Nur Konfetti von früh bis spät? Das wäre ein falsches Verständnis von Positive Leadership - © positiv-fuehren.com

Positive Prompts für dich, dein Team, deine Organisation

Was positive Resonanz ist und bringt und wie du sie durch Positive Prompts fördern kannst, für dich, dein Team, deine Organisation(seinheit) – dazu hier einige Anregungen.

Was ist Resonanz?

Pardon, es wird kurz etwas komplizierter: Ich fange erst an, mich intensiver mit dem Resonanz-Konzept auseinanderzusetzen, es wird hier viele geben, die sich damit viel besser auskennen. Aber aus meinem (jetzigen) Verständnis ist für den Jenaer Soziologen Hartmut Rosa Resonanz – und nicht etwa Slow Food, Slow Sex, Slow irgendwas – eine mögliche Antwort auf eine sich permanent beschleunigende Welt, zu der wir in einem immer stärker entfremdeten Verhältnis zu stehen drohen. Und von der sich viele auch deshalb immer überforderter und enttäuschter sehen (hoffentlich liest mein Deutschlehrer diesen Komparativ-Versuch nicht…), weil sie ihre materiellen, sozialen und psychischen Versprechungen nicht einhält.

Resonanz entsteht für Rosa dann, wenn „Entitäten der Beziehung in einem schwingungsfähigen Medium (oder Resonanzraum) wechselseitig so berühren, dass sie als aufeinander antwortend, zugleich aber auch mit eigener Stimme sprechend, also als ‚zurück-tönend‘ begriffen werden können“ (Rosa 2016, S. 28). In meinen Worten hieße das: Weder nur senden noch nur empfangen, sondern in einer Art Tanz oder Wechselspiel zwischen sprechend und hörend, gebend und nehmend, nach vorn und zurück im Kontakt mit anderen und damit der Welt sein.

Könnte für Führung doch ein ganz hilfreicher Ansatz sein, oder?

Was ist positive Resonanz?

Ich durfte am Wochenende die großartige, viel zitierte, einflussreiche Emotionsforscherin Barbara Fredrickson live erleben, inzwischen eine der Ikonen der Positiven Psychologie, bei einem großartigen Kongress in Graz (Danke dafür, lieber Philip Streit und liebes Team der AKJF - Akademie Kind, Jugend und Familie !).

Fredrickson spricht begeistert und begeisternd von positiver – oder genauer gesagt von „Positivitäts-Resonanz“ (positivity resonance), wenn „zwischenmenschliche geteilte Erfahrungen vorliegen, die durch momentanen Anstieg in

  • gleichzeitig erfahrenem positiven Affekt

  • personenübergreifender Synchronizität in anteilnehmenden, nonverbalen Signalen

  • personenübergreifender Synchronizität biologischer Marker

gekennzeichnet sind, und die damit die wechselseitigen Beziehungen stärken („Chemie“), die soziale Verbundenheit fördern, gegenseitiges Commitment, Loyalität und Vertrauen kräftigen [eigene Übersetzung], nach Fredrickson (2016) und Brown & Fredrickson (2021). Positive Resonanz ist gleichzeitig ein Gefühl, lässt sich an bestimmten Verhaltens- und Kommunikationsweisen erkennen und hat eine eigene körperlich darstellbare Signatur. Positive Resonanz als Konzept zu kennen und bewusst kultivieren zu können, kann für alle wichtig sein, die in einer Partnerschaft leben, eine Schulklasse leiten, ein Team trainieren, Führungsverantwortung in einer Firma tragen.

Wozu positive Resonanz fördern?

Positive Emotionen sind als angenehm empfundene, momentane, verkörperte, authentische und kontextbezogene psychophysische Bewegtheiten, oder einfacher ausgedrückt: Farben der Gestimmtheit (u.a. Gruber 2011, Fredrickson 1998).

Fredrickson unterscheidet dabei vor allem zehn häufig empfundene positive Emotionen wie etwa Gelassenheit, Hoffnung oder Vergnügen. Negative (als tendenziell unangenehm empfundene) Emotionen wie Ärger, Ekel, Neid oder Scham haben dabei durchaus ihren evolutionären Sinn – sie helfen uns als Warnanzeiger vor allem dabei, Bedürfnisse und Gefahren zu identifizieren, sie nützen uns quasi zurechtzukommen. Fürs Vorwärtskommen hingegen sind die positiven Emotionen besonders hilfreich, da sie uns in einen Expansions-, Lern- und Wachstumsmodus bringen helfen, langfristige Ressourcen stärken, die Resilienz in schwierigen Situationen und Zeiten stärken können, zu einem längeren Leben beitragen und prosoziales Handeln wahrscheinlicher machen (u.a. Fredrickson & Branigan 2005, Fredrickson 2013).

Im PERMA-Lead-Modell von Dr. Markus Ebner (2024), mit dem Positive Leadership fassbar, messbar, kultivierbar wird, haben die positiven Emotionen einen wichtigen Platz.

Positive Leadership lernen und anwenden können – darum geht's in meinem nächsten Workshop - positiv-fuehren.com
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Die Forschung deutet darauf hin, dass Verbundenheit in Form von positiver Resonanz eine Art „Superinhaltsstoff“ ist, der mit besserer mentaler Gesundheit, weniger Depressivität, weniger Einsamkeitserleben, höherer Resilienz, stabileren Ehen, aber auch weniger körperlichen Krankheitssymptomen in Verbindung steht (u.a. Major et al 2018, Prinzing et al 2022). „Positive Resonanz ist ein Gesundheitsverhalten, das genauso im Fokus stehen sollte wie ins Gym gehen oder gesunde Ernährung“, so Fredrickson in Graz zu den Ergebnissen ihrer Forschung.

Durch positive Prompts zu mehr Resonanz

Niemand bringt ein Flugzeug wirklich zur Landung, das erledigt die Schwerkraft – die/der PilotIn kann nur die Bedingungen dafür schaffen, dass die Schwerkraft ihren Job tun kann. Und so ähnlich ist das auch mit der positiven Resonanz.

Als Führungskraft und als Mensch kann ich einerseits etwas für mich und in mir tun, um die Bedingungen für positive Resonanz zu schaffen – also quasi die inneren Landeklappen justieren. Das geht erwiesenermaßen – Fredrickson hat dies umfangreich beforscht – etwa mit Achtsamkeitstechniken wie der Metta-Meditation (meine Variante davon ist seit einiger Zeit auf meinem Blog nachzulesen und in meinem Podcast nachzuhören).

Gleichzeitig kann ich mit anderen und für andere – Familie, Teammitglieder, in der Organisation – Positivität fördern:

  • durch eine ganz bewusste Aufmerksamkeit beim Zuhören, das auf dauernde Themenwechsel, Besserwisserei, Ratschläge und andere Formen von „Low Quality Listening“ verzichtet (dazu demnächst hier mehr);

  • durch die bewusste Erweiterung meines sozialen Portfolios, indem ich die „schwachen Verbindungen“, die „weak ties“ fördere (davon handelt eine meiner Keynotes und darum ging es neulich in meinem Newsletter);

  • Und indem ich bewusst in all dem Unmut, den Umbrüchen, der Ungewissheit den Blick auf das Positive richte, für mich und für andere. Ich nenne das positives Prompting.

❤️ Dazu habe ich ein Arbeitsblatt (weiter-)entwickelt – Danke für die großartigen Anregungen dazu, liebe Ingrid Teufel! –, das dir dabei hilfreich sein kann und das hier herunterzuladen ist. Es geht dabei darum, die positiven Emotionen bewusst zu kultivieren – für mich selbst, im Umgang mit dem Team, in der Organisation.

❓Was bringt dich in positive Resonanz?

LITERATUR

Brown, C. L., & Fredrickson, B. L. (2021). Characteristics and consequences of co-experienced positive affect: Understanding the origins of social skills, social bonds, and caring, healthy communities. Current Opinion in Behavioral Sciences, 39, 58-63.

Ebner, M. (2024). Positive Leadership in der Praxis: Tools, Techniken und Best-Practice-Beispiele. Mit einem Vorwort von Tayyab Rashid. Facultas.

Fredrickson, B. L. (1998). What good are positive emotions?. Review of general psychology, 2(3), 300-319.

Fredrickson, B. L. (2001). The role of positive emotions in positive psychology: The broaden-and-build theory of positive emotions. American psychologist, 56(3), 218.

Fredrickson, B. L. (2013). Positive emotions broaden and build. In Advances in experimental social psychology (Vol. 47, pp. 1-53). Academic Press.

Fredrickson, B. L. (2016). Love: Positivity resonance as a fresh, evidence-based perspective on an age-old topic. Handbook of emotions, 4, 847-858.

Fredrickson, B. L., & Branigan, C. (2005). Positive emotions broaden the scope of attention and thought‐action repertoires. Cognition & emotion, 19(3), 313-332.

Gruber, J. (2011). Can feeling too good be bad? Positive emotion persistence (PEP) in bipolar disorder. Current Directions in Psychological Science, 20(4), 217-221.

Major, B. C., Le Nguyen, K. D., Lundberg, K. B., & Fredrickson, B. L. (2018). Well-being correlates of perceived positivity resonance: Evidence from trait and episode-level assessments. Personality and Social Psychology Bulletin, 44(12), 1631-1647.

Prinzing, M. M., Zhou, J., West, T. N., Le Nguyen, K. D., Wells, J. L., & Fredrickson, B. L. (2022). Staying ‘in sync’with others during COVID-19: Perceived positivity resonance mediates cross-sectional and longitudinal links between trait resilience and mental health. The Journal of Positive Psychology, 17(3), 440-455.

Rosa, H. (2016). Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung. Suhrkamp Verlag.

Tugade, M. M., Fredrickson, B. L., & Feldman Barrett, L. (2004). Psychological resilience and positive emotional granularity: Examining the benefits of positive emotions on coping and health. Journal of personality, 72(6), 1161-1190.

Christian Thiele schreibt über Positive Leadership, Positive Psychologie, Führung, Wirtschaft & Management

Christian Thiele, 48, ist Vortragsredner, Coach, Teamentwickler und Trainer für Positive Leadership. Sein Podcast „Positiv Führen“ ist auf 🎧 positiv-fuehren.com/podcast zu hören, sein Buch "Positiv Führen" ist bei Wiley erschienen. (Ski-)Bergsteiger, (meist) zuversichtlicher Patchworkvater. 

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