In Zeiten von Umbruch, Unmut und Ungewissheit die Positivität stärken – bei Dir und anderen - © positiv-fuehren.com

Produktiver führen mit dem Positivitätsportfolio

Der lange ausverhandelte Vertrag mit der Kundin – gefloppt. Der lange umsäuselte Kandidat für Dein Team – abgesagt. Die mühsam erarbeitete Präsentation für Deine Vorgesetzte – unbemerkt und ignoriert.

Ärger, Neid, Einsamkeit, das kennst Du wahrscheinlich. Diese und andere unangenehme Emotionen fühlen sich nicht bloß störend an. Sie haben auch eine andere Wirkung auf Dein Denken, Handeln und Fühlen als Freude, Interesse, Heiterkeit, sogenannte positive Emotionen: „Während negative Emotionen den Blickwinkel der Betroffenen im Hinblick auf mögliche Handlungsalternativen einschränken, leisten positive Emotionen genau das Gegenteil. Sie erweitern (broaden) unseren Horizont und unser Bewusstsein und ermöglichen uns einen größeren Denk- und Handlungsspielraum als sonst.“ (Fredrickson 2011, S. 35).

Das ist der Kern des „Broaden and Build“-Theorems von Barbara Fredrickson, wonach positive Emotionen dauerhafte

  • physische

  • soziale

  • geistige

  • und psychologische Ressourcen

aufbauen helfen, damit Du den nächsten Ärger über einen Lieferengpass, eine unzufriedene Kundin, einen dauerkranken Mitarbeiter besser bewältigen kannst. (ibid, S.270-72).

Daher ist das Thema „Positive Emotionen“ auch eine Säule im PERMA-Lead-Modell positiver Führung von Dr. Markus Ebner (Ebner 2024). Und dafür stelle ich Dir jetzt eine meiner Lieblingsinterventionen vor – das Positivity Portfolio.

Worum geht es beim Positivity Portfolio?

Ein Positivitätsportfolio oder Positivity Portfolio ist eine persönlich gestaltete Sammlung von Gegenständen, Erinnerungen oder Aktivitäten, die positive Emotionen in Dir hervorrufen. Es kann aus Fotos, Zitaten, Musikstücken oder sogar Düften bestehen – alles, was Dir helfen kann, positive Stimuli hervorzurufen – ein Lächeln, einen Moment der Freude, eine Erfahrung von Stolz oder Inspiration oder Verbundenheit –, damit Du gezielt Deine Stimmung und Resilienz verbessern kannst.

Fredricksons Forschung postuliert Freude, Dankbarkeit, Heiterkeit, Interesse, Hoffnung, Stolz, Vergnügen, Inspiration, Ehrfurcht und – last, but not least – Liebe als die zehn wichtigsten positiven Emotionen. Welche davon fallen Dir leicht, welche weniger leicht, welche erlebst Du häufiger, welche weniger häufig – all dem kannst Du über das Positivity Portfolio nachgehen.

Eine positive Powerbank – für Dich, Dein Team, die Organisation

Als Führungskraft stehst Du wahrscheinlich wöchentlich, täglich, stündlich vor Herausforderungen, die Stress, Ärger und andere negative Emotionen hervorrufen können, oder? Diese negativen Emotionen sind auch auf keinen Fall verkehrt oder müssen weg. Im Lauf der Evolution haben sie uns für Gefahren und Bedrohungen sensibilisiert. Aber in Zeiten, da nicht mehr unsere physische Existenz permanent von giftigen Pflanzen, gefährlichen Tieren oder räuberischen Feinden gefährdet ist, kann zu viel Negativität die Handlungs- und Wahrnehmungsräume gefährlich einengen. Gerade in Zeiten von Umbruch, Unmut, Ungewissheit.

Das Positivitätsportfolio kann Dir als Ankerpunkt dienen, der Dich in schwierigen Momenten zurückholt in positivere emotionale Zustände – wie eine Art Powerbank. Und Studien legen nahe: Positive Emotionen am Arbeitsplatz sind nicht bloß für Dein eigenes Wohlbefinden wichtig, sondern beeinflussen auch die Motivation und Zufriedenheit Deines Teams (Diener, Thapa & Tay, 2020). Die in der Meta-Analyse von Diener et al. untersuchten Studien zeigen, dass positive Emotionen zu höherer Arbeitszufriedenheit, besserer Gesundheit und stärkerem Engagement führen können.

Führungskräfte, die positive Emotionen kultivieren, sind offenbar kreativer und treffen bessere Entscheidungen (Isen, 2008). Zudem fördert ein positiver Führungsstil das Vertrauen und die Zusammenarbeit im Team (Cameron, 2012). Die Appreciative Inquiry Methode von Cooperrider und Whitney (2005) zeigt außerdem, wie wichtig es ist, sich auf Stärken und Erfolge zu konzentrieren, um Veränderungen und Wachstum in Organisationen zu fördern.

Das Positivity Portfolio kann hier ein individuell hilfreiches Tool sein.

  • Nimm Dir Zeit, um Elemente zu sammeln, die bei Dir positive Gefühle auslösen. Das können Fotos von schönen Momenten, inspirierende Zitate oder Erinnerungsstücke sein.

  • Platziere Dein Portfolio an einem Ort, den Du regelmäßig siehst, oder nutze digitale Tools, um es jederzeit griffbereit zu haben. Ein Fotoalbum auf Deinem Smartphone bietet sich da an.

  • Nimm Dir bewusst Zeit, Dein Portfolio anzuschauen, besonders in stressigen Situationen. Lass die positiven Emotionen auf Dich wirken.

  • Halte das Portfolio lebendig. Überprüfe regelmäßig, ob Dein Portfolio noch aktuell ist, und füge neue Elemente hinzu, die Dir wichtig sind.

Hier findest Du eine Form des Positivitätsportfolios, wie ich es in Seminaren gern verwende. Fredrickson schlägt sogar für jede der zehn genannten Emotionen ein eigenes Portfolio vor – zum Thema Interesse etwa regt sie folgende Fragen an: „Wann waren Sie vollkommen lebendig und neugierig, zutiefst interessiert an den Geheimnissen oder Möglichkeiten, die sich Ihnen darboten? Wann fühlten Sie sich gleichzeitig sicher und fasziniert von etwas Neuem und Unbekannten? Wann fühlten Sie sich zutiefst offen und lebendig, als ob Ihr innerer Horizont sich vor Ihren Augen entfaltete? Wann verspürten Sie den intensiven Drang, etwas zu erforschen und mehr darüber zu lernen, vollkommen in Ihre neuen Entdeckungen abzutauchen und aus Ihren Gedanken ein Fest zu machen?“ (Fredrickson 2011, S. 261)

Was das Positive Portfolio nicht kann

Den Zwist im Aufsichtsrat heilen; ungerechte Einstellungs- und Beförderungspraktiken verhindern; toxische Arbeitsbedingungen aufbrechen.

Wir positiven Psychologen müssen manchmal aufpassen, dass wir nicht strukturelle, systemische Probleme mit individuellen Pflasterchen heilen wollen. Aber: Interventionen wie das Positivitätsportfolio können Dir die Kraft und Zuversicht stärken helfen, wenn Du an diesen großen Schrauben drehen willst!

Es ist ein einfaches, aber effektives Instrument, um mehr positive Emotionen in Dein Leben und Deinen Führungsalltag zu integrieren. Indem Du Dich in oft negativen Zeiten stärker auf das Positive fokussierst, stärkst Du nicht nur Dich selbst, sondern schaffst auch ein inspirierendes Umfeld für Dein Team.

Probier es aus und schreib mir von Deinen Erfahrungen!

PS: Du machst, Ihr macht, Sie machen das gut!

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Literatur

Cameron, K. S. (2012). Positive Leadership: Strategies for Extraordinary Performance. San Francisco, CA: Berrett-Koehler Publishers.

Diener, E., Thapa, S., & Tay, L. (2020). Positive Emotions at Work. Annual Review of Organizational Psychology and Organizational Behavior, 7, 451–477.

Ebner, M. (2024). Positive Leadership: Mit PERMA-Lead erfolgreich führen. Mit einem Vorwort von Kim Cameron. Wien, Facultas.

Fredrickson, B. L. (2001). The role of positive emotions in positive psychology: The broaden-and-build theory of positive emotions. American Psychologist, 56(3), 218-226.

Fredrickson, B. L. (2009). Die Macht der guten Gefühle: Wie eine positive Haltung Ihr Leben dauerhaft verändert. Frankfurt, Campus Verlag.

Isen, A. M. (2008). Positive Affect and Decision Processes: Some Recent Theoretical Developments with Practical Implications. In M. Lewis, J. M. Haviland-Jones, & L. F. Barrett (Eds.), Handbook of Emotions (pp. 548–573). New York, NY: The Guilford Press.

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Wie Du für Dich und andere positive Emotionen verstärken und vermehren und Negativität lindern kannst – dazu gibt es viele Impulse in meinem nächsten Positive-Leadership-Workshop nahe München Ende November. Infos und Anmeldung unter

positiv-fuehren.com/termine

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Christian Thiele schreibt über Positive Leadership, Positive Psychologie, Führung, Wirtschaft & Management

Christian Thiele, 48, ist Vortragsredner, Coach, Teamentwickler und Trainer für Positive Leadership. Sein Podcast „Positiv Führen“ ist auf 🎧 positiv-fuehren.com/podcast zu hören, sein Buch "Positiv Führen" ist bei Wiley erschienen. (Ski-)Bergsteiger, (meist) zuversichtlicher Patchworkvater. 

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