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Personalmanagement als Führungsaufgabe

„Ein Blick auf Stellenanzeigen genügt, um zu sehen, dass viele Unternehmen beim Recruiting im Blindflug unterwegs sind", schrieb der Journalist Peter Laudenbach vor fünf Jahren in seinem brandeins-Beitrag „Die Ohnmächtigen", in dem er sich dem Personalmanagement als einer entscheidenden Führungsaufgabe gewidmet hat. 2016 bezog sich auch Brun-Hagen Hennerkes, Gründer und Vorstandsvorsitzender der gemeinnützigen Stiftung Familienunternehmen, in seinem Buch „Die Familie und ihr Unternehmen" darauf. Stellenausschreibungen in der Zeitung seien per se unpersönlich und „verlieren auch durch die Nennung des Unternehmens nur wenig von ihrem hölzernen Charakter".

Vor diesem Hintergrund nimmt die zunehmende Bedeutung der Personalberater breiten Raum in diesem Handbuch ein: Über sein Netzwerk, seine Datenbank und eine umfassende Recherche ermittelt der Personalberater Branchen und Unternehmen, in denen er passende Kandidaten (die dann direkt angesprochen werden) kennt: „Bei positiver Reaktion folgt ein erstes Auswahlgespräch. Anders als bei einer Anzeigenaktion tritt dabei der Personalberater werbend für das suchende Unternehmen auf."

Das Fazit vieler Medienbeiträge dazu ist, dass Unternehmens- und Führungskultur, Personalentwicklung, langfristige Personalplanung und Auswahl der Mitarbeiter nicht nebenher mitlaufen können. Das professionelle Recruiting, bei dem sehr viel Wert auf die Auswahl der richtigen Mitarbeiter gelegt wird, ist deshalb heute von entscheidender Bedeutung - auch vor dem Hintergrund, dass Unternehmen den enormen Druck des demografischen Wandels spüren.

Der Personalexperte, Autor und Geschäftsführer der GmbHs der Neumüller Unternehmensgruppe, Werner Neumüller, stand mir in den vergangenen Jahren häufig als Impulsgeber und Interviewpartner zur Verfügung, um aus erster Hand Praxisbezüge zu erhalten. Die Neumüller Unternehmensgruppe gehört in Nordbayern zu den zehn großen Personaldienstleistern und rekrutiert seit 2003 Ingenieure und Akademiker für Kunden über die Arbeitnehmerüberlassung mit Option zur Übernahme. Dieser Fokus im Kerngeschäft ist im Komplexitätszeitalter besonders wichtig, um langfristig erfolgreich zu sein - so wie es auch der Managementexperte Hermann Scherer in seinem Buch „Fokus! Provokative Ideen für Menschen, die was erreichen wollen", beschreibt: „Fokussierter sein. Konzentrierter sein." Schließlich kommt es heute darauf an, in einigen wenigen Bereichen gut, besser und großartig zu sein „und nicht in vielen Gebiete diverse Ziele anzustreben".

Der Fokus ist auch in den Grundregeln von Neumüller verankert, die nach Unternehmensangaben auf Ehrlichkeit, Fleiß und Nachhaltigkeit basieren. Hier heißt es z.B. in Anlehnung an das Diktum von Reinhold Würth: „Schaffe, net schwätze!" Oder: „Wir arbeiten hochqualitativ!" - „Wir geben NIE auf!" Und: „KONZENTRIEREN!"

Die Konzentration auf technische Berufe und Ingenieure ist nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal, sondern stärkt ebenso die eigene Unternehmensidentität und das Kerngeschäft, das auch eine Problemlösung auf eine gesellschaftliche Entwicklung ist, die TRIGEMA-Chef Wolfgang Grupp schon vor einigen Jahren thematisierte: „Wenn die Unternehmer heute über den Ingenieursmangel klagen, dann sage ich denen klipp und klar: Es ist noch keine zehn Jahre her, da haben Sie Ingenieure in den Vorruhestand geschickt" (manager magazin 8/2013). Das ändert sich gerade.

Damit verbunden sind auch neue und andere Recruiting-Ansätze: So rücken die Noten einzelner Studienleistungen oder die Abschlussnote in den Hintergrund, wenn es um Kriterien abseits des Zeugnisses geht - beispielsweise das gesellschaftliche Engagement in der Gesellschaft, Talente und Kompetenzen, Praktika oder unternehmerische.

Dabei ist „der eindimensionale Blick auf den Notenspiegel keineswegs ausreichend", sagt Neumüller. Entscheidend sei heute, ob jemand in der Lage ist, Probleme zu lösen, denn die Anforderungen und Profile in den Unternehmen ändern sich immer schneller. Während früher das Fachliche im Mittelpunkt stand und die Länge der Unternehmenszugehörigkeit entscheidend war (Statusmacht statt Gestaltungsmacht), wird heute verstärkt auch auf Persönlichkeit geachtet. Unternehmen bevorzugen laut Neumüller „vor allem Kandidaten, mit denen sie ihre Wertvorstellungen teilen können. Es geht ihnen um die größtmögliche Übereinstimmung und die Frage: Passt der Kandidat zu unserer Unternehmenskultur?"

Moderne Personaldienstleistung entlastet die Personalabteilungen der Unternehmen, die sie beauftragen. Das reduziert deren Aufwand und hält gleichzeitig die Fixkosten niedrig. Weitere Vorteile sind laut Neumüller spezifisches Know-how, eine schnelle Verfügbarkeit und zusätzlich hohe Flexibilität. Kosten fallen nach Angaben des Geschäftsführers meist nur im Erfolgsfall bzw. nach Besetzung an. Auch gibt es bei den „Übernommenen" anschließend nur eine „minimale Fluktuation, da man sich z.B. nach der Arbeitnehmerüberlassung gegenseitig bereits kennt". Unabhängig von den unterschiedlichen Suchmethoden ist der Auswahlprozess stets der gleiche. Bei verdeckt durchzuführenden Recherchen sei der Personalberater auch bei der Referenzsuche unverzichtbar.

Das Thema der richtigen und strategischen Personalauswahl ist nicht kalt und emotionslos, sondern auch mit weichen Faktoren verbunden: So zeigte der Moderator Frank Elstner 2012 in der Sendung „Die große Show der Naturwunder", wie der kurzzeitige Kontakt mit warmen oder kalten Getränken das Urteil eines Personalchefs über den Bewerber beeinflusst: Umfasste der Personalchef vor dem Bewerbungsgespräch einen Becher mit einem warmen Getränk mit der gesamten Handinnenfläche, veränderte dies seine emotionale Ver"fasst"heit: Er urteilte wohlwollender und warmherziger über den Kandidaten, ja stellte diesen sogar eher ein, als wenn er einen Becher mit einem kalten Getränk in der Hand gehalten hätte.

Das Ergebnis des Elstner-Experiments: alle Personalchefs, die zuvor den warmen Becher in der Hand hielten, stellten den Bewerber ein. Beim Kaltgetränk waren es nur 40 Prozent: Vier von zehn Kaltgetränk-Personalchefs entschieden sich für den Bewerber - aber zehn von zehn Warmgetränk-Chefs. Weitere Beispiele finden sich im Buch „Die Strategie der 5 Sinne" von Karl Werner Schmitz - z. B. dass auch ein Sessel den Gesprächspartner nachweislich in einem positiveren Sinn beeinflusst als ein harter Stuhl.

Viele Chefs verweisen zuweilen auch auf ihr Bauchgefühl, das ihnen sagt, ob ein Bewerber auf die Stelle „passt" oder nicht. Aber Gefühle allein reichen nicht, auch wenn sie zuweilen gern als geniale „Abkürzungen" des Denkens bezeichnet werden, die den Kopf schonen und das Gehirn von der Aufgabe, „jede Situation neu bis ins Letzte zu durchdenken" (Christoph Drösser), entlasten.

Weiterführende Informationen:

Brun-Hagen Hennerkes, Rainer Kirchdörfer: Die Familie und ihr Unternehmen. Strategie, Liquidität, Kontrolle. Campus Verlag, Frankfurt a.M., New York 2016.

Werner Neumüller: Gutes Klima: Warum Unternehmen einen Kompetenzmix aller Generationen brauchen. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. SpringerGabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2020, S. 115-127.

Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler. 2. Auflage, Heidelberg, Berlin 2020.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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