Resilenz für Führungskräfte: Einmal volltanken, bitte
Wir sind im Dauerkrisenmodus. Und doch gibt es Menschen, die Herausforderungen spielend meistern und gestärkt aus Tiefs herausgehen. Was sie eint: Sie haben Strategien entwickelt, um Kraft zu schöpfen und sich so ein Polster für Krisenzeiten zuzulegen.
Am Ende wird alles gut. So sagt man doch, oder? Vielen Menschen, vor allem in verantwortungsvollen Positionen, fällt es zunehmend schwer, diesen Zweckoptimismus aufzubringen. Angesichts immer neuer Krisen wachsen auch die persönlichen Sorgen, wie beispielhaft eine Befragung der Mittelstandsberatung Kloepfel zeigt. Von den befragten 186 Fach- und Führungskräften fürchten 93 Prozent geopolitische Risiken und 91 Prozent Arbeitskräftemangel.
Weit über 80 Prozent sorgen sich um Engpässe und steigende Preise bei Strom und Gas, um gestörte Lieferketten, teure und knappe Rohstoffe. „Ich habe zwar schon die eine oder andere Krise hinter mir, aber das hier ist eine neue Dimension“, beschreibt Petra von Strombeck, Vorstandsvorsitzende der Xing-Mutter New Work SE, ihre Sorgen.
Mehr als ein Viertel der Deutschen ist häufig gestresst. Die Techniker Krankenkasse (TK) hat in ihrem Stressreport 2021 die Hauptursachen ermittelt: Ganz oben steht der Job. Zu viel Arbeit, Termindruck und häufige Unterbrechungen – all das führt dazu, dass sich Menschen ausgelaugt und gestresst fühlen.
Die Studie zeigt einen Zusammenhang zur Arbeitszeit: Je mehr die Menschen pro Woche arbeiten, desto höher ist ihr Stresslevel. Wer mehr als 40 Stunden pro Woche arbeitet, fühlt sich besonders häufig gestresst. Und doch gibt es sie, die Vorstände und Unternehmer, die trotz zahlreicher Überstunden nachts noch ruhig schlafen können und deren Tank nicht leerläuft. Was sie eint: Sie haben Strategien entwickelt, die nicht nur kurzfristig helfen, auf voller Power zu laufen, sondern langfristig gut fürs Seelenheil sind.
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Ein Geheimnis liegt offenbar in der eigenen Einstellung: Von denjenigen, die Arbeit als Spaß und wichtigen Teil des Lebens erleben, berichtete in der TK-Studie etwas weniger als ein Drittel, dass sie häufig gestresst sind. Auch New-Work-Chefin von Strombeck versucht, die Belastung mit Spaß zu kontern: „Als CEO bin ich sozusagen Berufsoptimistin und Chefmotivatorin, und ich glaube, dass man diesen Job ohne eine positive Grundeinstellung nicht auf Dauer erfolgreich machen kann.“ Während die einen joggen gehen oder meditieren, um die Stimmung zu heben, tut es bei von Strombeck an manchen Tagen auch schon ihre „quietschbunte Gute-Laune-Jacke“. Die trägt sie gelegentlich auch in Meetings, um bei den Kollegen Optimismus zu verbreiten.
Beruflicher Stress: Hobbys als Ausgleich
Ein besonders erfolgreiches Mittel dagegen, dass berufliche Sorgen den Alltag zu sehr überdecken, sind Hobbys. Gerade Spitzenmanager scheinen dabei mit der Komplexität ihrer Aufgaben auch einen Hang zur Extravaganz zu entwickeln: Telekom-Chef Tim Höttges ist drei Wochen lang über den Atlantik gesegelt. David Solomon, CEO der US-Investmentbank Goldman Sachs, legt vier bis sechs Mal pro Jahr als Elektro-DJ auf und hat sogar eine eigene Plattenfirma gegründet. Als DJ D-SOL begeisterte er das Publikum etwa bei einem Konzert der Band The Chainsmokers und beim Lollapalooza-Festival in Chicago. Apple-Mitgründer Steve Wozniak spielt Segway Polo – eine Sportart, die er weltweit bekannt gemacht hat. Statt auf Pferden treten die Spieler auf Segways gegeneinander an. Wozniak hat den Sport so stark geprägt, dass die Weltmeisterschaft „WOZ Cup“ seinen Namen trägt. Mit seinem Heimatverein, den Silicon Valley Aftershocks, war Wozniack selbst schon mehrfach am Start.
Egal, welcher Freizeitaktivität Manager nachgehen: Sie tun damit etwas gegen Stress – und bringen im besten Fall sogar noch ihr Geschäft voran, zeigt eine Studie der San Francisco State University. Wer einem kreativen Hobby nachgeht, also zum Beispiel Musik macht, zeichnet oder kocht, stimuliert sein kreatives Denken und stärkt seine Fähigkeit zum Problemlösen. Noch deutlicher sind die positiven Effekte von Sport und Bewegung. Wer Stress hat, schüttet die Hormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol aus. Bewegung neutralisiert diese sozusagen: Der Körper nimmt mehr Sauerstoff auf, der Stoffwechsel kommt in Fahrt, die Produktion von Glückshormonen wie Serotonin und Endorphinen steigt.
Wer beim Joggen also mal so richtig Gas gibt, läuft nicht nur sprichwörtlich seinen Problemen davon. Und auch beim Boxen geht es nicht darum, ziellos in den Sandsack zu boxen, sondern vor allem darum, Adrenalin – und damit Aggressionen und Frust – abzubauen. Auf diesen Effekt setzen auch viele Silicon-Valley-Größen: Meta-Boss Mark Zuckerberg etwa trainiert Mixed Martial Arts, einen Kampfsport, bei dem geschlagen und getreten wird, bis der Gegner auf dem Boden liegt und aufgibt. PayPal-Chef Dan Schulman beginnt seinen Arbeitstag mit einer Runde Krav Maga, einer Art Selbstverteidigung, die ihm hilft, in stressigen Phasen einen kühlen Kopf zu bewahren und richtige Entscheidungen zu treffen. Und Palantir-Chef Alex Karp übt sich in Jiu Jitsu und kann, wenn es darauf ankommt, Angreifer direkt zu Boden bringen.
Chefin von Douglas Brands schwört auf Golf
Susanne Cornelius, die als Chefin von Douglas Brands die Verantwortung für die Eigenmarken des Parfümeriekonzerns trägt, schwört auf ein etwas angestaubt klingendes Hobby: Golf. „Es ist mir einfach unmöglich, mich auf den nächsten Schlag zu konzentrieren und gleichzeitig über etwas anderes nachzudenken. Am 18. Loch fühle ich mich dann wie nach einem Kurzurlaub: erfrischt und voller Tatendrang.“ Die Spitzenmanagerin musste in der Vergangenheit schon häufig ihre Kraftreserven anzapfen. Vor ein paar Jahren erkrankte ihre Mutter plötzlich schwer und verbrachte neun Monate im Krankenhaus und in der Reha. „Einen solchen Zeitraum kann man nicht durchpowern. Man muss sich seine Kräfte einteilen“, sagt sie.
Cornelius tankt Kraft aus gemeinsamer Zeit mit Familie und Freunden. Mit ihrer besten Freundin teilt sie sich in schweren Zeiten schon mal einen Kaiserschmarrn, redet und lacht mit ihr ausgiebig, als ob Zeit keine Rolle spielt. „Das füllt den Kraftspeicher.“ Ihre Sorgen teilt sie auch mit ihrem Mann, der als Mediziner häufig eine andere Sicht auf die Dinge hat. „Das erdet. Wenn ich zu sehr im Tunnel bin, öffnet er mir die Augen für die wichtigen Dinge außerhalb des großen Rades, das wir alle mit so viel Begeisterung drehen.“
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