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Plastik, Papiertüten, Baumwolltragetaschen: Der Wahrheits-Check

Nach Forderung der EU soll bis spätestens 2025 der Verbrauch von Plastiktüten auf 40 Stück pro Kopf und Jahr zurückgehen. 2018 verbrauchte jeder Bundesbürger im Schnitt 29 Kunststofftragetaschen (Quelle: Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung/GVM). 2017 waren es noch 45 Plastiktüten pro Kopf, fünf Jahre zuvor lag der Pro-Kopf-Verbrauch bei 76 Stück pro Jahr. Insgesamt wurden 2017 etwa 2,4 Milliarden Kunststofftragetaschen in Umlauf gebracht (35 Prozent oder 1,3 Milliarden Stück weniger als 2016).

Grund dafür war auch eine freiwillige Vereinbarung zwischen dem Handel und dem Bundesumweltministerium, die Mitte 2016 in Kraft trat und eine EU-Richtlinie zu Verpackungsabfällen von 2015 umsetzen soll. Der Einzelhandel verpflichtet sich darin zur Verringerung der Kunststofftüten bis Ende 2019 auf höchstens 90 pro Einwohner und Jahr und bis Ende 2025 auf höchstens 40.

Nach Angaben des Ministeriums haben 2018 bereits 360 Unternehmen mit 47.000 Filialen die Vereinbarung unterschrieben. Darunter waren alle großen Lebensmittelketten, Textilhändler und Baumärkte. Ebenfalls beteiligt sind viele Einzelhändler. Die Handelsunternehmen können die Vorgaben entweder durch eine Tütengebühr oder durch den völligen Verzicht auf Einwegtragetaschen umsetzen.

Die UNO hatte am 5. Juni 2018 anlässlich des Weltumwelttags eindringlich vor den Gefahren durch Plastikmüll gewarnt, der einige Meeresregionen “in Plastiksuppe” verwandelt. Nur etwa neun Prozent des weltweit jemals hergestellten Plastiks seien recycelt worden – fast 80 Prozent blieben hingegen auf Müllhalden, in Ozeanen und Wasserstraßen.

Infolge des Plastiktüten-Schwunds stieg in der letzten Zeit der Verbrauch von Papiertüten. Sie bieten zwar den Vorteil, dass sie sich schneller zersetzen. Es sind jedoch für die Herstellung viele Ressourcen nötig (Zellstoff, Wasser, Chemikalien). Wegen des höheren Energieaufwands bei der Herstellung ist ihre Ökobilanz aber nur dann besser, wenn sie mindestens dreimal genutzt werden. Bei Feuchtigkeit brechen sie leicht durch.

Ein Baumwollbeutel muss sogar 131-mal benutzt werden, um besser dazustehen als die Plastiktüte. Diese Zahlen gehen auf die Untersuchung Life cycle assessment of supermarket carrier bags der britischen Umweltbehörde aus dem Jahr 2011 zurück. Eine Untersuchung der Schweizer Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) aus dem Jahr 2011 sieht den Baumwollbeutel schon ab der 20. Nutzung im Vorteil. Die Zahlen unterscheiden sich je nachdem, wie etwa die Tüten produziert wurden, wie dick sie sind oder mit welchen Faktoren die Umweltbilanz berechnet wurde.

Die memo AG sagte im Frühjahr 2018 den dünnwandigen Kunststoffbeuteln, die es an der Obst- und Gemüsetheke kostenlos gibt, den Kampf an. Im Markensortiment des Ökoversenders werden seit Februar 2018 Zweierpack-Beutel für Obst und Gemüse aus 100 Prozent Bio-Baumwolle angeboten. Die Beutel sind GOTS- und Fairtrade-zertifiziert und haben eine komfortable Größe – beispielsweise für bis zu drei Kilogramm Kartoffeln. Die eine Seite ist aus einer luftigen Gitterstruktur, die den Inhalt zeigt und zusätzlich für Belüftung sorgt. Die andere, glatte Stoffseite stabilisiert die Beutel. Eine feste Baumwollkordel zum Zuziehen verhindert, dass die lose Ware herausfällt. Auf der Innenseite ist das Tragewicht von 42 Gramm des Beutels abgedruckt, um es beim Bezahlen an der Kasse abziehen zu können.

Die Vereinbarung zwischen dem Bundesumweltministerium und dem Handelsverband Deutschland (HDE) aus dem Jahr 2016, nach der innerhalb von zwei Jahren 80 Prozent der Kunststofftüten im Einzelhandel kostenpflichtig sein sollen und der Pro-Kopf-Verbrauch an Kunststofftüten deutlich reduziert werden soll, betrifft nur Kunststofftüten mit einer Wandstärke von 15 bis 50 Mikrometer. Die Plastiktüten in der Obst- und Gemüseabteilung und an der Frischetheke – die wegen ihrer Form auch „Hemdchen-Beutel“ genannt werden - sind von den Regelungen nicht betroffen. Der Pro-Kopf-Konsum der Deutschen innerhalb eines Jahres ist von 68 auf 45 Tüten gesunken. Damit ist jedoch leider das Problem mit den „Hemdchen-Beuteln“ noch nicht gelöst. laut Bundesumweltministerium nutzten Kunden 2017 rund 3,2 Milliarden solcher Plastiktütchen (ein Jahr zuvor waren es weniger als 3 Milliarden).

Einige Supermärkte bieten für wenig Geld wiederverwertbare Baumwoll- oder Kunststoffnetze an. Teilweise ziehen sie ihr Gewicht an der Kasse automatisch ab. Ökologisch sinnvoll sind aber auch zusammenfaltbare Beutel aus Polyester, die sich immer häufiger an Supermarktkassen befinden – in der Regel halten sie bis zu zehn Kilo aus und sind sehr langlebig.

Weiterführende Informationen:

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Verpackt oder unverpackt? Warum Stoffkreisläufe eine Frage der Nachhaltigkeit sind. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2018.

Michael Kläsgen, Vivien Timmler: Kommt doch in die Tüte. In: Süddeutsche Zeitung (8.6.2018), S. 17.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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