Ressourcen- und Klimaschutz: Wie lässt sich das Potential der Reparatur besser nutzen?
Einen ganzheitlich ausgerichteten Nachhaltigkeitsansatz, der die Reparierbarkeit von Produkten einschließt, verfolgen auch Öko-Unternehmen wie der Versandhändler memo: Bevor Produkte ins Sortiment aufgenommen werden, werden diese auf ihre Umweltauswirkungen bei Herstellung, Gebrauch und Entsorgung sowie auf ihre Gesundheitsverträglichkeit genau geprüft. Ausschlaggebend für die Aufnahme ins Sortiment sind dabei verwendete Materialien, ressourcenschonende Herstellung, sozialverträgliche Arbeitsbedingungen in der Produktion, fairer Handel und fairer Preis, energieeffizienter Verbrauch, sparsame und recyclingfähige Verpackung, möglichst geringe oder gar keine gesundheitliche Belastung des Verbrauchers, Recyclingfähigkeit bzw. die problemlose Rückführung des Produkts in natürliche Kreisläufe, Praxistauglichkeit, Langlebigkeit, Qualität und Reparaturfähigkeit (Quelle: Beschaffungskriterien auf memolife). Reduktionen, Reparaturen und Recycling, die alle mit dem Ende der geplanten Obsoleszenz verbunden sind, schaffen auch neue Beschäftigungen, die alle Generationen einbezieht – und machen glücklich, weil es sinnvolle Themen und Aufgaben sind, die zugleich mit den großen Fragen des Lebens zusammenhängen: Was ist mir wichtig? Was bleibt am Ende? Was soll weitergegeben werden? Was hält das eigene Leben und die Gesellschaft im Inneren zusammen?
Sie fordern den industriellen Kapitalismus heraus - und überschreiten ihn zuweilen auch. Anfang 2014 begann das Netzwerk REPARATUR-INITIATIVEN mit seiner Arbeit. An hunderten Orten treffen sich Menschen, um in Repair-Cafés, Elektroniksprechstunden, Reparier-Bars oder Ganz-Mach-Läden kaputte Alltagsgegenstände wieder funktionstüchtig zu machen. Auch der Runde Tisch Reparatur ist ein breit aufgestelltes Netzwerk aus den Bereichen Handwerk, Umwelt- und Verbraucherschutz, Wissenschaft, Beratung und ehrenamtlicher Reparatur. Von der Bundesregierung fordern https://runder-tisch-reparatur.de/wp-content/uploads/2022/02/Umsetzung-Recht-auf-Reparatur-2022_Feb.pdf sie, das herstellerunabhängige Recht auf Reparatur zu stärken und reparaturfördernde Maßnahmen umzusetzen. Reparieren muss für Bürger:innen einfacher und für unabhängige Reparaturdienstleister rentabler werden. Zentral dafür ist ein gemeinsames europäisches Vorgehen.
produktgruppenübergreifende Reparaturanforderungen, die reparaturfreundliches Produktdesign vorschreiben.
deutschlandweite Angebote, die es ermöglichen, Erfahrungen mit Reparaturen zu sammeln.
Reparatur, Mieten und Second-Hand-Angebote.
Die Kultur der Reparatur basiert auf Kenntnissen, auf Können, auf analytischem Denken, auf Lebensklugheit, Wertschätzung und Achtsamkeit.
Wie wir uns gegenüber materiellen Dingen verhalten, sagt auch etwas über uns selbst aus. In früheren Zeiten war es normal, defekte Gegenstände zu reparieren. Sie wegzuwerfen hat sich erst in den letzten Jahrzehnten etabliert. In Deutschland gibt es bisher nur eine „Kreislaufwirtschaft“, die das „richtige Wegwerfen“ im Blick hat. Das Recht auf Reparatur stärkt und fördert allerdings eine echte Circular Economy, die den Erhalt von Ressourcen und Produkten in den Mittelpunkt stellt. Der Name Kreislaufwirtschaft ist also dem veränderten Ansatz geschuldet, Abfälle als Ressource zu sehen, sie entsprechend zu sortieren, zu behandeln, Recyclingmaterialien zu gewinnen und diese wieder in die Stoffkreisläufe einzuspeisen (Quelle: Politikmonitor Nachhaltigkeit 3/2021). Neuere deutschsprachige Studien verwenden stattdessen häufig den englischen Begriff „Circular Economy“. Dieser meint „echte“ Kreislaufwirtschaft unter Einbezug des Produktdesigns, der Produktentwicklung und der Sekundärrohstoffmärkte.
Als erste europäische Outdoor-Marke stellte VAUDE Reparaturanleitungen auf der internationalen Online-Plattform iFixit zur Verfügung: Kunden können einfache Reparaturen an VAUDE Produkten (darunter auch Fahrradzubehör) selbst vornehmen und bei Bedarf auch die dafür notwendigen Ersatzteile und Werkzeuge bestellen. Damit ergänzt der Outdoor-Hersteller den hauseigenen Reparaturservice und erweitert sein Nachhaltigkeitskonzept um einen weiteren Baustein. Der unternehmenseigene Reparaturservice behebt seit Jahren kleine und größere Schäden, tauscht defekte Teile aus und verlängert damit die Lebensdauer von geliebten Produkten. Praktische Hilfestellungen zum Selbsterledigen sind in „Do-it-yourself“-Reparaturanleitungen zu finden. Werden Ersatzteile dafür benötigt, können diese über den Kooperationspartner iFixit online bestellt oder nach wie vor beim Fachhandel bezogen werden.
Viele Reparaturwerkstätten stehen heute aber auch vor der Frage, ob sie aufgeben oder weitermachen sollen. Häufig sind Ersatzteile kaum verfügbar oder überteuert, oder es fehlen Nachwuchskräfte. Laut Koalitionsvertrag möchte die Bundesregierung die Reparierbarkeit von Produkten und den Zugang zu Ersatzteilen und Reparaturanleitungen verbessern sowie verpflichtende Update-Zeiträume für digitale Produkte einführen. Dies sind wichtige Maßnahmen, um die Lebensdauer von Produkten zu verlängern. Wer repariert, bewahrt Erinnerungen, baut sie um und setzt Dinge wieder in Gang in einer reparaturbedürftigen Welt, die durch handwerkliche Intelligenz wieder begreifbar wird.
Auf der Plattform www.reparatur-initiativen.de lassen sich Reparaturdaten selbst einpflegen, damit bald eine gemeinsame Statistik des ehrenamtlichen Reparierens entsteht und wächst. Gemeinsam mit den Partnerinstitutionen Runder Tisch Reparatur und Open Repair Alliance werden hier die Reparaturergebnisse im Netzwerk erfasst, damit das zivilgesellschaftliche Reparieren auch zahlenmäßig sichtbar wird und eine stärkere Stimme bekommt.
Repairs for Future: Warum wir handwerkliche Intelligenz brauchen
Andrea Baier, Tom Hansing, Christa Müller, Karin Werner (Hg.): Die Welt reparieren. Open Source und Selbermachen als postkapitalistische Praxis. Transcript Verlag, Bielefeld 2016.
Matthew Crawford: Die Wiedergewinnung des Wirklichen – Eine Philosophie des Ichs im Zeitalter der Zerstreuung. Ullstein Verlag, Berlin 2016.
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Nachhaltigkeit begreifen: Was wir gegen die dummen Dinge im Zeitalter der Digitalisierung tun können. In: CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2021.
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Circular Thinking 21.0: Wie wir die Welt wieder rund machen. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.
Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. SpringerGabler Verlag. Heidelberg, Berlin 2020.