Planlos erfolgreich – Warum ein „gerader Lebenslauf“ längst kein Qualitätsmerkmal mehr ist
Ich bin fast 30.
Und ich glaube: Normal wird’s wohl nicht mehr.
Das klingt lakonisch – ist aber keine Kapitulation. Es ist eine Erkenntnis. Vielleicht sogar ein Befreiungsschlag.
Denn ich dachte, mein Leben hätte längst eine gewisse Ordnung.
Ich dachte, ich hätte jetzt einen klaren Lebenslauf.
Einen Job, der sich gut erklären lässt.
Ein Profil, das Recruiter:innen ohne Rückfragen verstehen.
Ein Lebenskonzept mit Ziel, Strategie, rotem Faden.
Doch der rote Faden?
Er ist mehr Nähgarn als Drahtseil.
Mal lose. Mal reißt er. Mal verheddert er sich.
Ich habe Stellen ausprobiert, verlassen, verloren.
Ich habe mich angepasst – und dann wieder neu erfunden.
Ich habe Chancen bekommen, die ich mir erkämpft habe.
Und welche, die ich erst Jahre später verstanden habe.
Die Frage, die bleibt:
Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn alles nach Plan gelaufen wäre?
Wäre ich heute Führungskraft in einem etablierten Konzern?
Hätte ich ein LinkedIn-Profil mit messerscharfer Job-Logik?
Würde mein Lebenslauf so glatt wirken, dass man darauf ausrutschen könnte?
Vielleicht. Aber wahrscheinlich wäre ich nicht zufriedener.
Denn während ich suchte, lernte ich.
Und zwar das, was in keiner Ausbildung, keinem Studium und keiner Karriereplanung steht:
✅ Ich habe gelernt, mich nicht mehr zu verbiegen – auch nicht für den perfekten Lebenslauf.
✅ Ich habe erlebt, dass Brüche keine Makel sind, sondern Merkmale.
✅ Ich habe begriffen, dass mein Wert nicht an Titeln oder Arbeitgebermarken hängt.
✅ Und ich habe verstanden, dass Orientierung nicht immer geradlinig verläuft – sondern im Zickzack, mit Umwegen, Schleifen und Irrwegen.
Heute weiß ich: Ich bin genau da, wo ich sein soll.
Auch wenn der Weg anders aussah als gedacht.
Oder vielleicht gerade deshalb.
Die große Kunst liegt nicht mehr darin, „Karriere“ wie eine Checkliste abzuarbeiten.
Sondern darin, sich selbst nicht zu verlieren.
Nicht in Vergleichen. Nicht in Erwartungen. Und schon gar nicht in Rollenbildern.
Ich bin fast 30 – und merke: Dieses Alter ist kein Wendepunkt.
Es ist eine Einladung.
Zur Reflexion. Zur Neuausrichtung. Und manchmal einfach nur dazu, still zu sagen:
Ich bin genug.
Denn wenn ich zurückschaue und mich frage, was mein 20-jähriges Ich über mein heutiges Ich denken würde, fällt mir nur eines ein:
Es wäre überrascht.
Und vielleicht ein bisschen stolz.