Rock Your Work mit Clean Meat und fliegenden Eiweißbomben
Wie werden wir zukünftig essen? Das beeinflusst unsere Arbeit! Fleischverzehr im jetzigen Ausmaß wird auf Dauer nicht möglich sein. Zu viel Weideflächen und Ackerflächen für Viehfutter werden benötigt. Laut einer Studie des UN-Umweltprogramms beansprucht die Tierhaltung weltweit 78 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Natürliche Lebensräume werden zerstört, die Biodiversität sinkt. Hinzu kommen ethische Fragen. Vielleicht schauen uns unsere Enkel in dreißig Jahren völlig fassungslos an, wenn sie Bilder von Massentierhaltung sehen. Vielleicht fragen sie uns, wie wir diese Tiere essen konnten. Vielleicht gibt es dann kein Fleisch mehr von geschlachteten Tieren zu kaufen. Möglich wäre es.
Mehlwürmer und Clean Meat
Insekten sind eine proteinreiche Nahrung. Als fliegende und kriechende Eiweißbomben werden sie für die Ernährung der Zukunft eine wichtige Rolle spielen. In der Schweiz baut die Bühler Group eine Fabrik zur Fliegenzucht. Die Schwarze Soldatenfliege wird mit Grünabfall gefüttert. Auch Mehlwürmer bieten Proteine, Vitamine und Mineralien. Das Schweizer Start-up BOXFarm liefert spezielle Überseecontainer direkt zum Kunden. In ihnen werden Mehlwürmer als Fleischersatz umweltfreundlich und ressourcenschonend gezüchtet. Die Energie stammt von Solaranlagen, die auf dem Containerdach installiert sind.
Wer ekelt sich bei der Vorstellung, Insekten zu essen? Es gibt andere Alternativen zum Fleisch geschlachteter Tiere. Im Labor wird Fleisch gezüchtet - ohne Tierleid industriell im 3D-Drucker.
Mitarbeiter des israelischen Unternehmens MeaTech 3D entnahmen einer Kuh Stammzellen und arbeiteten sie in sogenannte Biotinten ein. Die ausgedruckten Schichten reiften in einem Inkubator aus. Dort differenzierten sich Fett- und Muskelzellen aus. Das erste im Labor gezüchtete Steak aus lebenden Muskel- und Fettzellen wog 110 Gramm. Fleisch aus dem 3D-Drucker schenkt uns Geschmack von Fleisch ohne Tierleid. 95 Prozent der Umweltbelastung werden gestrichen.
Fleisch-Biss-Gefühl steigern
Firmen wie Beyond Meat, Redefine Meat und Impossible Foods setzen auf Alternativ-Fleisch auf pflanzlicher Basis. McDonald‘s bietet Pflanzen-Burger zusammen mit Beyond Meat an. Redefine Meat bringt pflanzenbasierte Steaks und Würste auch in Berliner Restaurants. Mit Likemeat produziert Timo Recker seit 2013 vegane Hähnchen und Gyros aus Soja und Weizen. Jetzt baut er in Singapur die Marke Tindle auf. Seiner Familie gehört ein konventioneller Fleischbetrieb. Doch Recker ist sich sicher: „Unsere Kinder werden in Zukunft ohnehin nicht viel Fleisch essen.“
Das Schweizer Start-up Planted Foods produziert vegane Alternativen zu Hühnerspießen und Pulled Pork aus Erbsen und Hafer. 2021 sammelte die Firma 19 Millionen Schweizer Franken, um international expandieren zu können. Das Wiener Start-up Revo Foods entwickelt Räucherlachs auf Pflanzenbasis aus dem 3D-Drucker.
Was macht das Rennen?
Häufig wird von Gegnern und Skeptikern argumentiert, gedrucktes Fleisch und pflanzliche Fleisch-Ersatzstoffe seien zu teuer. Die Kosten der Solarenergie sanken in nur zehn Jahren um 89 Prozent. Eine solche Entwicklung ist auch für Fleischalternativen zu erwarten. Dann wären sowohl veganes Fleisch als auch gedruckte Fleischzellen günstiger als Fleisch aus Massentierhaltung.
Die Frage ist also nicht, ob sich Fleischalternativen auf dem Markt durchsetzen werden. Die Frage ist, ob gedruckte Fleischzellen oder vegane Hähnchen auf Sojabasis das Rennen machen werden.
Veganes Krankenhaus
Vegane Ernährung schützt nicht nur Tiere, sie ist auch ökologisch wertvoll. 2020 war in Deutschland das Jahr mit dem niedrigsten Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch seit Beginn der Erhebung der Daten im Jahr 1989. Eine Mehrheit der jüngeren Generation lehnt die Fleischindustrie in ihrer derzeitigen Form ab.
Wer vegan lebt, spart zwei Tonnen CO2 pro Jahr, der CO2-Fußabdruck sinkt um 73 Prozent, rechnet Govolunteer vor. Das erste vegane Krankenhaus der Welt wurde im Libanon eröffnet. Das größte vegane Hotel Deutschlands beherbergt die Gäste in einer denkmalgeschützten Burg an der Elbe in einem UNESCO Biosphärenreservat.
Immer mehr etablierte Unternehmen und Start-ups arbeiten an Alternativen zur Kuhmilch. Milchalternativen erobern den Markt, weil sie schmecken, Milchkühe nicht quälen und die Umwelt geschont wird. Blue Farm aus Berlin bietet Hafermilch-Pulver zum selbst Mischen mit Wasser. Jede Packung Blue Farm reduziert den Müll um bis zu acht Milchkartons. Gute Alternativen für Kuhmilch sind auch ein Milchersatz aus Erbsen von vly aus Berlin und die Hemi-Milck aus Hanfsamen von The Hempany aus Stuttgart. Achtung: Der neue Wort-Mix Milck wurde in erster Instanz gerichtlich verboten. Die Wettbewerbszentrale hatte gegen die Verwendung dieses Wortes geklagt. Zu klagen ist ein typisches Verhalten von etablierten Branchen, die sich Wettbewerber vom Leib halten wollen. Nun geht The Hempany in Berufung.
Elternzeit für Kühe
Wer weiterhin Milch trinken will, bekommt sie von glücklicheren Kühen. In Hochleistungs-Milchbetrieben sind säugende Kühe nicht vorgesehen, da die Milch nicht von Kälbern getrunken, sondern verkauft werden soll. Also werden die Kälber kurz nach der Geburt von ihren Müttern getrennt und bekommen Kunstmilch aus Nuckeleimern. Sechs Bioland- und Demeter-Bauernhöfe in Schleswig-Holstein machen es anders. Sie lassen die Kälber für mindestens drei Monate bei ihren Müttern. Wenn es um unsere Ernährung geht, lohnt es sich, den Status quo infrage zu stellen. Wir brauchen noch viel mehr Arbeit an neuen Formen der Ernährung und des Genusses.
ROCK YOUR WORK
Dieser Text is ein Auszug aus ROCK YOUR WORK. 461 Beispiele und Geschichten über Leben und Arbeit, träumen und machen, spinnen und anpacken. Es geht um Glück und Gesundheit, LEBEN und Arbeit, Menschen und Mitwelt, Diversität und Biodiversität.
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