Immer mehr Menschen kündigen während der Probezeit. - Foto: Getty Images
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Probezeit: Warum Angestellte im neuen Job in den ersten Monaten kündigen

Neuer Job, neue Motivation – oder doch nicht? Die Realität sieht oft anders aus. Das führt auch zu vorzeitigen Kündigungen. Warum Führungskräfte in der Pflicht sind. Ein Artikel der WirtschaftsWoche.

Düsseldorf. Katharina Steffens hat im vergangenen Jahr ihr Masterstudium im Bereich Marketing beendet. Danach wollte die 27-Jährige, die in Wirklichkeit anders heißt, in ihrem ersten Job als Produkt Marketing Managerin durchstarten – zumindest war das ihr Plan. Geklappt hat es nicht. Stattdessen folgte die Kündigung kurz vor Ende der Probezeit.

„Ich habe schnell gemerkt, dass es nicht passt. Der Führungsstil hat mir nicht gefallen. Die Stimmung im Unternehmen war arg schlecht“, erinnert sich Steffens zurück. Sie selbst zog allerdings nicht die Reißleine. Zu groß war die Angst vor der Arbeitslosigkeit. Denn sie schrieb zwar Bewerbungen, aber ohne Erfolg. Zwei Wochen vor Ende der Probezeit beendete stattdessen ihr Arbeitgeber die Zusammenarbeit: Ihr Chef hatte gemerkt, wie unglücklich sie war.

Wieso handelte Steffens nicht selbst? „Ich hätte kein Arbeitslosengeld bekommen. Wäre das anders gewesen, hätte ich auch selbst gekündigt. Aber ich konnte nicht mittellos dastehen“, erklärt sie. Zu dem Zeitpunkt zahlte die 27-Jährige gerade einmal fünf Monate in die Arbeitslosenversicherung ein. Um nicht in direkt in die Grundsicherung zu rutschen, hätte sie mindestens zwölf Monate lang einzahlen müssen.

Mit dem Gedanken, das Unternehmen schon vor Ablauf der ersten sechs Monat wieder zu verlassen, ist Steffens nicht allein. Eine Umfrage des Softwareentwicklers Softgarden zeigt: 21 Prozent der 3811 befragten Bewerbern gaben an, schon einmal während der Probezeit gekündigt zu haben. 2018 lag die Zahl noch bei 11,6 Prozent.

Auch Rudi Bauer, CCO und Managing Director der Plattform WeAreDevelopers und Ex-Stepstone-CEO von Österreich, beobachtet dieses Phänomen immer häufiger. „Das hängt viel mit den Erwartungen und Bedürfnissen der Menschen zusammen“, sagt Bauer. „Das One-Fits-All-Prinzip greift nicht mehr.“

Führungskräfte in der Pflicht

Der Onboarding- und Einarbeitungsprozess muss in der heutigen Zeit individuell auf die Bedürfnisse der neuen Angestellten angepasst werden. Während die eine sich erstmal mit den technischen Geräten und den Programmen vertraut machen möchte, kann ein anderer das Bedürfnis haben, sich zunächst im Team zu akklimatisieren.

Steffens berichtet ebenfalls von Fehlern bei der Einarbeitung. In ihrer ersten Woche hatte ihre direkte Führungskraft Urlaub und war nicht erreichbar. Die anderen fühlten sich nicht für sie verantwortlich, erzählt sie. „Also saß ich erstmal rum und hatte keine Aufgaben. Ich nutze schließlich die Zeit, um mich selbstständig ins Produktportfolio einzuarbeiten.“

Doch auch nach dem Urlaub ihres Vorgesetzten blieb der Austausch schwierig. Ihr Chef saß die meiste Zeit im Homeoffice. Nachfragen blieben oft tagelang unbeantwortet. Termine, um sich austauschen zu können, mussten von Steffens eingefordert werden. Schließlich bekam sie nur Mails mit To-dos.

Eine Einladung auf einen Kaffee oder ein gemeinsames Mittagessen hingegen erleichtert den Start. Für HR-Experte Bauer ist der Teamzusammenhalt ein wichtiger Baustein für die langfristige Mitarbeiterbindung.

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„Im Recruiting-Prozess wird ein zu großes Geheimnis aus dem Team gemacht. Dabei ist es enorm wichtig, da man viel Lebenszeit am Arbeitsplatz verbringt“, erklärt er. Doch auch Arbeitnehmer seien in der Pflicht, sich ins Team zu integrieren. Die Essenseinladung muss dabei nicht immer von den Dienstältesten ausgehen, sondern auch der Neuling kann auf seine Kolleginnen und Kollegen zu gehen.

Falsche Versprechungen

Allerdings bringen gute Kommunikation, ein gelungenes Onboarding und ein interessantes Team nur wenig, wenn der Job plötzlich ein anderer ist als erwartet. „Ich wurde in die Rolle des Produktmanagers gesteckt, nicht in die Marketing-Stelle. Das war ganz anders im Bewerbungsgespräch abgesprochen und in diese Richtung wollte ich nicht gehen“, berichtet Steffens. Während sie mit kreativen Aufgaben gelockt wurde, ergaben sich später hauptsächlich technische Aufgaben.

„Viele Menschen merken bereits in der Probezeit, dass die im Bewerbungsgespräch besprochenen Aufgaben nicht der Realität entsprechen“, berichtet HR-Experte Bauer. Auch die Umfrage von Softgarden zeigt: 70 Prozent der Befragten haben ähnliche Erfahrungen wie Steffens gemacht; damit ist es die häufigste Ursache für Probezeitkündigungen. Als zweithäufigster Grund mit 66 Prozent wird eine unfähige Führungskraft genannt.

Aktuell steckt Deutschland in einer Krise. Die Wirtschaft kommt nach der Coronapandemie, dem russischen Angriff auf die Ukraine und stark gestiegenen Energiepreisen nicht wieder in Schwung. Viele Unternehmen fahren Sparprogramme, teilweise bauen sie sogar Stellen ab. Halten deshalb Angestellte stärker an ihren Jobs fest?

Nicht ganz. Zu diesem Ergebnis kommt die jährlich durchgeführte Forsa-Umfrage im Auftrag der Karriereplattform Xing. Zwar ist die Wechselbereitschaft der Deutschen erstmals seit 2022 leicht gesunken. Mit 36 Prozent bewegt sie sich aber weiterhin auf hohem Niveau.

Teure Angelegenheit für Unternehmen

91 Prozent der Befragten machen sich derzeit nur geringe oder keine Sorgen um ihren Arbeitsplatz – trotz Krise. Der Grund: der Fachkräftemangel. Eine unbesetzte Stelle oder eine frühe Kündigung kann für ein Unternehmen teuer werden.

„Eine Kündigung in der Probezeit kostet je nach Position und Branche zwischen 5000 und 15.000 Euro“, erklärt Bauer. „Nicht nur durchs Recruiting entstehen Kosten, sondern auch durch die Einarbeitung.“ Und es gehe nicht nur Geld verlorenen, sondern auch Produktivität.

Hinzu kommt, dass anschließend die Stelle neu besetzt werden muss. Die sogenannte Vakanzzeit, also die Zeit, die benötigt wird, um eine Stelle zu besetzen, lag 2023 bei durchschnittlich 138 Tagen. Die Karriereplattform Xing berechnete daraus die durchschnittlichen Vakanzkosten. In Deutschland lagen diese bei rund 49.500 Euro, ausgelöst beispielsweise durch den Produktionsverlust oder durch die Kosten der Stellenausschreibung.

Katharina Steffens hat die Kündigung zwar kein Geld gekostet, dafür aber Nerven. Die 27-Jährige hat heute einen neuen Job. Ob sie nochmal in der Probezeit kündigen würde? „Auf jeden Fall“, sagt sie: „Ich habe in der Zeit als ich arbeitslos war, realisiert, wie schlecht es mir in der Zeit ging – und Gesundheit kommt immer an erster Stelle.“

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