Mitarbeiter der betroffenen Geschäftseinheiten und ihre Vertreter aufgefordert, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten und vorzuschlagen, um die Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen und Überkapazitäten abzubauen und dabei möglicherweise eine Alternative zur Schließung eines Geschäftsfelds oder einer Niederlassung aufzuzeigen. Ist eine Restrukturierung unabwendbar, muss sie so früh wie möglich angekündigt und nach Verfahren durchgeführt werden, die mit den Vertretern der Arbeitnehmer ausgehandelt wurden. Die daraus resultierenden persönlichen Veränderungen sind für die Zeit hinzunehmen, die es braucht, um für die betroffenen Mitarbeiter eine in Hinblick auf Lebensstandard, Stabilität, Familienleben und Selbstachtung befriedigende Lösung herbeizuführen."
Als Nokia 2011 den oben erwähnten umfangreichen Personalabbau vorbereitete, formulierte die Geschäftsführung eine Philosophie mit vier Grundwerten:
1. Wir werden unsere Verantwortung als maßgeblicher Akteur regionaler Wirtschaftsgebiete akzeptieren und sind bestrebt, ehemalige und derzeitige Mitarbeiter mit ganzem Vermögen zu unterstützen.
2. Wir werden eine aktive Rolle übernehmen und das Programm mit unserer Marke, unserer Expertise und unseren Mitteln in zentralen Bereichen, auf die es am meisten ankommt, unterstützen.
3. Wir werden alle relevanten Parteien an der Gestaltung und Durchführung des Programms beteiligen.
4. Wir werden mit allen Stakeholdern – Mitarbeitern, Gewerkschaften, Behörden, lokalen Interessengruppen und anderen – offen kommunizieren, auch dann, wenn wir noch nicht alle Antworten kennen."
Wie Nokias Philosophie deutlich macht, können Personalmaßnahmen weit mehr Menschen betreffen als nur die eigenen Mitarbeiter. Ein Unternehmen muss seine Absichten direkt kommunizieren. Es darf dabei niemanden im Dunkeln lassen oder mit Informationshäppchen so abspeisen, dass er sich selbst zusammenreimen muss, was die Zukunft bereithält.
Mithilfe einer klaren Methode können Unternehmen nach Alternativen zum Personalabbau suchen und, wenn Stellenstreichungen unvermeidbar sind, deren negative Folgen minimieren. Manager müssen dafür drei Fragen beantworten:
Wie werden wir künftig fortlaufend unseren Personalumbau planen?
Wer verantwortet das Management und die Überwachung des Umbaus?
Welche Kennzahlen sollten wir nutzen, um zu überprüfen, ob unsere Maßnahmen effektiv sind?
2013 bat Michelins CEO Jean-Dominique Senard die Mitglieder seines Teams um Folgendes: Sie sollten die Erkenntnisse, die sie aus den Restrukturierungsmaßnahmen der zurückliegenden zehn Jahre gesammelt hatten, zu einem formalen Prozess für den Personalumbau zusammenführen. Am Ende integrierte Michelin drei Planungsprozesse – Produktplanung, Regionalplanung und Restrukturierungsplanung – in einen Gesamtprozess. Zunächst sagen die Produktplanungsgruppen ihr für die folgenden fünf Jahre jeweils zu erwartendes Produktionsvolumen voraus, dann ermitteln die Regionen, wo die Produktionskapazitäten zu hoch oder zu gering sein werden und welche technische Ausstattung jedes Werk benötigen wird. Die Restrukturierungspläne ergeben sich aus dem Dialog zwischen Produkt- und Regionalleitern. Im Oktober 2013 kam Michelin zum Beispiel zu dem Schluss, dass der Konzern zu hohe Kapazitäten für die Produktion von Lkw-Reifen im Werk in Budapest haben würde, und beschloss, es Mitte 2015 zu schließen. Weil diese Entscheidung bereits sehr früh fiel, hatte das Management genügend Zeit, die Schließung sorgfältig vorzubereiten und Wege zu entwickeln, die Folgen für die betroffenen Mitarbeiter so gut wie möglich abzufedern (hierzu später mehr).
Michelin hat eine Zuständigkeitsstruktur geschaffen, die klar beschreibt, wer wofür verantwortlich ist. Unter der Leitung des CEOs überwacht das Executive Committee den weltweiten Personalumbau. Weil sich mehr als die Hälfte aller Werke von Michelin in Europa befindet und ein Großteil des Stellenabbaus hier anfällt, wird die Führungsmannschaft von einem europäischen Restrukturierungsgremium unterstützt. Dieses identifiziert die Fabriken, die geschlossen werden sollen oder deren Personal reduziert werden soll, und steuert alle europäischen Restrukturierungsmaßnahmen. Und schließlich bestimmt Michelin für jedes betroffene Werk ein Team, in dem die Regional- und Landesleiter zusammenkommen, die für die Umsetzung des Restrukturierungsplans zuständig sind. Zwei hochrangige Führungskräfte der Konzernzentrale – ein Direktor für Restrukturierung und ein Direktor für Produktplanung – koordinieren den gesamten Prozess.
Wie jede andere gute Strategie benötigt auch eine gelungene Personalumbaustrategie Ziele, an denen sich der Erfolg bemessen lässt. Ein Beispiel hierfür findet sich bei Honeywell. In der Rezession von 2001, kurz bevor Dave Cote als CEO das Steuer übernahm, entließ der US-Mischkonzern 25.000 Mitarbeiter – rund 20 Prozent der gesamten Belegschaft. Der Umsatz sank zwischen 2000 und 2002 um 11 Prozent. Als es 2008 zur nächsten Rezession kam und es aussah, als stünde dem Konzern der nächste große Personalabbau bevor, verkündete Cote zwei Ziele: Honeywell sollte sich besser schlagen als während der Rezession von 2001 und sich, sobald die Erholung einsetzen würde, in besserer Form befinden als die Konkurrenz. Cote entschied, als Vergleichsgrundlage für das erste Ziel Umsatz, Jahresüberschuss und den freien Cashflow während der beiden Rezessionen zu nehmen. Wie sich zeigte, konnte sich das Unternehmen gemessen an allen drei Kennzahlen erheblich steigern: 2009 erzielte Honeywell einen Umsatz, der den Wert von 2002 um 39 Prozent übertraf, der freie Cashflow lag um 94 Prozent höher, und der Jahresüberschuss war mehr als sechsmal größer. Um die Verbesserung im Hinblick auf das zweite Ziel zu messen, die Leistung im Vergleich zu den Wettbewerbern, erstellten Finanzdatenanbieter zwei Kennzahlen: die prozentuale Veränderung im Betriebsergebnis zwischen dem Höchststand von 2007/08 und 2011 sowie die Aktienrendite im Jahr 2012. Mit einem Plus von 1,8 Prozent schaffte Honeywell nach der Rezession den größten Anstieg der operativen Marge (gegenüber –4,5 Prozent bis 1 Prozent bei den Konkurrenten). Und darüber hinaus erreichte die Aktie von Honeywell 2012 bei einem Wert von 75,28 Dollar die höchste Dreijahresrendite – 50 Prozent über der Rendite des nächsten Wettbewerbers und viermal besser als der Wettbewerber mit der schwächsten Performance.
Eine Personalumbaustrategie sollte auf drei verschiedene Szenarien vorbereitet sein: eine gesunde Gegenwart, kurzfristige Konjunkturschwankungen und eine unsichere Zukunft.
Eine gesunde Gegenwart. Auf kurzfristige Sicht sollte das Management strengen Einstellungsprozessen folgen und stringente Leistungskennzahlen nutzen, um eine solide und wetterfeste Organisation zu schaffen. Ein schlanker Ansatz bei der Personalbeschaffung hilft, ein Hin und Her zwischen überschwänglichen Einstellungen in Wachstumsphasen und schädlichen Kündigungswellen in Nachfrageflauten zu vermeiden.
Bevor CEO Dave Cote 2002 den Kurswechsel einläutete, galt bei Honeywell die Devise, in guten Zeiten ungehindert einzustellen und in schlechten Zeiten Stellen zu streichen. Doch der drastische Personalabbau von 2001 war Cote zu viel – er führte Einstellungskontrollen ein. Geschäftsleiter mussten fortan darlegen, wie zusätzliche Mitarbeiter bei der Entwicklung neuer Produkte oder Märkte helfen sollten. Falls ihnen das nicht gelang, mussten sie an anderer Stelle Kosten kürzen, um die zusätzlichen Stellen finanzieren zu können.
Häufig nutzen Manager Kündigungen, um unangenehmen Diskussionen über die Geschäftsergebnisse aus dem Weg zu gehen. Viele Unternehmen setzen auf sogenannte Rank-and-Yank-Strategien (auf Deutsch etwa "einstufen und hinauswerfen"), bei denen sie – häufig im Jahresrhythmus – die Mitarbeiter mit den schlechtesten Beurteilungen entlassen. Weit produktiver ist jedoch der Einsatz sinnvoller Leistungsbeurteilungen und Mitarbeiterentwicklungspläne, um einen Stamm von Leistungsträgern aufzubauen. Lincoln Electric, ein Hersteller von Schweißausrüstung mit Sitz in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio, versucht seit 1958, an seinen amerikanischen Standorten ohne Entlassungen auszukommen.
Einer der Gründe für diese Personalpolitik ist, dass sich der Konzern mithilfe strenger Leistungsstandards und rigoroser Beurteilungsverfahren den Ruf erarbeiten konnte, über eine sehr kompetente und effiziente Belegschaft zu verfügen. Das Unternehmen bewertet seine Mitarbeiter halbjährlich in fünf Bereichen. Die Arbeiter stehen innerhalb ihrer Abteilungen im Wettbewerb, und ihre Beurteilung ist maßgeblich für ihre leistungsabhän-gige Vergütung. Mitarbeiter, die zu den schwächsten 10 Prozent zählen, erhalten einen Entwicklungsplan. Das Unternehmen gibt sie erst auf, wenn sie langfristig auf diesem niedrigen Niveau verharren.
Konjunkturschwankungen. Erfahrene Manager entwickeln unterschiedliche Wege, die Kosten auch ohne brachiale Stellenkürzungen zu senken. Drei Ansätze von Honeywell, Lincoln Electric und Recruit Holdings, einem japanischen Personalvermittler, zeigen, wie viel kreativer Spielraum Geschäftsführern auch in Abschwungphasen bleibt.
In der vergangenen Weltwirtschaftskrise entschied Dave Cote, Mitarbeiter von Honeywell zu beurlauben, statt sie zu entlassen. Während seiner Zeit bei General Electric hatte er drei Rezessionen miterlebt und so ein Gefühl für Anfang und Ende von Konjunkturzyklen entwickelt. Zwei Jahre bevor sich die ersten Anzeichen einer wirtschaftlichen Abkühlung bemerkbar machten, drosselte er das Tempo des Personalaufbaus. Als die Rezession eintrat, schickte Honeywell Mitarbeiter für ein bis fünf Wochen in den – je nach dem vor Ort geltenden Arbeitsrecht – bezahlten oder unbezahlten Urlaub. Auf diese Weise konnte das Unternehmen 20.000 Stellen retten, wie Tom Starner in einem Artikel für das Fachblatt "Human Resource Executive" schreibt. Er beruft sich dabei auf Schätzungen von Honeywells Finanzabteilung.
In einem Beitrag von 2013 für die Harvard Business Review erläuterte Cote seine Haltung: "Ich habe in einer Führungsmannschaft noch nie Diskussionen darüber erlebt, wie ihre Ent-scheidungen im Abschwung die Geschäftsergebnisse in der Erholungsphase beeinflussen würden ... Ich wies immer wieder darauf hin: Die Erholung wird kommen, und wir müssen darauf vorbereitet sein." Befristete Freistellungen ermöglichten Honeywell, diejenigen Mitarbeiter zu halten, die der Konzern brauchte, sobald die Nachfrage wieder anzog. Sie halfen ihm, über die Rezession hinweg profitabel zu bleiben und in den ersten fünf Jahren danach kräftig zu wachsen.
Recruit Holdings entwickelte 2000 unter dem Titel "Career View" ein innovatives System, bei dem das Unternehmen mit Bewerbern ohne klassischen Werdegang einen auf drei Jahre befristeten Vertrag abschloss. Damit erreichte Recruit zwei Ziele: Das Unternehmen vergrößerte seine Reichweite über Japans Ballungszentren hinaus und steigerte seine Personalflexibilität – ein wichtiger Schritt angesichts der Tatsache, dass japanische Unternehmen traditionell niemanden entlassen. Das Programm zielt auf Menschen in ländlichen Regionen ab, deren Bildungsstand und Arbeitserfahrung ihnen kaum erlauben, bei einem der großen japanischen Konzerne unterzukommen. Sie werden als Mitarbeiter im Vertrieb einer Regionalniederlassung in der Nähe ihres Wohnsitzes angeheuert. Sechs Monate nach ihrem Einstieg bei Recruit setzen sich diese Mitarbeiter mit Karriereberatern zusammen, um ihre Ziele zu besprechen. Außerdem erhalten sie eine ausführliche Leistungsbeurteilung. Diese beschreibt, welche Fähigkeiten sie entwickeln, welche Fähigkeiten sie benötigen, um ihren nächsten Job – meist bei einem anderen Unternehmen – zu finden, und was sie tun können, um die Lücke zwischen beiden zu schließen.
Etwa neun von zehn Career-View-Mitarbeitern finden am Ende der drei Jahre einen anderen Job, während Recruit durch das Programm seine regionale Präsenz ausbauen und seine Vertriebsmitarbeiterbasis je nach Konjunkturphase hoch- oder runterfahren kann.
Lincoln vermeidet Kündigungen, weil das Unternehmen von den Mitarbeitern Flexibilität verlangt. Sie müssen Überstunden leisten, wenn die Nachfrage anzieht, und sie wissen, dass sie kürzer arbeiten werden, sobald die Nachfrage wieder abflaut. Darüber hinaus kann ihnen das Unternehmen für die Dauer eines Abschwungs jede andere Stelle zuweisen, selbst eine, die schlechter bezahlt ist. Als beispielsweise der Absatz während der vergangenen Wirtschaftskrise ins Stocken geriet, teilte Lincoln einige Fabrikarbeiter dem Vertrieb zu. Diese Mitarbeiter lernten dadurch das Geschäft des eigenen Unternehmens noch besser kennen. Zugleich profitierten auch die Kunden, weil die Werksmitarbeiter die Produkte von Lincoln bis ins Detail kannten. Zudem verlagern die Geschäftsführer in konjunkturell schwachen Phasen ihre Prioritäten automatisch auf Initiativen, um die sie sich in Boomphasen nicht mit ganzer Aufmerksamkeit kümmern können. Dazu gehören Maßnahmen zur Qualitätssteigerung oder zur Reduzierung der Ausschussquoten, Forschungs- und Entwicklungsprojekte sowie Wartungsarbeiten. Für solche Aufgaben sind erfahrene Mitarbeiter unerlässlich. Und diese können eher Zeit erübrigen, wenn die Nachfrage schwindet.
**Eine unsichere Zukunft.**Marktverschiebungen, neue Technologien und neue Wettbewerber können umfangreiche Restrukturierungen nötig machen. Bevor sie Stellen abbauen, sollten Manager sich vom breit angelegten Umbau bei AT&T inspirieren lassen.
Michelin hat seinerseits den Wandel zum festen Bestandteil der Personalstrategie gemacht. Als Bertrand Ballarin 2003 zum Unternehmen stieß, war eine seiner ersten Aufgaben, eine Fabrik im französischen Bourges zu managen, die kurz vor der Schließung stand. Er rief seine Manager und Gewerkschaftsvertreter zusammen, erklärte ihnen die Lage und gab ihnen ein Jahr, um einen Plan zur Rettung des Werks zu erstellen. Bei einer der drei in Bourges produzierten Produktlinien handelte es sich um Flugzeugreifen. Als das Team analysierte, wie andere Michelin-Fabriken diese herstellten, gelangte es zu dem Schluss, dass keine über einen besseren Fertigungsprozess verfügte als das eigene Werk. Das Team konnte durch seine Analyse mit Erfolg argumentieren, dass sich Bourges auf Flugzeugreifen spezialisieren und ein neues Forschungszentrum einrichten sollte, um die Produktentwicklung voranzutreiben.
2013 begann Michelin die Erfahrungen aus Bourges auf seine Fabrik im französischen Roanne zu übertragen, der ebenfalls die Schließung drohte. Zwischen Oktober 2014 und März 2015 entwickelten mehr als 70 Teilnehmer, darunter Führungskräfte aus der Zentrale, Gewerkschaftsvertreter, Werksleiter und Mitarbeiter, gemeinsam eine Transformationsstrategie für den Standort. Statt das Werk dichtzumachen und die Mitarbeiter zu entlassen, willigte Michelin ein, 80 Millionen Euro in die Entwicklung einer neuen Linie von Premiumreifen an dem Standort zu investieren. Die Belegschaft sollte durch natürliche Fluktuation von 850 auf 720 Mitarbeiter sinken. Statt in vier Schichten von montags bis samstagmittags zu arbeiten, sollte das Werk auf fünf Schichten umstellen, die den Betrieb rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche aufrechterhalten würden. Zudem sollten die Mitarbeiter jedes Jahr sechs zusätzliche Tage arbeiten. Durch diese Änderungen war das Werk in der Lage, die Produktion je nach Marktlage um 12 Prozent auszuweiten oder herunterzufahren; außerdem stellte Michelin zwei Millionen Euro bereit, um die Qualität des Managements und die Work-Life-Balance der Werksmitarbeiter zu verbessern – Themen, die bei der Planung der Transformationsstrategie auf den Tisch gekommen waren.
Es gibt Zeiten, in denen solche Veränderungen nicht mehr möglich sind. Vielleicht umfasst die Transformation auch Stellenstreichungen. In solchen Fällen muss das Unternehmen seine Mitarbeiter fair behandeln. Das ist keine Frage der Barmherzigkeit. Deepak Datta konnte mit seinen Untersuchungen zeigen, dass Unternehmen nach Entlassungen tendenziell bessere finanzielle Ergebnisse erzielten, wenn die Mitarbeiter der Auffassung waren, dass diese gerecht und aus strategischen Gründen durchgeführt wurden statt aus Kostengründen.
Sehen wir uns noch einmal an, was 2011 bei Nokia geschah, als der Geschäftsführung klar wurde, dass eine erneute Umstrukturierung nötig war. Für den damaligen Chairman Jorma Ollila stand fest, dass ein weiteres Bochum unter allen Umständen vermieden werden musste. Um Nokia hierbei zu unterstützen, entwickelte eine kleine Gruppe von Führungskräften das sogenannte Bridge- oder Brückenprogramm. Es sollte dafür sorgen, dass so viele Mitarbeiter wie möglich eine andere Beschäftigung aufnehmen konnten, wenn ihre bisherige Aufgabe endete. In allen 13 Ländern, in denen Entlassungen geplant waren, eröffnete Nokia Bridge-Zentren. Das Programm bot Mitarbeitern fünf Optionen:
1. Eine andere Stelle bei Nokia finden. Um einer Günstlingswirtschaft vorzubeugen, bildete das Unternehmen Ausschüsse. Sie sollten anstelle der lokalen Manager entscheiden, wer im Betrieb bleiben sollte.
2. Eine andere Stelle außerhalb von Nokia finden. Die Zentren boten Outplacementleistungen an, etwa Karriereberatung, Workshops zur Erstellung eines Lebenslaufs, Berufsmessen und Netzwerkveranstaltungen.
3. Ein eigenes Unternehmen gründen. Einzelne Mitarbeiter oder Gruppen konnten Geschäftsideen einreichen und Gründungszuschüsse in Höhe von bis zu 25.000 Euro gewinnen. Die Mitarbeiter hatten zwei Monate Zeit, ihre Pläne zu entwickeln. Sie erhielten Unterstützung in Form von Coaching und Mentoring, Hilfestellung beim Aufbau von Netzwerken und Schulungen in anderen Bereichen. Nokia war an keinem der gegründeten Unternehmen wirtschaftlich beteiligt.
4. Einen neuen Beruf erlernen. Nokia bot Ausbildungsbeihilfen für Management- und Berufsschulfortbildungen in den unterschiedlichsten Bereichen wie Gastronomie, Schönheitspflege, Baugewerbe, Feuerwehr und anderen an.
5. Einen neuen Pfad einschlagen. Das Unternehmen unterstützte Mitarbeiter finanziell, die persönliche Ziele wie eine ehrenamtliche Tätigkeit verwirklichen wollten.
Nokia ließ sich das Brückenprogramm 50 Millionen Euro kosten, das entspricht rund 2800 Euro je Mitarbeiter. Gemessen an den 1,35 Milliarden Euro, die der Konzern zwischen 2011 und 2013 für Umstrukturierungsmaßnahmen ausgab, waren das nur knapp 4 Prozent. Ergebnis des Programms war, dass sechs von zehn der 18.000 betroffenen Mitarbeiter an ihrem letzten Arbeitstag wussten, wie es weitergehen würde. Insgesamt sagten 85 Prozent der finnischen Teilnehmer, dass sie mit der Maßnahme zufrieden seien, weltweit erklärten dies 67 Prozent der Mitarbeiter. Darüber hinaus konnten die Mitarbeiter, deren Jobs wegfallen würden, gemeinsam mit den Kollegen, die im Unternehmen verblieben, das Qualitätsniveau über die gesamte Umstrukturierungsphase hinweg halten oder verbessern. Die Beschäftigten in den Niederlassungen, an denen ein Stellenabbau geplant war, erwirtschafteten mit neu eingeführten Produkten einen Umsatz von 3,4 Milliarden Euro. Das entsprach einem Drittel des konzernweiten Umsatzes mit Neueinführungen und somit dem gleichen Anteil, den diese Niederlassungen auch zuvor schon beigetragen hatten. Die Kennzahlen zur Mitarbeitermotivation blieben in allen Konzernbereichen über die gesamte Umstrukturierung hinweg konstant. Anders als zuvor in Bochum kam es in keinem der 13 Länder, in denen Stellen gestrichen wurden, zu Protesten der Gewerkschaften. Nokia hatte in jeder Hinsicht einen besseren Weg gefunden, Personal abzubauen.
2017, drei Jahre nachdem Nokia seine Handy- und Dienstesparte an Microsoft verkauft hatte, nutzte der Konzern eine verbesserte Version seines Brückenprogramms für die nächste Umstrukturierung. Microsofts finnische Landesgesellschaft hat ein ähnliches Programm aufgebaut. Und selbst die finnische Regierung hat Anregungen und Ideen von Bridge in Gesetze einfließen lassen, die Unternehmen vorschreiben, welche Vorkehrungen sie bei Entlassungen für ihre Mitarbeiter zu treffen haben.
Haben wir das passende Personal, um im aktuellen Umfeld zu bestehen? Dies ist eine der wichtigsten Fragen, die jede Organisation in einer sich ständig verändernden Wirtschaftswelt beantworten muss. Allzu häufig haben Unternehmen hierbei den kurzfristigen finanziellen Erfolg im Blick, anstatt auf das langfristige Wohlergehen ihrer Mitarbeiter zu achten. Diese aber sind das Lebenselixier, das es einem Unternehmen ermöglicht, weiterhin die Produkte und Leistungen zu entwickeln, die letztlich den Aktionären die Rendite sichern.
Die Erfahrungen bei Michelin und Nokia zeigen, dass Führungskräfte auch dann gute Leistungen von ihren Mitarbeitern erwarten können und sollten, wenn diese wissen, dass sie möglicherweise ihre Arbeit verlieren werden. Jedes Unternehmen, das aufgrund technischer Neuerungen oder eines verschärften Wettbewerbs ins Trudeln gerät, wird besser fahren, wenn es umsichtig den Umbau seiner Belegschaft plant, anstatt vorschnell die nächste Kündigungswelle loszutreten. 
© HBP 2019
Dieser Beitrag erschien erstmals im Harvard Business Manager August 2018.
Die Autorinnen
Sandra J. Sucher ist Professorin für Management an der Harvard Business School (HBS). Shalene Gupta ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der HBS.
