Praktische Humanität und vorurteilsfreie Liebe: Warum Lessing noch immer aktuell ist
Bilder können Werte als motivierende Haltungen vermitteln, die als zentraler Baustein einer nachhaltigen Gesellschaft wirken.
Jerusalem ist für die Fotokünstlerin Nicole Simon das Symbol des Friedens. Sie wollte schon immer an diesen Ort reisen, um sehen und fühlen zu können, was sie dort empfindet. Das Motiv, das in ihrem Kalender POINT OF VIEW von Jerusalem gezeigt wird, heißt „EQUALITY“ – GLEICHHEIT“. Es steht für Solidarität, Gleichberechtigung und Fairness. „Ich wählte diese Perspektive, um zu zeigen wie nah alle drei Religionen beieinander leben und nur in Frieden dort überleben können“, sagt die Fotografin. Jerusalem sollte ihrer Meinung nach das Vorbild für die ganze Welt sein: „Beginnend damit, dass die drei großen Weltreligionen Moslems, Juden und Christen in Frieden miteinander leben. Jeder Mensch ist gleich, egal welcher Herkunft, Religion, Hautfarbe oder Geschlecht.“
Schon Gotthold Ephraim Lessing, der uns die Freiheit lehrte, träumte von einem christlichen Christentum und einer Toleranz ohne Gleichgültigkeit.
Die Worte von Nicole Simon zeigen, dass er uns nicht fremd geworden ist und wir ihn noch heute brauchen. Seine Ringparabel und die Integrationsfrage, die er 1779 in seinem dramatischen Gedicht "Nathan der Weise" ausgeführt hat, ist aktueller denn je: Auch hier heißt es, dass vor Gott alle Religionen gleichrangig sind. Es gibt nicht die eine wahre Religion. Ihr Wert beweist sich durch praktische Humanität und vorurteilsfreie Liebe. Er bemisst sich nach dem, was sie für den Zusammenhalt der Gesellschaft tun. Erst Mensch, dann Christ, Jude oder Moslem – das war sein zeitloses Motto des Friedens und der Toleranz, das auch für das Bild von Nicole Simon gilt.
Das Fotografieren ist für sie (wie für mich das Schreiben) auch ein moralischer Akt. Es verschafft ihr zugleich eine innere Klarheit im Denken, das immer im Training bleiben muss. Talent reicht nie, um die Probleme der Gegenwart zu lösen, auch hier braucht es ein dauerndes Ringen um eine eigene Haltung und Ästhetik, ständige Übung und Kontinuität, das Leben in einer bleibenden Form auszusprechen. Glaube ist für sie ein inneres Gefühl: „Durch einen gesunden Glauben wird kein Hass gesät, sondern Liebe.“ Deshalb war ihr diese Reise so wichtig.
Weiterführende Literatur:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke in drei Bänden. Bd. 1. München 1982, S. 593 ff.
Alexandra Hildebrandt: Tiefe des Glaubens: Warum wir ganz unten nicht verloren sind. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.
Nicole Simon: Wirklichkeit in Bildern. In: Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018; S. 275-303.