Irgendwann im Private Banking landen – ist das heute noch erstrebenswert? | © Thomas Barwick/Getty Images
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Privatbank – Traumjob oder Auslaufmodell?

Ein Job bei einer Privatbank galt lange als Krönung einer Bankerkarriere. Doch ist das für heutige Generationen noch ein Ziel – und lohnend?

Privatbank – das klingt nach schweren Holztüren, gedämpftem Licht und diskreten Gesprächen über Generationenvermögen. Jahrzehntelang war sie der Olymp ambitionierter Banker: nah dran an den Reichen und Einflussreichen, im Zentrum diskreter Deals, ein Umfeld, in dem Vertrauen und Verschwiegenheit mehr wert waren als jeder Quartalsbericht.

Wer in den 1980er- oder 1990er-Jahren in Frankfurt, Zürich oder Hamburg Finanzkarriere machen wollte, hatte oft genau dieses Ziel: „Irgendwann im Private Banking landen.“

Faszination Privatbank – gestern und heute

Für viele junge Talente ist Private Banking heute allerdings nicht mehr automatisch der „Traumjob“. Zu groß sind die Veränderungen in der Branche: Digitalisierung, Regulatorik, Nachhaltigkeitsanforderungen – und nicht zuletzt haben sich auch die Werte der jungen Generationen verändert. Während Babyboomer noch stolz erzählten, dass sie jede Nacht im Büro verbracht hätten, sagen Gen Z und Millennials: „Work-Life-Balance ist kein Luxus, sondern Pflicht.“

Doch auch 2025 gilt im Private Banking wie in jeder Finanzkarriere: Es gibt keinen Free Lunch. Wer Kundenvermögen verwaltet, muss bereit sein, die Extrameile zu gehen – im Zweifel auch dann, wenn andere schon im Feierabend sind.

Der Nimbus und die Realität

Die Faszination bleibt trotzdem. Eine aktuelle Umfrage des BankingHub zeigt: Rund 90 Prozent der Gen-Z-Talente im Banking sind zwar wechselwillig, aber Privatbanken gehören weiter zu den begehrtesten Einstiegsarbeitgebern – nicht nur wegen des Gehalts, sondern auch wegen des Versprechens, „mit echten Menschen“ zu arbeiten statt bloß mit Excel-Tabellen.

Der Unterschied zum Investmentbanking ist dabei gravierend. Während es dort oft um Deals, Transaktionen und kurzfristige Erfolge geht, bedeutet Private Banking, Kunden über Jahre oder Jahrzehnte zu begleiten. Ein Unternehmer, der sein Unternehmen verkauft hat, vertraut dir sein Lebenswerk an. Eine Familie möchte, dass du ihr Vermögen so sicher führst wie sie einst ihr Geschäft geführt hat. Dieses Vertrauen ist Kapital – und es will verdient sein.

Der neue Blick der jungen Generation

Spannend ist, dass junge Banker heute mit anderen Erwartungen in die Branche gehen. Laut der aktuellen Deloitte Gen Z and Millennial Survey (2025) sind nur 6 Prozent der Gen Z primär auf Führungspositionen fokussiert. Viel wichtiger sind ihnen Lernmöglichkeiten, Work-Life-Balance und Sinnhaftigkeit.

Gleichzeitig sagen fast 50 Prozent dieser Generation, dass sie sich finanziell unsicher fühlen. Genau hier liegt die Parallele: Wer anderen beim Vermögensaufbau hilft, muss selbst lernen, mit Unsicherheit umzugehen – und gerade das ist eine Schule fürs Leben.

Praktikum & Werkstudentenjob – der heimliche Königsweg

Der Weg in die Privatbank hat sich ebenfalls verändert. Während früher die klassische Bankausbildung der Königsweg war, zählt heute fast mehr, was man praktisch beweist. Werkstudentenprogramme sind oft das Sprungbrett: Wer dort zeigt, dass er nicht nur Excel bedienen, sondern auch zuhören, organisieren und Verantwortung übernehmen kann, hat oft schon die halbe Miete.

Ich erinnere mich noch gut an meine eigene Zeit als Werkstudent: Excel konnte jeder, aber entscheidend war, ob man bereit war, Verantwortung zu übernehmen – auch bei scheinbar kleinen Dingen. Wer früh im Alltag sichtbar wird, kann sich relativ schnell etablieren. 

Für viele ist das Praktikum oder die Werkstudententätigkeit der eigentliche Einstieg. Und das hat Gründe:

  • Man kommt früh ins Haus und baut Netzwerke auf.

  • Man lernt nicht nur Fachliches, sondern auch die Kultur kennen.

  • Man kann sich im Alltag beweisen – oft mehr als durch ein Zeugnis.

Ein Beispiel: Die HypoVereinsbank zahlt Werkstudenten mittlerweile bis zu 19 Euro pro Stunde, dazu gibt es flexible Einsatzmöglichkeiten und die Chance, Netzwerke aufzubauen.

Trainee-Programme & Graduate-Einstieg

Vor allem internationale Häuser wie Deutsche Bank, Credit Suisse, Quintet oder UBS setzen stark auf Graduate-Programme. Diese dauern oft 12 bis 24 Monate, rotieren zwischen verschiedenen Abteilungen und beinhalten Trainings in Soft Skills, Regulatorik und Kundenkommunikation.

Der Vorteil: Man bekommt breite Einblicke und kann ausprobieren, ob man lieber ins Relationship Management, ins Portfolio Advisory oder ins Produktmanagement geht. Der Nachteil: Diese Programme sind hart umkämpft – oft bewerben sich mehrere Hundert Absolventen auf wenige Plätze.

Quereinstieg – der Umweg als Abkürzung

Was viele vergessen: Auch der Quereinstieg ist möglich. Berater aus dem Consulting oder Corporate Finance wechseln regelmäßig ins Private Banking, wenn sie die Nähe zu Unternehmern suchen. Ebenso kommen Juristen oder Steuerexperten ins Spiel, weil Private Banking eben mehr ist als „nur“ Aktien und Anleihen. Es geht um Nachfolgeplanung, Vermögensstrukturierung, Stiftungen.

Aus meiner Sicht zeigt das: Private Banking ist keine Monokultur, sondern profitiert von Talenten mit unterschiedlichen Hintergründen.

Erwartungen – was Kandidaten liefern müssen

Fachlich zählt nach wie vor: Finanzmärkte verstehen, Risikoprofile einordnen, Investmentlösungen erklären können. Aber genauso wichtig sind Integrität, Diskretion, Loyalität. Soft Skills sind oft wertvoller als ein exzellentes Studium. Wer in Kundengesprächen zuhören kann, wer ernsthaft Interesse am Menschen zeigt und Verantwortung übernimmt, punktet. 

Eine der größten Illusionen von Berufseinsteigern ist, dass sie direkt im Maßanzug mit den Kunden am Tisch sitzen. Die Realität sieht anders aus: Am Anfang geht es oft darum, Research zu liefern oder auch mal „unsichtbare“ Aufgaben zu übernehmen. Denn entscheidend ist, dass junge Talente nicht nur fachlich glänzen, sondern zeigen, dass sie bereit sind, die Extrameile zu gehen. Das bedeutet …

  • auch mal das Protokoll zu schreiben, wenn andere schon nach Hause gehen,

  • den Kundentermin vorzubereiten, ohne dass es jemand direkt lobt,

  • sich nie zu schade zu sein, operative Aufgaben zu übernehmen – selbst wenn sie nach außen banal wirken.

Genau daran scheitern viele: Sie wollen zu schnell in die erste Reihe, statt erst mal Vertrauen zu verdienen. Doch im Private Banking zählt Geduld. Wer bereit ist, zunächst die scheinbar kleinen Aufgaben ernst zu nehmen, wird irgendwann die großen Chancen bekommen.

Soft Skills – die härteste Währung im Private Banking

In Gesprächen mit Unternehmern und Familien geht es selten um die Frage, ob die Duration des Rentenportfolios nun 5,3 oder 5,7 Jahre beträgt. Es wird erwartet und es besteht das Vertrauen, dass diese stimmen. Viel häufiger geht es darum, zuzuhören, Stimmungen aufzufangen, Vertrauen aufzubauen. Die entscheidenden Fähigkeiten sind:

  • Empathie: zuhören können, ohne sofort eine Lösung parat zu haben

  • Kommunikationsstärke: komplexe Sachverhalte klar und ruhig erklären

  • Integrität: Vertrauliches bleibt vertraulich – immer

  • Geduld: ein Vermögen wächst über Jahrzehnte, nicht in Quartalen

Ein ehemaliger Generalbevollmächtigter bei Julius Bär sagte mir einmal: „Der Kunde prüft dich nicht auf Fachwissen, sondern darauf, ob er dir vertrauen kann. Dieses Vertrauen bekommt man nicht geschenkt – man muss es sich jeden Tag neu verdienen.“

Work-Life-Balance – ein heikler Ratgeber

Die neue Generation legt Wert auf Work-Life-Balance. Und ja, auch Banken haben sich bewegt: Homeoffice, flexible Arbeitszeitmodelle, Wellbeing-Programme. Aber die Wahrheit bleibt: Kunden orientieren sich nicht an deinem Feierabend. Wer Verantwortung für Vermögen trägt, muss erreichbar sein – manchmal auch abends oder am Wochenende.

Das heißt nicht, dass man sich kaputtarbeiten muss. Aber es bedeutet: Die Work-Life-Balance ist im Private Banking keine Garantie, sondern eine Verhandlung mit sich selbst. Entscheidend ist, ob man Freude am Umgang mit Menschen hat. Dann fühlt sich die Extrameile nicht nach Belastung, sondern nach Selbstverständlichkeit an.

Zwischen Faszination und Realität

Privatbanken locken mit kleinen Teams, direktem Kundenkontakt und langfristigen Beziehungen. Anders als in der Investmentbanking-Welt geht es weniger um den „Deal of the Day“, sondern um Vermögensaufbau über Generationen. Das ist intellektuell spannend und menschlich erfüllend. Aber: Wer glaubt, Privatbank sei ein Nine-to-five-Job, täuscht sich – auch wenn er weniger extrem ist als der Alltag eines Investmentbankers in London oder New York.

Persönliche Wegbegleiter – Schule fürs Leben

Ich habe das Glück gehabt, Wegbegleiter zu finden, die mich gefördert und gefordert haben. Als junger Mensch lernt man sehr viel, wenn man es nur will – und wenn man die richtigen Menschen trifft.

Von einem Generalbevollmächtigten habe ich gelernt, wie Akquisition funktioniert, was Sales wirklich bedeutet – und vor allem Demut. Er hat mich mitgenommen zu Veranstaltungen, zu denen ich als junger Banker sonst nie Zugang gehabt hätte: von Galadinners über Entenjagden (bei denen ich als Stadtmensch herzlich ahnungslos war) bis zu Fußballlogen, Konzerten internationaler Superstars der klassischen Musik und Atelierbesuchen von Künstlern.

Das alles war zusätzlich – und trotzdem begann der nächste Tag wieder um 9 Uhr im Büro, vor Börsenbeginn.

Ein anderer Seniorberater wiederum brachte mir das Portfoliomanagement bei. Diese beiden Einflüsse – die Nähe zum Kunden auf der einen Seite und das tiefere Verständnis für Investments auf der anderen – sind für mich bis heute die Fundamente eines erfolgreichen Weges im Private Banking. Und dafür bin ich dankbar.

Zwischen den Zeilen

Privatbank ist kein Auslaufmodell. Sie ist ein Spiegelbild dessen, was Banking im Kern ist: Menschen vertrauen Menschen ihr Vermögen an. Für junge Talente heißt das: Wer bereit ist, Verantwortung zu tragen, zuzuhören und auch mal Unsichtbares zu leisten, findet hier einen Beruf mit Tiefe.

Mich persönlich hat der Einstieg als Werkstudent geprägt – dort habe ich gelernt, dass man sich nie zu schade sein darf, das Notwendige zu tun. Für eine Karriere im Private Banking braucht es Fachwissen und Feingefühl. Wenn man den Weg ernst nimmt, ist er nicht nur beruflich, sondern auch menschlich bereichernd.

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Sönke Niefünd schreibt über Kapitalmarkt, Börse, Kapitalanlage, Banken & Beratung

Insider für Kapitalmarkt, Börse und Vermögensanlage. Mit Leidenschaft für Kapitalmärkte und über 20 Jahren Erfahrung im Bankensektor und der Beratung anspruchsvoller vermögender Kunden teile ich hier fundierte Einblicke, praxisnahe Markteinschätzungen und Trends aus der Finanzwelt.

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