Bei Tigra gehört die regelmäßige Überholung der eingesetzten Handhabungsmodule zur bewährten Instandhaltungsstrategie. - Tigra

Reparieren statt resignieren: Wie Unternehmen die Dinge selbst in die Hand nehmen

Der französische Ökonom und Philosoph Serge Latouche rechnet in seinem Buch „Es reicht!“ nicht nur mit dem Wachstumswahn ab, sondern zeigt auch viele zusammenhängende, sich gegenseitig verstärkende Schritte zum Aufbau einer autonomen Degrowth-Gesellschaft, die sich der nachhaltigen Verwendung von Dingen zuwendet. Damit sie auf natürliche Weise gedeihen kann, braucht es nicht nur Achtsamkeit und Bewusstheit, sondern auch Fähigkeiten, die im Laufe der Zeit immer mehr verlorengegangen sind. Mehr denn je benötigen wir heute eine Könnensgesellschaft, die sich auszeichnet durch bewusste Lebensführung, selbstbestimmtes Handeln, eine Neudefinition von Arbeit und Handwerk, die Qualität und Haltbarkeit der Produkte sowie die Förderung der eigenen Urteilsfähigkeit (u. a. durch Reparieren). Beim Reparieren werden Dinge selbst in die Hand genommen. Dies hat auch mit Ermächtigung zu tun, denn wer etwas reparieren möchte, muss zuvor verstanden haben und ein Könner sein. Dabei ist der Vorgang des Reparierens genauso wichtig wie die Materialien, Werkzeuge und Handgriffe. Sie trägt dazu bei, dass sich Menschen wieder mehr zutrauen, selbst aktiv werden und Verantwortung übernehmen. Zudem wird damit der gesteigerten Geschwindigkeit von Produktzyklen entgegengewirkt. Die Kultur der Reparatur basiert auf Kenntnissen, auf Können, auf analytischem Denken, auf Wertschätzung und Achtsamkeit. Wie wir uns gegenüber materiellen Dingen verhalten, sagt auch etwas über uns als Menschen aus. In früheren Zeiten war es normal, defekte Gegenstände zu reparieren. Sie wegzuwerfen hat sich erst in den letzten Jahrzehnten etabliert.

Gemeint ist damit „echte“ Kreislaufwirtschaft unter Einbezug des Produktdesigns, der Produktentwicklung und der Sekundärrohstoffmärkte. In der betrieblichen Praxis finden sich inzwischen viele positive Beispiele, die zeigen, dass durch die Relokalisierung der Wirtschaft die Ausbeutung von Mensch und Natur erheblich vermindert wird, dass Ressourcen und Transporte gespart sowie Transparenz und Jobs geschaffen werden. Zudem werden der lokale Geist von Gemeinschaften sowie die eigene Identität gestärkt, denn wer repariert, setzt Dinge wieder in Gang in einer reparaturbedürftigen Welt, die durch handwerkliche Intelligenz wieder begreifbar wird. „Für hochwertige Maschinenkomponenten kann sich die Reparatur und Generalüberholung durch den Hersteller lohnen“, heißt es in der aktuellen Pressemitteilung der Mader GmbH & Co. KG. Das ist meistens nicht nur kostengünstiger, sondern senkt auch den Ressourcenverbrauch.

Ein Beispiel dafür sind die Handhabungsmodule des Unternehmens, die oft nach jahrelangem Einsatz beim Kunden wieder beim süddeutschen Druckluft- und Pneumatikspezialisten professionell für den weiteren Einsatz überholt werden. Seit der Gründung 1935 durch Max Mader steht der Energieträger Druckluft im Fokus des Unternehmens mit Sitz in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart. Dabei wird auf innovative Lösungen gesetzt, die wirtschaftlich und prozesssicher sowie hochgradig energieeffizient sind. Als Anbieter energieeffizienter Leistungen ist das Unternehmen seit 2016 Teil der Exportinitiative Energie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Seit 2012 setzt sich Mader aktiv für mehr Energieeffizienz und Nachhaltigkeit in Unternehmen ein: Mader hat sich 2015 der WIN!Charta, einer Initiative des Landes Baden-Württemberg, angeschlossen und veröffentlicht regelmäßig den WIN!-Charta-Bericht. Darüber hinaus publiziert das Unternehmen auf freiwilliger Basis seit dem Berichtsjahr 2013 alle zwei Jahre einen Nachhaltigkeitsbericht. Seit 2014 ist Mader Mitglied der Klimaschutz- und Energie-Effizienzgruppe der Deutschen Wirtschaft (Klimaschutz-Unternehmen e.V.) und seit 2018 als Vorreiter betrieblicher Ressourceneffizienz Teil des Industrie-Clubs Ressourceneffizienz.

Er arbeitet hier als Experte für die Handhabungstechnik des Unternehmens und kann auf eine über 20 Jahre lange Erfahrung im Bereich Automatisierung zurückblicken kann. Lang verweist auf Handhabungsmodule, die seit den 1990er Jahren bei Kunden im Einsatz sind und heute erstmals zur Generalüberholung hier eintreffen. Eine für den Anwendungsfall richtig ausgelegte Handhabungseinheit von uns „kann über Jahrzehnte im Einsatz sein.“ Es sind vor allem Verschleißteile wie die verschiedenen Dichtungselemente, die im Laufe der Zeit ausgetauscht werden. „Eine Antriebswelle in unseren Handhabungsmodulen geht nur im Kollisionsfall oder durch Überlastung kaputt“, ist sich der Produktmanager sicher. Er führt das auf die Verwendung hochwertiger Materialien und den hochpräzisen Fertigungsprozess zurück.

„Wir haben gute Erfahrung mit dieser Instandhaltungsstrategie gemacht. Die Überholung kostet weniger als ein vollständiger Austausch und ressourcenschonend ist es zudem“, bestätigt Waldemar Lebek, verantwortlich für Disposition, Instandhaltung und Lagerwirtschaft bei einem global agierenden Industrie- und Automobilzulieferer in Lahr. „So verfahren wir mit den Rundschalteinheiten des baden-württembergischen Druckluftherstellers, die wir einsetzen, aber auch bei allen anderen Herstellern, bei denen wir Wartungen und Reparaturen durchführen lassen“, sagt sein Kollege Walther Huber. Bei einer vollständigen Überholung der Handhabungsmodule von Mader wird die Einheit komplett demontiert, die mechanischen Teile überprüft, Verschleißteile wie Dichtungselemente ausgetauscht und nach der Remontage ein Probelauf durchgeführt sowie, falls notwendig, der Lagersitz nachjustiert. „Damit ist die Einheit fast wie neu und kann viele weitere Jahre ihren Dienst tun“, so Thomas Lang. Das bestätigt auch Tobias Rau, stellvertretender Leiter Maschinenbau bei Tigra, einem Hersteller von Hartmetallschneidplatten: „Unsere Beweggründe, regelmäßig Schwenk- und Lineareinheiten von Mader überholen zu lassen, sind sicherlich die Kostenersparnis, die Nachhaltigkeit sowie die hohe Qualität der eingesetzten Einheiten. Die überholten Pneumatikeinheiten haben die gleiche Standzeit und Wiederholgenauigkeit wie eine neue Einheit und werden bei uns als neu angesehen.“

Tigra setzt die Einheiten in hochmodernen vollautomatischen Schleifmaschinen für die Herstellung von Wendeplatten aus Hartmetall ein. Dort kommt es einerseits auf eine hohe Wiederholgenauigkeit an, andererseits müssen die Einheiten Kühlemulsion und abrasiven Stoffen trotzen. Weitere Einsatzfelder sind Handlingsysteme und Verpackungsmaschinen. „Je nach Umfeld sind die Einheiten zwischen vier und 20 Jahre im Einsatz“, bemerkt Tobias Rau. „Bei anderen Herstellern steht leider der Verkauf deutlicher im Vordergrund. Ein Einschicken der defekten oder verschlissenen Schwenkeinheiten zum Hersteller endet meist mit der Aussage ‚unwirtschaftlich‘ oder ‚Totalschaden‘. Meist wurde bereits bei der technischen Konstruktion der Einheiten eine Reparatur nicht vorgesehen“, so Rau.

Ich danke Ulrike Böhm für die Unternehmensinformationen und das kostenlos zur Verfügung gestellte Bildmaterial.

  • Recht auf Reparatur statt Kaufen für die Müllhalde

  • Andrea Baier, Tom Hansing, Christa Müller, Karin Werner (Hg.): Die Welt reparieren. Open Source und Selbermachen als postkapitalistische Praxis. Transcript Verlag, Bielefeld 2016.

  • Matthew Crawford: Die Wiedergewinnung des Wirklichen – Eine Philosophie des Ichs im zeitalter der Zerstreuung. Ullstein Verlag, Berlin 2016.

  • Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.

  • Serge Latouche: Es reicht! Abrechnung mit dem Wachstumswahn. Aus dem Französischen übersetzt von Barbara Reitz und Thomas Wollermann. Oekom Verlag München 2015.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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