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Rechtsschutzversicherung für den Fall einer Kündigung – ja oder nein?

Fast 180.000 Kündigungsschutzklagen gibt es in Deutschland pro Jahr mit einer Erfolgsquote von 92 Prozent. Es kann sich für Dich als Arbeitnehmer·in daher im wahrsten Sinne des Wortes lohnen, über den Abschluss einer Rechtsschutzversicherung nachzudenken.

Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, genießen Arbeitnehmer·innen in Deutschland einen hohen Kündigungsschutz. Trotzdem kommt es immer wieder zu arbeitgeberseitigen Kündigungen oder sogar drastischeren Fällen wie einer fristlosen Kündigung, weil das Arbeitsverhältnis für eine der beiden Seiten untragbar geworden ist. Aber auch, wenn Du einen Aufhebungsvertrag annimmst oder selbst kündigst, lassen sich rechtliche Auseinandersetzungen nicht mit Sicherheit verhindern. Wichtig ist dann einerseits, dass Du schnell reagierst, denn in vielen Fällen – wie bei einer Kündigungsschutzklage – gelten strenge Fristen, um rechtliche Schritte einleiten zu können. Andererseits gilt es, die Frage nach der finanziellen Absicherung frühzeitig zu stellen, damit Du nach einer Kündigung nicht auf hohen Anwalts- oder Gerichtskosten sitzen bleibst.

Wann zahlt die Rechtsschutzversicherung überhaupt?

Rechtliche Auseinandersetzungen können teuer werden. Schnell liegen die Anwalts- und Gerichtskosten dafür im vier- oder sogar fünfstelligen Bereich. Solltest Du den Prozess verlieren oder es kommt zu einem Vergleich, werden diese Kosten nicht von Deinem Gegenüber getragen. Und auch diesbezüglich sprechen die Zahlen für sich: Im Jahr 2019 wurden 206.648 Vergleiche geschlossen, sprich es gab mehr Vergleiche als Kündigungsschutzklagen (Quelle: DATEV). Auch gab es zahlreiche Fälle, in denen die Kläger·innen ihre Klage zurücknahmen oder die Betroffenen überhaupt keine rechtlichen Schritte unternommen haben; vielleicht aus Angst vor den hohen Kosten.

In der Theorie lohnt sich eine Rechtsschutzversicherung also für alle Arbeitnehmer·innen, um bei Kündigungen oder anderen Konflikten mit der Arbeitgeberseite rechtlich reagieren zu können, ohne finanzielle Nachteile zu riskieren. Doch nicht jede Rechtsschutzversicherung zahlt in jedem Fall, was die Thematik kompliziert machen kann und viele Erwerbstätige davor zurückschrecken lässt, sich überhaupt damit auseinanderzusetzen. Du solltest daher wissen: Eine Rechtsschutzversicherung zahlt, wenn 

  • sie explizit eine Deckung für Arbeitsrecht enthält,

  • die anfängliche Wartezeit verstrichen ist,

  • die Kündigung erst nach Vertragsbeginn einging und

  • die Klage gute Erfolgsaussichten hat.

Daraus ergibt sich im Umkehrschluss: Es kann durchaus passieren, dass Deine Rechtsschutzversicherung nicht zahlt, weil sie beispielsweise nur für private Belange gilt oder die Chancen auf Erfolg gering einschätzt. Wie also verhältst Du Dich richtig? 

Wann sich der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung lohnt

Ob Du Deine Rechtsschutzversicherung eines Tages brauchen wirst oder nicht, kann niemand mit Sicherheit sagen. Dies gilt nicht nur für den Bereich Arbeitsrecht, sondern auch für private, gewerbliche oder andere Rechtsschutzversicherungen. Du musst daher selbst die Kosten gegen das Risiko abwägen. Für den Baustein Arbeitsrecht musst Du bei einer Rechtschutzversicherung meist mit einem kleinen zweistelligen Betrag pro Monat und damit einem dreistelligen Betrag pro Jahr rechnen. Diese Kosten werden Dir nicht erstattet, falls Du Deine Rechtsschutzversicherung niemals in Anspruch nimmst. Über ein Berufsleben hinweg zahlst Du so eventuell vier- bis fünfstellige Versicherungskosten ohne tatsächlichen Nutzen. Kommt es aber zu einem Konflikt, der Anwälte oder sogar einen Gerichtsprozess erfordert, so sparst Du Dir durch eine Rechtsschutzversicherung ebenfalls vier- bis fünfstellige Beträge.

Ist die Rechtsschutzversicherung bei Kündigungen also ein Nullsummenspiel? Jein! In finanzieller Hinsicht macht sie mit großer Wahrscheinlichkeit kaum einen Unterschied, wenn Du in Deinem Berufsleben nur ein- oder zweimal einen rechtlichen Konflikt erlebst. Benötigst Du jedoch häufiger anwaltlichen Rat oder Du reichst (mehrmals) eine Kündigungsschutzklage ein, so kann Dir die Versicherung finanzielle Risiken nehmen. Bei Deinen Überlegungen sind daher nicht nur finanzielle, sondern auch psychologische Aspekte relevant: Mit einer Rechtsschutzversicherung fühlst Du Dich besser abgesichert, was Deine Verhandlungsposition stärkt. Du wirst Dich also eher gegen das scheinbar „übermächtige“ Unternehmen wehren und so vielleicht noch eine Abfindung erhalten oder andere finanzielle Vorteile genießen, die Du aber aktiv einklagen musst. Zudem kannst Du weitere anwaltliche Leistungen in Anspruch nehmen, wie eine Beratung zu Deinem Arbeitsvertrag, bevor Du ihn unterschreibst, um dadurch finanzielle Nachteile oder andere Risiken zu minimieren – und dadurch vielleicht sogar zukünftige Klagen präventiv zu verhindern.

Merke Dir also: Eine Rechtsschutzversicherung mit dem Baustein Arbeitsrecht lohnt sich für Dich, wenn Du Dich finanziell und rechtlich gut absichern möchtest. Sinnvoll ist sie auch, wenn Du noch nicht viel Erspartes hast und Dir einen Anwalt auf eigene Kosten nicht leisten könntest – um Dich dennoch rechtlich gegen Ungerechtigkeiten wehren zu können. Und auch, wenn eine Klage absehbar ist, weil Du beispielsweise bald eine Kündigung befürchtest, kann der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung noch sinnvoll sein. Da es aufgrund der Wartezeit nicht möglich ist, eine Rechtsschutzversicherung kurzfristig oder sogar nachträglich abzuschließen, ist vorsorgliches Handeln durchaus sinnvoll – vor allem für Menschen mit großem Sicherheitsbedürfnis!

Und wann kannst Du guten Gewissens auf die Rechtsschutzversicherung verzichten? 

Die Rechtsschutzversicherung mit dem Baustein Arbeitsrecht gehört nicht ohne Grund zu jenen Policen, auf die viele Menschen gerne verzichten, um Geld zu sparen. Denn rechtliche Auseinandersetzungen sind im Berufsleben zwar möglich, aber eher die Ausnahme als die Regel. Die meisten Menschen müssen niemals eine Kündigungsschutzklage einreichen – oder nur einmal im Leben. Ob die finanziellen Vorteile durch die Versicherung dann tatsächlich überwiegen, ist fraglich. Dies sollte aber nicht dazu führen, dass Du Dich im Fall der Fälle nicht gerichtlich wehrst. Denn so würdest Du Dir vielleicht eine hohe Abfindung entgehen lassen. Auf eine Rechtsschutzversicherung zu verzichten, sollte daher nur eine Option sein, wenn Du genügend Geld auf der Seite und den Mut hast, um im Zweifelsfall auf eigene Kosten einen Anwalt einzuschalten. Auch dann gilt: Sinnvoll ist dies nur bei guten Erfolgschancen und diese werden von der Rechtsschutzversicherung ebenfalls überprüft – wie Du nun bereits weißt.

Wenn also Deine Erfolgschancen ohnehin gut sind, müsste die Arbeitgeberseite die Anwalts- und Gerichtskosten tragen, wenn sie den Prozess verliert. Stehen die Chancen hingegen nicht gut, zahlt auch eine Rechtsschutzversicherung nicht. Sofern Du also das Risiko (mit anwaltlichem Rat) realistisch abschätzen kannst, ist es sogar ohne Versicherung im Fall einer Kündigungsschutzklage überschaubar.

Guten Gewissens kannst Du auch auf die Rechtsschutzversicherung verzichten, wenn Du in einem kleinen Betrieb arbeitest, für den das Kündigungsschutzgesetz nicht greift, oder bei einem Beamtenstatus. Prüfe zudem, ob Deine Gewerkschaft einen kostenlosen Rechtsschutz bietet, falls Du Gewerkschaftsmitglied bist – dann musst Du nicht zusätzlich eine Versicherung auf eigene Rechnung abschließen. Du siehst: Ein „Richtig“ oder „Falsch“ gibt es bei der Frage nicht, ob Du eine Rechtsschutzversicherung für den Kündigungsfall benötigst. Analysiere deshalb Deine individuelle Situation und spiele das „Worst-Case-Szenario“ für Dich durch – dann kannst Du im Einzelfall entscheiden, ob Du Dich mit oder ohne Rechtsschutzversicherung wohler fühlst. 

Hast Du schon einmal gegen eine Kündigung geklagt oder aus anderen Gründen eine Rechtschutzversicherung im Berufsleben in Anspruch genommen? Welchen weiteren Tipps hast Du zum Thema? Vielen Dank für Deinen Kommentar!

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