Rennserie nur für Frauen ist das falsche Signal
Oft werde ich in Interviews gefragt, was ich von Frauenförderung halte. Finde ich grundsätzlich super. Förderung ist immer gut, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass immer gerade gefördert wird, was in den aktuellen Mainstream passt. Bezogen auf den Rennsport nimmt das Thema vielleicht auch deshalb gerade Fahrt auf. Was grundsätzlich gut ist. Wenn am Ende das Richtige daraus gemacht wird.
In Unternehmen werden Quoten eingeführt, im Formel-Sport startet jetzt am Wochenende erstmalig die W-Serie. Diese Rennserie nur für Frauen ist meiner Meinung aber das falsche Signal. Das ist ein bisschen so wie früher im Sportunterricht, wenn die Mädchen Vorsprung beim Sprint bekommen haben oder der Lehrer mit der schwachen Hand Tischtennis gegen sie gespielt hat. Hängen blieb im Kopf „ich bin schwächer als die Jungen, ohne Hilfe schaffe ich es nicht“. Schrecklich!
Gleichberechtigung bedeutet doch, dass eben alle gleichwertig behandelt werden und man Frauen zutraut, mindestens genauso schnell, wenn nicht sogar schneller als die Männer zu fahren. Klar ist es dann auch frustrierend, wenn man verliert oder Misserfolge hat. Aber das gehört dazu! Im Sport und wie im Leben. Nur so kann man lernen und besser werden, an sich arbeiten und erkennen, woran es gelegen hat.
Mein persönliches Ziel ist es, gegen die Besten zu bestehen. Wenn der Beste ein Mann ist, okay. Wenn es eine Frau ist, auch okay. Ich habe mich genau deshalb für den Rennsport entschieden. Weil hier im direkten Wettkampf auf der Strecke bislang keine Geschlechterunterschiede gemacht wurden. In der Formel 3, wo ich fahre, trete ich gegen Männer an. Und das ist auch gut so!
Jetzt eine eigene Frauenserie zu etablieren, bestärkt die gängigen Klischees! Ich will zeigen, dass ich auch als Frau gegen Männer kämpfen kann. Das ist nötig, um mehr Mädchen in diesen Sport zu holen. Die W-Series bringt nur Verwirrung.
Investieren statt separieren
Wo tatsächlich Handlungsbedarf besteht: Für weibliche Rennsporttalente müssen dieselben Voraussetzungen wie für die männlichen Fahrer geschaffen werden. Das verstehe ich unter Chancengleichheit. Die findet im Motorsport in der Talentförderung viel zu wenig bis gar nicht statt. Viel besser, als in eine extra Serie gesteckt zu werden, wäre es für uns Motorsportlerinnen, in anderer Hinsicht unterstützt zu werden: Ein Rennsporttalent entwickelt seine Fähigkeiten im Verhältnis zu gefahrenen Kilometern auf unterschiedlichen Belägen und auf variierenden Strecken. Es braucht spezielle Trainings – im Simulator, aber auch im Mentalbereich und im Fitnessstudio. Das alles ist ausschlaggebend für sichtbare Fortschritte. Hinzu kommt die Qualität des Materials. In kaum einem anderen Sport hängt die Leistung so eng mit der Qualität des Materials zusammen! Es macht beispielsweise einen Riesenunterschied, ob ich auf neuen oder bereits gefahrenen Reifen teste. All das kostet viel Geld.
Damit sich nicht nur Wohlhabende diesen Sport leisten können und in der Praxis wirklich die Besten bis an die Spitze gefördert werden, wäre es toll, wenn Sponsoren und die Verantwortlichen im Motorsport diesbezüglich umdenken, Chancengleichheit fördern und an uns Frauen glauben!
Es ist ja klar, dass es Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. Zum Glück. Ich muss beispielweise härter an meinem Körper arbeiten als meine männlichen Kollegen, um Muskeln aufzubauen. Das macht mir Spaß, es fordert mich heraus. Nur so bleibe ich ehrgeizig. Dafür fahre ich vielleicht generell etwas durchdachter und versuche Harakiri-Manöver zu vermeiden, wie es die Jungs gerne machen.
Veränderung dauert – dafür braucht es Vorbiler!
Natürlich ist mir klar, dass es einige Zeit braucht, bis sich Gleichbehandlung in allen Bereichen durchsetzt. Das muss in den Köpfen der Menschen passieren. Schritt für Schritt. Aber dafür braucht es Vorbilder. Außergewöhnliche Menschen, die ihren Weg gehen. Vor 25 Jahren war es fast unvorstellbar, dass mal eine Frau Deutschland regieren wird.
Heute wundert sich darüber niemand mehr. Die Leute haben sich an den Gedanken gewöhnt und ihn akzeptiert. Frau Merkel hatte keinen extra Frauenbonus oder bekam ein paar Stimmen geschenkt, nur weil sie weiblich ist. Vermutlich wäre sie zutiefst beleidigt gewesen. Ihre Voraussetzungen, die Wahl zu gewinnen, waren nicht schlechter, als die ihres Konkurrenten. Und sie war am Ende in den Augen der Wähler einfach besser.
Aus meiner Sicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis es wieder eine Formel-1-Fahrerin geben wird. Und irgendwann wird hoffentlich auch eine Siegerin auf dem Podest stehen. Wer Frauen wirklich unterstützen will, der sollte seine Netzwerke für sie öffnen. Ihre Stärken fördern – auch mit finanziellen Mitteln – und nicht versuchen, Schwächen zu kaschieren und damit in Wirklichkeit die Frauen zu separieren. Ihr wollt uns Frauen fördern? Ist ganz einfach: Nehmt uns ernst und investiert in uns!