Deutschland ist ökonomisch erpressbar, meint EU-Korrespondent Moritz Koch.
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Pro & Contra: War es richtig, das China-Engagement im Hamburger Hafen zu genehmigen?

Deutschland muss widerstandsfähiger werden, darf sich aber nicht abschotten, sagt Moritz Koch. Die Zulassung durch Berlin ist ein schwerer Fehler, meint Dana Heide.

Das Bundeskabinett hat einen begrenzten Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco in die Betreibergesellschaft eines Container-Terminals im Hamburger Hafen erlaubt. An diesem Mittwoch stimmte das Kabinett einer sogenannten Teiluntersagung zu.

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Statt des Einstiegs mit 35 Prozent beim Containerterminal Tollerort des Hamburger Hafenlogistik-Konzerns HHLA genehmigt die Bundesregierung nun nur eine Beteiligung der Chinesen mit 24,9 Prozent. Ist es richtig, das China-Engagement im Hamburger Hafen zu genehmigen? Ein Pro und Contra.

Pro: Deutschland darf sich nicht abschotten

von Moritz Koch

Jahrzehntelang hat sich die Bundesrepublik den Luxus geleistet, geopolitisches Denken zu vernachlässigen. Nun wird der Preis fällig. Deutschland ist ökonomisch erpressbar. Was das bedeutet, lässt uns der Kreml gerade spüren. Das blinde Vertrauen in die Energiepartnerschaft mit Moskau war ein schwerer politischer Fehler. Doch es war nicht der einzige. #

Die Abhängigkeit von China, sei es für kritische Rohstoffe, komplexe Netzwerktechnologie oder schlicht Kaufkraft, stellt ein noch größeres Risiko für Sicherheit und Wohlstand dar. „Russland ist der Sturm, China der Klimawandel“ – so hat es Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang kürzlich beschrieben.

Daraus folgt, dass Deutschland widerstandsfähiger werden muss. Daraus folgt nicht, alle Verbindungen zur Volksrepublik zu hinterfragen. Die von Kanzler Olaf Scholz durchgesetzte Entscheidung, der chinesischen Staatsreederei Cosco die Übernahme eines Minderheitsanteils an einem Terminal im Hamburger Hafen zu gestatten, geht in Ordnung.

Die Debatte der vergangenen Tage hat kein zwingendes Argument gegen einen Einstieg geliefert. Es sind vor allem abstrakte Sorgen, die die Kritiker umtreiben.

Deutschland würde sich noch stärker an China binden, die 24,9-prozentige Beteiligung könnte die Tür zu weiteren Anteilsübernahmen öffnen: Das ist zwar nicht falsch, aber auch nicht überzeugend. Berlin sollte sich auf Bereiche konzentrieren, in denen konkrete Gefahren drohen. Etwa auf das 5G-Netz. Es ist unverständlich, dass das Innenministerium bisher keine systematische Entfernung von Komponenten des umstrittenen chinesischen Huawei-Konzerns angeordnet hat.

Sollte China Taiwan angreifen und die EU, siehe Russland, mit Sanktionen reagieren, kann sich niemand darauf verlassen, dass das deutsche Mobilfunknetz noch funktioniert. Dagegen ist unklar, wie Peking einen Terminalanteil zur Wirtschaftswaffe umfunktionieren könnte.

Das stichhaltigste Argument gegen Cosco ist, dass der Deal das falsche Signal in einer Zeit sendet, in der Europa seine Verletzlichkeit erkennt. Doch die Regierung könnte auch dieser Kritik mit einem klaren Kurs in der 5G-Frage begegnen, ohne den wichtigsten Hafen gegenüber Antwerpen und Rotterdam zu schwächen.

Contra: Die Entscheidung für die chinesische Beteiligung am Hamburger Hafen ist ein Fehler

von Dana Heide

Dass sich das Bundeskanzleramt über die Bedenken und eindringlichen Warnungen des Wirtschaftsministeriums, des Außenministeriums, des Justizministeriums, von Fachleuten und Sicherheitsexperten hinwegsetzt und die Beteiligung des chinesischen Staatskonzerns Cosco an dem Hamburger Hafen gegen alle Widerstände durchsetzen will, ist ein Fehler.

Es geht nicht darum, wie hoch die Beteiligung ist – ob es um 35 Prozent geht oder um 24,9 Prozent, wie es jetzt vorgesehen ist. Es geht darum, dass einem chinesischen Staatsunternehmen, das zudem noch in ein riesiges, schlagkräftiges Konglomerat von insgesamt 97 staatlichen Unternehmen eingebettet ist, für die Beteiligung an einem weiteren europäischen Hafen Rechte eingeräumt werden, die es in eine noch bessere Wettbewerbsposition bringen. Rechte, die europäische Unternehmen in China umgekehrt de facto nicht haben.

Der Deal wird die überragende Stellung des riesigen Konzerns weiter zementieren. Die Abhängigkeit von China wird unweigerlich zunehmen – ausgerechnet in einem so sensiblen Bereich wie dem Seeverkehr. Die Gefahr, die daraus entsteht, ist sehr real: Peking hat in den vergangenen Jahren mehrfach gezeigt, dass es wirtschaftliche Abhängigkeiten gezielt ausnutzt, um seine politischen Interessen durchzusetzen.

Die Befürworter der Beteiligung widersprechen sich selbst: Auf der einen Seite sagen sie, dass es doch nur um einen ganz kleinen Teil des Hafens gehe. Auf der anderen Seite warnen sie, dass es eine „Katastrophe“ nicht nur für Hamburg, sondern für ganz Deutschland wäre, wenn China sich nicht engagiert. Damit zeigen sie einmal mehr: In Teilen ist sie schon da, die Abhängigkeit von China.

Mit der Entscheidung für eine Beteiligung des chinesischen Staatskonzerns schadet die Bundesregierung zudem ihrer Glaubwürdigkeit – denn sie stellt erneut wirtschaftliche Einzelinteressen über das große Ganze. Wenn selbst sie die Abhängigkeit von China sogar noch weiter ausbaut – wie will sie der deutschen Wirtschaft glaubhaft machen, dass die sich unabhängiger von China machen soll – wie dem Rest Europas?

Pro & Contra: War es richtig, das China-Engagement im Hamburger Hafen zu genehmigen?

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